Verschärfte Regeln im Wasserrecht
Handel
Neue Bestimmungen zum Grundwasserschutz
Das im März 2010 in Kraft getretene und seitdem mehrfach geänderte Wasserhaushaltsgesetz (WHG) hat die Spielregeln für die (industrielle) Benutzung von deutschen Gewässern grundlegend verändert. Der Umwelt- und Gewässerschutz hat die rechtliche Oberhand gewonnen und zwingt nun viele Unternehmen zur Anpassung ihrer bisherigen Praxis. Auch die neuen wasserrechtlichen Verordnungen führen die eingeschlagene Linie fort und sorgen dementsprechend für viel Diskussion in der Branche. Auf der vierten Intensivtagung „WHG aktuell - das neue Wasserhaushaltsgesetz“ der Umweltakademie Fresenius am 14. November 2012 in Dortmund kamen alle aktuelle Entwicklungen im Fachgebiet zur Sprache.
Wassernutzung
Michael Scheier (Rechtsanwaltskanzlei Scheier) klärte das Publikum eingangs über die neuen Regeln zur Benutzung von Gewässern auf: Diese bedürfe einer Erlaubnis oder einer Bewilligung, soweit nicht andere Vorschriften bestünden. Eine Erlaubnis erteile eine Befugnis, eine Bewilligung das Recht, ein Gewässer zu einem bestimmten Zweck in einer nach Art und Maß bestimmten Weise zu benutzen. Zur Benutzung zählten das Entnehmen, Ableiten, Aufstauen und Absenken von Wasser, das Entnehmen und Einleiten von Stoffen in Gewässer sowie das Entnehmen und Ableiten von Grundwasser. Auch das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch Anlagen, die hierfür bestimmt oder geeignet seien, und jegliche Maßnahmen, die geeignet seien, dauernd oder in nicht unerheblichem Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen, fielen unter die Benutzung und seien damit bewilligungs- bzw. erlaubnispflichtig, erörterte Scheier. Falls schädliche und nicht vermeidbare bzw. nicht ausgleichbare Gewässerveränderungen zu erwarten seien oder Anforderungen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt würden, könne generell erst einmal keine Erlaubnis oder Bewilligung erteilt werden. Jedoch bestünde bei der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum, sodass ein positiver Bescheid trotzdem durch spezifische Inhalts- und Nebenbestimmungen (z.B. die Festsetzung der Beschaffenheit einzubringender oder einzuleitender Stoffe) grundsätzlich möglich sei, so Scheier. Eine Erlaubnis sei dabei in jedem Fall widerruflich und auch eine Bewilligung könne aus bestimmten Gründen ohne Entschädigung ganz oder teilweise widerrufen werden.
Verschärfter Oberflächengewässerschutz
Dr. Günter Müller (Currenta) berichtete auf der Intensivtagung zur Oberflächengewässerverordnung (OgewV) und dem Umgang mit prioritären Stoffen. Mit der Verordnung würden die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie konkretisiert und die Umsetzung der EU-Richtlinien zur Festlegung technischer Spezifikationen für die chemische Analyse und Überwachung des Gewässerzustandes und über Umweltqualitätsnormen (UQN) vorangebracht, so Müller. Unter Letzteren verstehe man Konzentrationen eines bestimmten Schadstoffs oder einer bestimmten Schadstoffgruppe, die im Wasser bzw. Sedimenten oder Biota aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes nicht überschritten werden dürften. Gemäß den Forderungen der Wasserrahmenrichtlinie solle bis 22. Dezember 2015 ein guter ökologischer und chemischer Zustand bei allen (auch erheblich veränderten oder künstlichen) Gewässern hergestellt werden. Die Einleitung prioritär gefährlicher Stoffe solle demnach beendet oder schrittweise eingestellt werden. Für prioritäre Stoffe sei eine schrittweise Reduzierung von Einleitungen vorgesehen. Insgesamt hätten sich die Anforderungen an stoffliche Einleitungen in Oberflächengewässer durch die Verordnung spürbar verschärft und für die Zukunft sei sogar ein Anstieg der Anforderungen absehbar. Die Europäische Kommission habe bereits einen Vorschlag zur Erweiterung der Liste prioritärer Stoffe um 15 Stoffe vorgelegt, führte Müller aus. Im Zuge der Oberflächengewässerverordnung werde eine umfassende Zusammenstellung der menschlich verursachten Gewässerbelastung durchgeführt, deren Bestandsaufnahme hinsichtlich Emissionen, Einleitungen und Verlusten aller prioritären und bestimmter anderer Stoffe noch bis zum 22. Dezember 2013 andauere, so Müller weiter. Danach solle es alle sechs Jahre eine Überprüfung und Aktualisierung des Zustandes geben. Die Einstufung des ökologischen Zustands bzw. Potenzials erfolge in der Klassifizierung „sehr gut“, „gut“, „mäßig“, „unbefriedigend“ und „schlecht“. Sofern auch nur eine Umweltqualitätsnorm nicht eingehalten werde, könne der ökologische Zustand des betreffenden Gewässers höchstens als "mäßig" eingestuft werden, erklärte Müller. Problematisch sei dabei, dass UQN-Überschreitungen oft durch diffuse Einträge von Stoffen in die Umwelt verursacht würden. Ebenso müsste berücksichtigt werden, dass derzeit nicht alle prioritären Stoffe in niedrigen Konzentrationen gemessen werden könnten, sodass die Überprüfung der UQN nicht überall möglich sei. Für zehn Stoffe bzw. Stoffgruppen werde momentan aber versucht, ein ausreichend empfindliches Analayseverfahren zu erarbeiten. Müller wies darauf hin, dass neben analytischen Fragestellungen auch immer noch viele methodische Fragen zu klären seien.
