TTIP weiter offen
Handel
EU-Chefunterhändler Bercero in Berlin
Der Handel ist im Wesentlichen ein Deal zwischen Privatunternehmen. Verbraucherschutz hingegen sind Errungenschaften der Gesellschaft über die Politik für das Gemeinwesen. Die Diskussionen über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) laufen entlang dieser Grenze. Verbesserter Marktzugang für Unternehmen gegen Sicherheitsstandards bei Lebensmittel. Der tägliche Disput musste einmal explodieren, wenn beide Seiten entsprechende Größe erreicht haben. Diesseits des Atlantiks stehen die Errungenschaften des Gemeinwesens auf dem Spiel, jenseits, die Grundlagen des Privatgeschäftes. Beide Kulturen haben sich von einander weg entwickelt. Und müssen für das TTIP wieder zusammengefügt werden.
Für die EU verhandelt Ignacio Garcia Bercero aus der
Generaldirektion Handel und kam am Dienstag nach Berlin. Das hätte die EU schon
früher machen sollen und nicht erst, nachdem aus dem Unbehagen der
Verbraucherinteressenten sich ein breiter Widerstand gegen das TTIP formiert
hatte. Doch „früher“ stand nicht auf dem Fahrplan der Kommission. Die Mehrheit
der Europäer stünde hinter dem Abkommen und nur in einigen Ländern wie Luxemburg,
Österreich und Deutschland äußere sich die Kritik besonders laut. Da hätten die
EU-Länder offen mit den Bürgern debattieren müssen, die EU-Verhandlungsgruppe
sei zu klein und könne nur die Gespräche mit den USA koordinieren, verteilte
Bercero die Schuld an der geteilten Zustimmung.
Er machte aber auch deutlich, dass TTIP nicht alleine
von der Kommission und den Unternehmen entschieden wird. Das
Verhandlungsergebnis werde sowohl den nationalen Parlamenten als auch dem
Europaparlament zur Ratifizierung vorgelegt. Die nationalen Parlamente ließen
weder eine Absenkung der Standards noch eine Aufweichung der Kulturförderung
zu, ist sich der gelernte Jurist sicher. „Wir werden auch nach Abschluss des
TTIP-Abkommens keine Verbraucherstandards absenken.“ Was in der EU verboten
ist, bleibt auch nach TTIP verboten.
Im Gegenteil nähme er den Amerikanern Kritik und Sorgen aus den Segeln, wie sie beispielsweise über die Politik der grünen Gentechnik herrschten. Die Opt-out-Regel sei international mit den Handelsstandards verträglich und entspräche den demokratischen Prinzipien der EU.
Bei der bei der „regulatorischen Kooperation“ bestehe nicht die Gefahr, dass jenseits existierender parlamentarischer Regeln ein übergeordnetes Gremium vorab über eine Neuformulierung von Gesetzen entscheide.
Zwist besteht auch bei dem Schiedsgerichtverfahren
zwischen privaten Investoren und dem Staat. Nicht für Bercero. Was im Abkommen
mit Kanada beschlossen wurde (CETA) müsse verbessert werden. Wie die Reform am
Ende aussieht, wagte er nicht zu sagen, wies aber darauf hin, dass es vor allem
für die europäischen Unternehmen in den USA eine Stärkung sei.
Zu Herd-und-Hof.de sagte er, dass die Auswirkungen von TTIP auch auf die Entwicklungsländer geprüft seien und keine negativen Effekte zu erwarten sind. Im Gegenteil könnten die Länder, die in die USA und nach Europa exportieren noch stärker durch die Übernahme neuer Standards profitieren. Bei den anderen Ländern würde sich die Süd-Süd-Kooperation verstärken.
Wie lange noch verhandelt werde, wagte der Spanier nicht zu prognostizieren. In den USA wird im nächsten und in Deutschland in zwei Jahren gewählt. Beide Wahlen spielten bei den aktuellen Verhandlungen keine Rolle, erklärte Bercero. Doch in diesem Jahr sollen die meisten Verhandlungsrunden abgeschlossen werden. Das Feintuning und die parlamentarischen Entscheidungen finden danach statt.
Lesestoff:
Die Angst vor der Marktveränderung durch TTIP
Wie ist die regulatorische Kooperation zu definieren?
Roland Krieg, Fotos: roRo