Ungarn kommt
Handel
Ungarn ist Partnerland der IGW 2010
Bereits jetzt können sich die Besucher der Internationalen Grünen Woche 2010 vorfreuen: Ungarn ist Partnerland der weltweit größten Agrar- und Ernährungsmesse im Januar 2010. Péter Dull, Agrarattache der ungarischen Botschaft stellte am Freitag den Berlin-Brandenburger Agrarjournalisten die Messepläne und Agrarwirtschaft seines Landes vor.
Ungarische Wochen im Januar
Ungarn wird die Messehalle 10.2 ganz auf 1.680 Quadratmeter in Beschlag nehmen und in der Hallenmitte eine begehbare Landkarte mit charakteristischen Perspektiven aufbieten. Diese führen die Besucher zu den Messeständen rund um die Halle. Über en umfangreiches Bühnenprogramm können die Besucher ihre Ungarnkenntnisse auf Vordermann bringen und außerhalb der Messe werden der Kaufhof am Alexanderplatz und der Ostbahnhof zwei Wochen lang Gäste auf ungarische Wochen mit Verköstigungen empfangen.
Parallel dazu wird sich Ungarn auf das internationale Agrarministertreffen und zusammen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium zu einem Agrarwirtschaftsgipfel einladen.
Agrarwirtschaft stabil
Die Finanzkrise hat auch Ungarn getroffen. Der Agrarsektor wies vor der Krise einen Anteil von sieben Prozent am Bruttoinlandsprodukt auf und konnte sich während der Krise auf neun Prozent verbessern. Zum einen hat die Krise diesen Bereich deutlich weniger getroffen, zum anderen sind die Rückgänge in den anderen Bereichen deutlich stärker gewesen. Für 5,7 Milliarden Euro exportiert Ungarn Agrar- und Ernährungsprodukte und erzielt einen Handelsüberschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro. Als Binnenland handelt Ungarn im Wesentlichen mit der EU und vor allem mit den direkten Nachbarstaaten. Traditionell gibt es noch Absatzmärkte in den USA und Japan, sagte Dull.
Mit Deutschland ist das Handelsvolumen ausgeglichener: Waren im Wert von 858 Millionen Euro werden exportiert, für 819 Millionen importiert. Lebensmittel, Getreide und Tabak sind die traditionellen Exportgüter. Neu hinzugekommen ist Biodiesel. Ungarn baut mittlerweile auf mehr als 250.000 Hektar Raps an, das als Energieträger den traditionellen Anbau von Sonnenblumen mit einer Million Hektar noch nicht ganz das Wasser reichen kann. Auf Grund fehlenden Eigenbedarfs geht der Biodiesel fast ausschließlich in den Export und entlastet in Deutschland die Fruchtfolgen. Hier ist eine Ausweitung der Rapsanbaufläche kaum mehr möglich.
Wandel
Auch in Ungarn hat die Wende die Agrarwirtschaft nachhaltig beeinflusst. Vor dem Beitritt zur EU gab es in Ungarn noch 4,9 Millionen Schweine. Durch den zunehmenden Wettbewerb ist der Bestand auf 3,4 Millionen zurück gegangen. Es kommen sowohl lebende Tiere aus Dänemark und den Niederlanden als auch Schweinefleisch aus Deutschalnd und Polen nach Ungarn. Das preiswerte Marktsegment auf dem Verbrauchermarkt wird aus diesen Quellen gespeist. Ungarn konzentriert sich im Export auf den Bereich der veredelten höherpreisigen Waren.
Umgekehrt ist es auf dem Milchmarkt. Hier beliefert Ungarn traditionell vor allem den italienischen Markt mit Rohmilch. Ungarn schöpft seine Milchquote seit Jahren nur zu 90 Prozent aus und produziert mehr, als es verbraucht. Da aber gerade Italien mehr Quote zugestanden bekommt, verliert Ungarn Teile dieses attraktiven Exportmarktes. Dadurch müssen die Molkereien sich mit Käse und Joghurt den eigenen Markt erschließen, den bislang vorwiegend das Ausland bedient hat.