Nachbesserungsbedarf bei Grundwasser-Regelungen
Dr. Berthold Viertel (RWE Power) sprach in seinem Vortrag die Probleme an, die sich aus der neuen Grundwasserverordnung (GrwV) für die wasserwirtschaftliche Praxis ergeben. So gelte der Besorgnisgrundsatz, nach dem eine Erlaubnis zur Gewässerbenutzung nur dann erteilt werde, wenn eine nachteilige Veränderung dessen nicht zu besorgen sei, für alle Maßnahmen mit Bezug zum Grundwasser bzw. Grundwasservorkommen unabhängig davon, ob das betreffende Vorkommen genutzt werde oder genutzt werden soll. Der Grundwasserschutz müsse in diesem Punkt rationalisiert und vollzugstauglicher ausgestattet werden, forderte Viertel. Es sei eine Relativierung erforderlich, da die Vorstellung vom „reinen Grundwasser“ auch nach Expertenmeinungen nicht mehr aufrecht zu erhalten sei und zudem ein gewisser Widerspruch zum europarechtlichen Bewirtschaftungsgrundsatz für Gewässer bestehe. Auch die Umsetzung des Schwellenwert Konzepts zur Vermeidung von Schadstoffeinträgen und die damit verbundene (Wieder-)Herstellung eines guten Gewässerzustandes“ bei Überschreitung sei in der Praxis nur schwer realisierbar, so Viertel weiter. Erforderliche Maßnahmen seien demnach unter Umständen schon bei Erreichen von Dreivierteln des Schwellenwerts oder darunter erforderlich, wenn es einen "Verschlechterungstrend" im Grundwasser gäbe. Insbesondere der Einsatz von Beton und anderen Bauprodukten im Grundwasser sei vor diesem Hintergrund kritisch, da die gesetzten Geringfügigkeitsschwellenwerte (GFS-Werte) in einem solchen Fall unmöglich eingehalten werden könnten. Bei einer deutlichen Überschreitung sei eine Erlaubnis zur Gewässerbenutzung nur noch dann möglich, wenn Nachweise erbracht würden, dass die Schadstoffmengen gering seien und dass eine schädliche Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit nicht zu besorgen sei. Das Kriterium der geringen Schadstoffmenge sei dabei unnötig und das Fehlen von Kriterien für die schädliche Veränderung des Grundwassers mache den ordentlichen wasserbehördlichen Vollzug der Vorschrift quasi unmöglich, zeigte Viertel auf. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Wasserbehörden auf die Einhaltung der GFS mit all ihren nachteiligen Folgen zurückzögen. Die wasserwirtschaftliche Praxis setze sich deshalb dafür ein, dass eine Überschreitung der GFS faktisch nicht zu einem Handlungsverbot führen dürfe und dass Verhältnismäßigkeitskriterien als Korrektiv in die Verordnung eingebaut werden sollten. Die Geringfügigkeitsschwellenwerte müssten konkret auf ihre Eignung als Prüf- bzw. Grenzwerte überprüft werden. Grundsätzlich sollten diese EG-rechtskonform im Grundwasser gelten und unbedingt mit den Anforderungen an den Bodenschutz und den Einsatz von Ersatzbaustoffen praxisgerecht abgestimmt sein, schloss Viertel.
Lesestoff:
Die kompletten Tagungsunterlagen können bei www.akademie-fresenius.de angefordert werden
Fresenius / roRo