„Verbraucherberatung im Quartier“
Handel
Verbraucherzentrale NRW mit neuem Beratungsmodell
Die Ampel schaltete im Sommer 2015 auf Grün. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) wurde im letzten Jahr 60 Jahre alt und bescherte den Verbrauchern ein neues Angebot. In Köln fiel der Startschuss für das Projekt „Verbraucherberatung im Quartier“, das Menschen erreichen will, die aus eigener Kraft nicht mehr den Gang in die Verbraucherzentrale finden.
„Neben der Beratung in unserer festen Einrichtung wollen wir die Menschen – vor allem diejenigen mit geringem Einkommen, Ratsuchende, die älter sind oder die aus einem anderen Land kommen und hier Fuß fassen wollen – gezielt dort erreichen, wo sie sich befinden: und zwar in Begegnungsstätten, Familienzentren oder Kirchengemeinde in ihrem Veedel", erklärte Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW im Juni 2015. Die VZ sieht darin eine Zukunftsaufgabe. Mit Unterstützung der Stadt Köln, Kommunal- und Landespolitikern wollen die Verbraucherberater eine Lücke in der Beratung schließen.
Wie ernst es der Verbraucherzentrale ist, zeigte die Stellenausschreibung für das Projekt im Oktober 2015. Am vergangenen Freitag reiste Staatssekretär Ulrich Kelber aus dem Verbraucherschutzministerium nach Bonn, um im Stadtteil Neu-Tannenbusch eines der nächsten Quartiere zu eröffnen. Zwei Mitarbeiterinnen des Projektes sind ab sofort mobil unterwegs und suchen „gezielt besonders informations- und schutzbedürftige Menschen auf“, teilt die VZ NRW mit. Wo stecken die Kostenfallen bei einem vermeintlich günstigen Handyvertrag, wie wehre ich mich gegen ein aufdringliches Werbegespräch an der Haustür oder am Telefon. Viel „Kleingedrucktes“ ist bewusst schwerverständlich geschrieben und beinhaltet Fallstricke. Die Mitarbeiterinnen „übersetzen“ die Vertragstexte in eine leicht verständliche Sprache.
Um möglichst viele Menschen zu treffen, haben sie sich vorab im Quartier umgesehen und Begegnungsstätten, Jugend- und Senioreneinrichtungen, Vereinsheime sowie kirchliche Gemeindezenten ausgemacht, wo sie den Kontakt mit den Verbrauchern herstellen können.
Weitere Beratungen im Quartier gibt es in Sachsen-Anhalt in Halle Silberhöhe und Südliche Neustadt/Südpark.
Das Projekt „Verbraucherzentrale geht in die Quartiere“ ist finanziell durch das Verbraucherschutzministerium für beide Standorte bis Ende 2017 mit zusammen 748.000 Euro abgesichert.
Zwei Fragen an die VZ NRW:
HuH: Der Wunsch in die Quartiere oder Dörfer zu gehen ist nicht neu. In den Flächenländern wie MV oder BB, vielleicht auch NI ist ein Zusatzangebot hin zu den Verbrauchern kaum finanziell realisierbar. Was passiert mit dem Projekt nach 2017?
VZ NRW: Es ist richtig, das in der Fläche eine wohnortnahe Beratung schwer umsetzbar ist. Das gilt auch für ländliche Regionen in NRW. Andererseits müssen wir Formen finden auch diese Menschen zu erreichen. Das könnte in Zukunft mit einer Mischung aus online Angeboten und gezielter Ansprache von Multiplikatoren, also Vereinen, Verbänden, Kirchengemeinden, etc. funktionieren.
Wir wollen in der Laufzeit des Projekts Methoden der Information und Vernetzung erproben, die nach Beendigung in unsere Arbeit einfließen sollen. Die Entwicklung der Arbeit im ländlichen Raum ist eine weitere Herausforderung.
HuH: Die Verbraucherzentralen haben alle ihre Online-Angebote ausgeweitet. Warum ist das nicht ausreichend hilfreich?
VZ NRW: Letztlich ist auch das Internetangebot zunächst einmal eine Komm-Struktur. Das heißt, wer nicht weiß, dass er bei den Verbraucherzentralen Hilfe bekommen kann, sucht dort auch nicht. Häufig wissen Menschen mit mangelnder Bildung oder Sprachkenntnissen gar nicht, dass sie sich gegen "Abzocke" wehren können. Das ist umso bedauerlicher, da gerade bei diesen Gruppen schon kleine Beträge das Einkommen deutlich schmälern können.
Die direkte Ansprache in den Vierteln und die Vernetzung mit vorhandenen Strukturen können hier Informationen bringen und Wege aufzeigen über das Internet oder die nächstgelegene Beratungsstelle zum Recht zu kommen.
Darüber hinaus gibt es Problemlagen in denen eine reine Internetberatung nicht weiterhelfen kann und ein persönlicher Kontakt erforderlich ist.
Roland Krieg