Verkehrswende hat die Köpfe nicht erreicht

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Umweltrat mahnt Verkehrswende an

Emissionen

„Im Verkehrssektor verpestet vor allem das Automobil die Luft.“ Mit diesem Satz bezieht sich Autor Manfred Horn in seinem Buch „Die Energiepolitik der Bundesregierung von 1958 bis 1972 auf das erste Gutachten des Umweltrates, der, neu gegründet, mit dem Thema „Auto und Umwelt“ das neue Spielzeug der Deutschen wissenschaftlich begutachtete. Horn geht sogar noch weiter: „Dessen ungeachtet stieg der Anteil des Individualverkehrs an der gesamten Personenverkehrsleistung von 1960 bis 1971 von etwa 62 % auf fast 80 % an.“

Horn hat das in seinem Buch im Jahr 1977 geschrieben. Seit 40 Jahren hat sich nichts an der Einschätzung geändert, stellte Prof. Dr. Claudia Hornberg, Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) am Donnerstag in Berlin fest. Flächenverbrauch, Emissionen, Lärm und auf das Auto ausgerichtete Städte galten dem SRU in seinem ersten Gutachten wie auch im neuen Gutachten zum Klimaschutz im Verkehrssektor 2017 als noch immer aktuelle Gründe, den „Verkehrsinfarkt“ endlich zu beenden.

Heute steht das Automobil im Fokus der Decarbonisierung der Wirtschaft. Nach dem Erfolg der erneuerbaren Energien für den Strombereich, dem langsamen Heben des „Wendepotenzials“ im Wärmebereich muss auch beim Verkehr eine Umkehr einsetzen. Doch da hakt es am meisten. Da hat die zurückliegende Legislaturperiode bei der Umsteuerung versagt. Aber nicht allein. Während alle anderen Sektoren Emissionen senken konnten, steigen sie beim Verkehrssektor seit etwa 2008 wieder an.

Das hat nach Helge Pols aus dem Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur zwei Gründe: Die Motorleistung und die Fahrleistung der Pkw sind gestiegen. Die Menschen können sich ohne Auto nicht mehr fortbewegen.

Komplexer Ansatz

Das SRU-Gutachten erkennt den Verkehrssektor als größte Herausforderung der Energiewende an. Autorin Prof. Dr. Claudia Kemfert benennt zwar auch Tempo 130 und das Ende der Dieselbegünstigung als Mosaiksteine des Wendepuzzles, doch steht die Verkehrswende vor allem im Zeichen von Umwelt- und Gesundheitsbelastungen. Mit 38 Prozent ist der Verkehrssektor Hauptemittent von Stickoxiden und die drohenden Fahrverbote sind Anzeichen, dass die Kommunen endlich reagieren müssen. Fast die Hälfte der Menschen fühlt sich im Wohumfeld durch Straßenlärm belästigt.

Das Gutachten geht von einer notwendigen Verkehrsvermeidung, von einer Verlagerung der Mobilität auf den öffentlichen Nahverkehr, bei Gütern auf die Schiene, aus und diskutiert auch bei Flugzeugen und im Schiffsverkehr die Energiewende. Doch der Individualverkehr trägt nach wie vor die Hauptlast fossiler Brennstoffe und dem Bau neuer Verkehrsaderen. Daher fokussiert sch das Gutachten auf die Elektromobilität, deren Anreize in Deutschland so krachend politisch durchgefallen sind [1].

Empfehlungen

Nicola Brüning von der BMW Group rettet sich auf die Position des Lebensmittelhandels zu "gesunder Ernährung": Wir bieten für alle Wünsche kleine und große Autos mit verschiednen Antriebsarten an. Die Käufer entscheiden über das Modell. Sie bräuchte keine Elektromobil-, sondern eine Käuferquote. Doch das geht nicht ohne Nudging, weil die Umstellung der Mobilität tiefer als die Energiewende in den Alltag der Menschen eingreift. Daher adressiert der SRU mit seinen Empfehlunen vor allem die Politik.Steuern und Abgaben müssen an den spezifischen Treibhausgasen der Antriebsaggregate orientiert werden. Umweltschädigende Bevorteilungen wie die Dieselvergünstigung oder das Dienstwagenprivileg gehören „abgeschmolzen“.

Das sagt auch der Bundesrechnungshof. Im Interview mit der Rheinischen Post sagte Präsident Kay Scheller am Donnerstag über den zusätzlichen Finanzspielraum 2018 bis 2021 vonmehr 45 Milliarden Euro: „Wenn aber weitere Spielräume hinzukommen sollen, sollte sich eine zukünftige Bundesregierung an die Steuervergünstigungen heranwagen und diese kritisch auf den Prüfstand stellen.“ Das gelte insbesondere für gesundheits- und umweltschädliche Vergünstigungen wie dem Diesel. Das koste der Regierung jährlich zehn Milliarden Euro.

Wie China plädiert der SRU für eine Elektroautoquote. Bis 2015 sollen es 25 Prozent der Neuzulassungen und ab 2030 sollen es 40 Prozent sein. Das schaffe Planungssicherheit ür die für Deutschland wichtige Automobilindustrie. Eine Maut für alle solle Streckenabhängig eingeführt werden, damit auch autonome Fahrzeuge nicht später die Fahrleistung erhöhen. Der Bundesverkehrswegeplan solle um Umweltaspekte ausgerichtet werden. Er verfehlt aktuell elf von 12 von der Bundesregeirung aufgestellte Umweltziele.

Am Ende muss der Kunde mitziehen. Die Verkehrswende beginnt im Kopf. Die meisten Autos werden von der Generation „ü50“ gekauft. Die Jungen leben andere Wirtschaftsformen aus und setzen auf Car-Sharing und Elektroroller. Auch das Fahrrad gewinnt in den Städten den öffentlichen Raum zurück.

Lesestoff:

www.umweltrat.de

[1] Elektromobile im Kreisverkehr: https://herd-und-hof.de/handel-/elektromobile-im-kreisverkehr.html

Scheitern der Elektromobilität: https://herd-und-hof.de/handel-/das-scheitern-der-e-mobilitaet.html

Elektroautos überzeugen nicht: https://herd-und-hof.de/handel-/elektroautos-ueberzeugen-nicht.html

Roland Krieg

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