Vor fünf Jahren bereits haben sich mittelständische Milchbauern zu einer Liefergenossenschaft zusammen geschlossen, um den niedrigen Preisen der Molkereien etwas entgegen zu setzen. Sie konnten sogar eine von der italienischen Parmalat aufgegebene Molkerei kaufen und produzieren ihre eigenen Produkte. Auf Grund des Erfolges haben sich mittlerweile viele kleine Milcherzeuger dieser eigeninitiative angeschlossen und stellen insgesamt bereits 22 Prozent des ungarischen Milchmarktes.
Ungarn innovativ |
Lokal kaufen
Ungarn hat zwei verschiedene Märke. Die Lebensmittelindustrie war nach der Wende zur Hälfte in ausländischer Hand. Derzeit ist der Anteil auf 47 Prozent gesunken, so Dull. Sie bedienen vorrangig die Märkte in der Stadt. Auf dem Land sind lokale Wochenmärkte auch bei jungen Konsumenten sehr beliebt. Die Ungarn kaufen nicht so preisbewusst wie die Deutschen, sondern setzen auf Qualität und direkten Warenbezug. Stefan Ostermann von dem 1997 für Backwaren gegründeten Unternehmen Fornetti sagte zu Herd-und-Hof.de, dass die Ungarn lieber einen Forint mehr für gute Qualität bezahlen.
Die Märkte sind für den Ökohandel aber eher ein Hemmnis. Die Ungarn fragen diesen Markt intensiver ab, doch meist nur in den Städten. Die Menschen auf dem Land bewirtschaften fast alle einen eigenen Garten, so dass dort Ökoprodukte wenig Chancen haben. Trotzdem versucht es Rédei seit 1997 mit Teigwaren und Pasta in europäischer Ökoqualität.
Dem Gesundheitstrend folgt auch die Müslifirma Cerbona, deren Name in Ungarn schon Synonym für einen Müsliriegel geworden ist. Die Riegel sind mit Ballaststoffen angereichert – für die gesundheitsbewussten ungarischen Konsumenten.
Keine Chance für Gentechnik |
Grund und Boden
Seit der Wende ist die landwirtschaftliche Fläche in Ungarn um 20.000 Hektar zurückgegangen. Ungarn hat zwar privatisiert, aber nicht das Land der Vorfahren zurückgegeben, sondern gleichwertig in der Nähe liegendes. Viele Betriebe haben danach aufgegeben oder besinnen sich auf die Selbstversorgung. Heute gibt es rund 700.000 Bauernhöfe in Ungarn, doch nur 180.000 sind in der Erwerbslandwirtschaft tätig. Vor der Wende waren dies 220.000.
2003 waren 17 Prozent der Betriebe im Staatsbesitz, heut sind es 22 Prozent. Kleine Betriebe erhielten eine erhöhte Rente wenn sie ihr Land an den Staat verkauft haben. Den stärksten Rückgang haben die Genossenschaften zu verzeichnen. 2003 bewirtschafteten sie noch vier, heute nur noch ein Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. Grund: Die meisten Genossen begannen, ihr Land nach der Wende wieder selbst zu bebauen.
Das aktuelle Problem der ungarischen Landwirtschaft ist ein europäisches: Liquiditätsschwierigkeiten. Viele Flächen sind gepachtet, weswegen Handel und Banken nur wenig Kredite vergeben. Ungarn wirkt dem seit 2008 gezielt mit Liquiditätsprogrammen entgegen. Die Ungarische Bank für Wirtschaftsförderung legt Programme für die Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft und für den ländlichen Raum auf. Für größere Firmen, die mit Marken nachhaltig auf dem Markt erfolgreich sein könne, gibt es separate Fördermittel.
Roland Krieg