Viva la felicita
Handel
BioFach eröffnet
>Kaum ein anders Land kann mit Musik so viel Lebensfreude und Vielfalt transportieren, wie Brasilien. "4 to the bar" bot das musikalische Rahmenprogramm der Eröffnung BioFach 2005, bei der die Heimat Peles, des tropischen Regenwaldes und des Samba das "Land des Jahres" gibt. Die BioFach 2005 wurde bei ihrer Gründung "einst belächelt" und wird, so Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister von Nürnberg "heute bewundert". Immer größer geworden durchbricht sie in diesem Jahr erstmals die Schallmauer von 2.000 Ausstellern. Zwei Drittel kommen dabei aus dem Ausland. Seit dem letzten Jahr gibt es auf dem Nürnberger Christkindlmarkt Bio-Bratwurst und Bio-Glühwein: "Wir wollen keine parallelen Welten", so Maly.Mit den Themen Gentechnik, EU-Erweiterung und die ländlicher Entwicklung positioniert sich die ökologische Landwirtschaft zur Zeit besonders stark und verzeichnet neben dem Markt der nachwachsenden Rohstoffe, das einzige Segment mit wirtschaftlichen Wachstum.
Wachstum ist auch Kampf. Dr. Vandava Shiva, Forschungsdirektorin für Wissenschaft, Technik und Ökologie und Trägerin des Alternativen Nobelpreises aus Indien sieht zum ökologischen Landbau keine Alternative. Der Streit mit den konventionellen Kollegen sei ein ?Wettbewerb der Meinungen, ein Wettbewerb der Märkte?. Indische Bauern haben keine guten Erfahrungen mit gentechnisch veränderter Baumwolle gemacht und die indischen Kühe meiden die Felder, auf denen Bt-Baumwolle wächst. Der konventionelle Landbau kostet zehn mal mehr an Betriebsmitteln und erziele nur ein Zehntel des Wertes der ökologischen Produkte. Der Kampf gegen den Hunger kann nur durch mehr Nahrungsmittel gewonnen werden, die weniger Ressourcen vergeuden. Den indischen Bauern hat der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger eine Kostenersparnis von 90 Prozent gebracht, so Dr. Shiva.
Brasilien sieht sich gut aufgestellt. Landwirtschaftsminister Roberto Rodrigues und Wirtschaftsminister Fernando Furlan verweisen auf die 5 Millionen Kleinbauern, für die die ökologische Landwirtschaft prädestiniert sei. Der Agrarminister möchte von den Nahrungsmittel, die 2030 ökologisch produziert werden, einen großen Anteil stellen. Die hohen Wachstumsraten des brasilianischen Landbaus werden zur Zeit nur wegen der schlechten Infrastruktur und nicht ausreichender Logistik klein gehalten. Brasilien hat der Verbraucherministerin Renate Künast "ein Floh ins Ohr gesetzt", dass ökologische und fair gehandelte Produkte von Kleinbauern zwischen den Handelsräumen des Mercosur und der EU steuerfrei gehandelt werden können. Da gibt es noch viel zu besprechen. Die BioFach zeige, so Gunnar Rundgren, Präsident des Dachverbandes der ökologischen Verbände (IFOAM), das Ökologie und Nachhaltigkeit nicht allein auf die Landwirtschaft beschränkt sei. Nachwachsende Rohstoffe, Biodiversität und soziale Standards sind die Prinzipien der Bewegung. Das äußerst umfrangreiche Fachprogramm werde alle Beteiligten am Sonntag "müde und erschöpft" entlassen. Aber es überwiegt die Freude: Künast konnte auf dem anschließenden Messerundgang dem 25.000 Produkt das staatliche Biosiegel anheften. Gerade dieses Zeichen trage zum Erfolg der Biobranche bei, denn insgesamt kaufen etwa 60 Prozent der Bundesbürger zumindest gelegentlich Bioprodukte. Die Kunden "erkennen und finden" diese.
Manko Werbung
Allerdings zeigt die Branche Defizite im Marketing. Anja und Peter Lütke-Wissing von einer Augsburger Werbeagentur, zeigte in einem Symposium die eher hausbackene Werbung der Branche auf.
Bioprodukte sind durchweg positiv besetzt und repräsentieren ein ganzes Lebenskonzept. Mittlerweile weicht die Wellness-Bewegung diese Parameter auf. Wellness verkauft oftmals Produkte, die "gesund wirken, es aber nicht sind". Selbst auferlegte "Reinheitsgebote" von Herstellern entsprechen nicht unbedingt dem Ökostandard, erreichen aber ausgerechnet die "Doppel-Shopper". Das sind die Kunden, die im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel Bioprodukte und konventionelle Waren kaufen. Sie fallen auf das "Mimikri-Marketing" der Hersteller herein: die konventionelle Industrie macht sich den Mehrwert der Bioprodukte zu Nutze und "erschleicht" sich dadurch Marktanteile.
Der Appell der Agentur: Die Biohersteller müssen dem Verbraucher den Mehrwert ihres Produktes deutlicher machen. Die Experten bezeichnen das als "unique selling position". Milka beispielsweise hat mit den Bergen und der lilafarbenen Kuh eine eigene Markenwelt geschaffen, die den Kunden immer präsent ist. Auch wenn es bereits gute Werbekampagnen der Biobranche gibt, so sind die Anzeigen zu textlastig. Anstelle des Kuchens als lohnendes und leckeres Endprodukt, werden die Zutaten gezeigt, die zwar alle aus dem ökologischen Landbau stammen, jedoch die Arbeit des Backens vor sich haben. Die Biobranche hat ein schmales Budget, jedoch zeigt der konventionelle Handel, dass Kooperationen zu gegenseitigem Vorteil Erfolg haben können. Ein Weinbrand und ein Zigarrenhersteller produzierten einen gemeinsamen Werbespot, der Weinbrand und Rauchwaren in einer gemeinsamen Umgebung zeigte. Die Biobranche verliert durch den Wellness-Bereich und durch das Mimikri-Marketing nicht ihre Botschaft, "sondern bekommt zusätzlich Wettbewerb aus dem anderen Lager". Anja Lütke-Wissing sieht darin eine Chance.
roRo