„TTIP wird kein Binnenmarkt“

Handel

TTIP im Bundestags-Umweltausschuss

Geräusche im Nebel lassen die Phantasie sprießen. Erst die Kenntnis über die Quelle beruhigt. Das Transatlantische Investitionsschutzabkommen (TTIP) ist so nebulös, dass „emotionale Bedrohungsszenarien“ das Ende des Abendlandes verkünden [1]. Vor allem deshalb, weil es kaum öffentliche Dokumente über den Verhandlungsstand gibt. Noch verschwiegener sind die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada (CETA – Comprehensive Economic and Trade Agreement), das deutlich fortgeschrittener ist und vor dem TTIP ratifiziert wird.
Der Umweltausschuss des Bundestages hat am Mittwoch mit einer öffentlichen Anhörung Licht in das Dunkel bringen wollen – hat aber nur die konfrontativen Argumente verstärkt.

TTIP will Handelshemmnisse abbauen

Für Ministerialdirigent Knut Brünjes aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie steht fest: „Es wird keinen transatlantischen Binnenmarkt geben!“. TTIP wolle vor allem Handelshemmnisse abbauen. So haben die Amerikaner die Zollsätze für leichte Transporter auf 25 Prozent, für Schuhe auf 35 und Sportschuhe auf 55 Prozent festgesetzt. Das sind Hemmnisse beim Verkauf entsprechender Waren in die USA, die reduziert werden sollen.
Brünjes gibt aber zu, dass die Reduzierung der Zölle nicht das wesentlichste im transatlantischen Handel ist. Wichtiger ist der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse, die auf beiden Märkten entwickelt haben. Dabei sollen vor allem Doppeltests vermieden werden, die Zeit und Geld kosten. Die Food and Drug Administration (FDA) kontrolliert deutsche Export-Betriebe regelmäßig umfangreich auf Aktualität der benötigten Standards. Die USA sollen nach Abschluss von TTIP die Zulassung in der EU anerkennen. Die beiderseitige Anerkennung werde demnach nicht zu neuen und vor allem niedrigen Standards führen. Die EU werde kein Hormonfleisch oder gentechnisch veränderte Pflanzen einführen, wenn sie es nicht wolle.
Brünjes will auch den Vorwurf entkräften, dass die Unternehmer mit einem neuen Klagerecht ihre Interessen durchsetzen können. Die EU hat vergleichbare Richtlinien in den Handelsabkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern durchgesetzt, um Investitionen vor einer schwachen regionalen Justiz zu schützen [2]. Solche Klauseln gibt es mit OECD-Ländern, wie vergleichbare Investitionsschutzabkommen, bislang nicht.
Die USA haben bereits solche Abkommen mit osteuropäischen EU-Ländern abgeschlossen, weswegen der Abschluss mit der ganzen EU eine Fragmentierung der Handelsbeziehungen vermeiden helfe. Beim Start zu CETA habe das Europäische Parlament dem Wirtschaftsministerium „ganz konkret gedroht“, zuzustimmen. Sonst würden individuelle Abkommen Deutschlands durch EU-Recht ersetzt werden, erklärte Knut Brünjes.

Welche Rolle hat das Schiedsgericht?

Solche Aussagen bezeichnet Peter Fuchs vom Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- und Weltwirtschaft „PowerShift“ nur als „halbe Wahrheiten“. „Es geht um bewusste Geheimhaltung“ und lässt auch Hinweise nicht zu, dass die EU ihre Verhandlungsposition gegenüber Kanada geschwächt sah, als ein Papier mit den „roten Linien“ in der kanadischen Presse breit diskutiert wurde. Beispiele wie die Verhandlungen zu Acta zeigten, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit zu anderen Ergebnissen komme, als Wirtschaft und Politik es beabsichtigten. TTIP sei der Einstieg in eine institutionelle Ordnung, die mit einem Schiedsgericht die nationale Rechtsprechung aushebele.
Das Klagerecht für Unternehmen bezeichnete Fuchs als „positive Diskriminierung ausländischer Unternehmen“. Am Ende entscheiden die „Privatpersonen“ im Schiedsgericht über den Ausgang von rechtlichen Streitigkeiten. Deutschland unterzeichne bei TTIP und CETA eine Blanko-Vereinbarung für höhere Rechte des Schiedsgerichtes. Aus der Klage von Vattenfall habe die Bundesregierung keine Lehren gezogen.

Verfassungsgemäß?

Nach Brünjes werde die Bundesregierung einer Abgabe rechtlicher Bestimmung nicht zulassen und das im TTIP auch verankern. Dennoch laufen Diskussionen um die Vereinbarung mit der Verfassung. Dabei steht der Artikel 23 des Grundgesetzes im Fokus, weiß Prof. Dr. Peter-Tobias Stoll von der Georg-August-Universität Göttingen. Bundestag und Bundesrat haben bei Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof. Am Ende werde es an den Formulierungen des fertigen Abkommens hängen.

Bi- statt Multilateral?

Derzeit boomen weltweit bilaterale Handelsabkommen und legen die multilaterale ausgerichtete WTO auf Eis. Solche Exklusivitäten schließen nach Prof. Stoll andere Handelspartner gleichzeitig von einer Begünstigung aus. Dennoch haben solche Investitionsabkommen Vorteile: Weil die Länder sich auf der Basis der gegenseitigen Anerkennung von Standards nähern, sind sie leichter umzusetzen, als wirkliche Binnenmärkte. Vor allem bei technischen Standards und im Agrarbereich können sich die Partner schneller einigen. Zudem beinhalten die Abschlüsse einen Regulierungsdialog, der bei TTIP vor allem über die grüne Gentechnik und Hormonfleisch zum Zuge kommen werde.
Prof. Stoll sieht in den bilateralen Abkommen auch eine Pionierleistung für soziale und Umweltstandards, die von der WTO übernommen werden könnten.

Chancen

Es gibt viele strittige Punkte. Sogar der Deutsche Städtetag warnt vor dem TTIP, wenn im Rahmen der Ausschreibungsverfahren ausländische Firmen die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum Deutschlands übernehmen. Für Knut Brünjes aber wird zu viel über die Hemmnisse geredet und werden zu wenig die Chancen betrachtet. Das TTIP will Hemmnisse abbauen und Errungenschaften verteidigen.

Lesestoff:

[1] Wer kontrolliert die Lebensmittelversorgung nach TTIP?

[2] Die Fraport AG hatte sich am Ausbau des Manila Airports auf den Philippinen finanziell engagiert. 2002 hatte die Regierung den Vertrag aber annulliert, weil der Partner vor Ort ein unklares Konzessionsverhältnis aufwies, und das Investment war verloren. Von der Bundesregierung hatte die Fraport auf der Basis einer Bundesgarantie für Kapitalanlagen im Ausland (GAK) mehr als 41 Millionen Euro Entschädigung erhalten.

Roland Krieg

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