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Handel

CETA-Abkommen auf Augenhöhe

Ungeachtet der vielen öffentlichen Anmerkungen zum kurz vor dem Abschluss stehenden Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und der laufenden Verhandlung mit den USA (TTIP) würdigte Herman Van Rompuy auf dem Geschäftsgipfel am 26. September in Toronto das CETA-Abkommen als bedeutendes zwischen zwei Regionen, die sich auf Augenhöhe begegnen. Solche Abkommen sind nur möglich, wenn beide Partner die gleichen „geschichtlichen und andere fundamentale Werte teilen“. Der Handel sei sowohl für Canada als auch für die EU ein letzter Schritt, die Finanzkrise zu überwinden. Am Ende seines Mandats ließ Van Rompuy Kanada und die EU noch einmal hochleben. Kommissionspräsident José Manuel Barroso bezeichnete zum Abschluss der formellen CETA-Gespräche in Ottawa das Abkommen als „Upgrade“ für die Ökonomie beider Regionen. Der Handel zwischen Kanada und der EU soll um 23 Prozent, rund 26 Milliarden Euro) zunehmen und Arbeitsplätze schaffen. Alle Industriezölle sind bei Inkrafttreten von CETA auf Null gesetzt.

Eine der strittigsten Punkte ist das zusätzliche Klagerecht von Firmen. Ein entsprechender Antrag von Bündnis 90/Die Grünen wurde von den vier Ausschüssen für Wirtschaft, Verbraucherrecht, Umwelt und Europäische Angelegenheiten abgelehnt. Die CDU/CSU bezeichnete sich in ihrer Begründung zwar als offen für eine Diskussion, das Schiedsgerichtverfahren sei aber international ein etabliertes Verfahren. Die SPD lehnte den Antrag ab, weil er zum falschen Zeitpunkt käme. Der Antrag müsste zu dem Zeitpunkt gestellt werden, wenn der Bundestag über CETA und TTIP berate. Inhaltlich würden sie den Antrag dann ablehnen. Die Linke unterstützte den Antrag nicht nur aus inhaltlichen Gründen, sondern auch um CETA und TTIP gleich zu stellen. Die Amerikaner würden es nicht hinnehmen, dass mit Kanada andere Regeln getroffen würden als mit TTIP. „Glauben Sie wirklich, dass sich die Amerikaner mit weniger abspeisen lassen, als Sie mit Kanada vereinbart haben“, fragte Klaus Ernst (Die Linke) im Bundestag vergangenen Donnerstag. Für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hingegen besteht ein grundsätzlicher Unterschied, weil im CETA das Investor-Staat-Schiedsverfahren ohne Einschränkungen und im TTIP lediglich als Option enthalten sei. In der SPD enthielten sich Dr. Nina Scheer (Ausschüsse Wirtschaft, Umwelt) und Dr. Hans-Joachim Schabedoth (Wirtschaft) bei der Abstimmung zum Grünenantrag.

Gabriel verwies im Bundestag auch auf den unterschiedlichen Wind, der in der neuen Kommission zu wehen scheint. Zu Äußerungen De Guchts, sagte Gabriel: „Ich bin dagegen, dass Sie [Klaus Ernst; roRo] immer Herrn De Gucht zitieren. Der ist auf dem Weg in die Rente. Der scheidet aus der Kommission aus. Ich würde das lesen, was der neue Kommissionspräsident zu diesem Verfahren sagt.“ Gabriel sieht Juncker auf einer Linie mit dem SPD-Beschluss der vergangenen Woche: Es würden weder EU-Standards unterlaufen, noch europäische Gesetze durch Sonderregelungen ausgehebelt.

Doch so klar ist das nicht. Beispiel Fracking. Lone Pine klagt gegen Quebec, weil der Staat ein Moratorium gegen das Fracking erlassen hat. Klagewert: 250 Millionen US-Dollar. Das könnte auch Nordrhein-Westfalen drohen, warnte Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen). Gabriel beruft sich auf das Gutachten für das Wirtschaftsministerium, nach dem Klagen gegen die Wahrung natürlicher Ressourcen ausgeschlossen sind. Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) hingegen beruft sich ein Gutachten, das den Entzug bereits erteilter Fracking-Lizenzen nicht geschützt ist und CETA in diesem Falle ein Klagerecht vorsehe.

Die neue Kommission verhandelt offenbar mit neuem Wind weiter. Die neue Handelskommissarin Cecilia Malmström wird heute im Europaparlament zu ihrer Politik befragt. Die schwedische Sozialdemokratin, auf die beispielsweise Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, große Hoffnungen setzt [1], hat sich nach Angaben der europäischen Parteikollegen zu einem TTIP ohne Investor-Staat-Schiedsgericht bekannt. Der Vorsitzendes des Handelsausschusses, Bernd Lange: „Malmström geht einen Schritt in die richtige Richtung. Wir Sozialdemokraten haben seit Beginn der Verhandlungen über TTIP darauf gedrängt, dass ein Abkommen mit Schutzklauseln für Konzerne für uns nicht in Frage kommt. Unsere Botschaft ist offensichtlich angekommen.“ Handelspolitik heiße, so Lange „nicht freier, sondern fairer Handel.“

Lesestoff:

[1] Legen rote Linien TTIP auf Eis?

Roland Krieg

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