Volle Teller, volle Tanks

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Biomasse: Von der Euphorie zur Realität

Beim Strom liegt der Anteil erneuerbarer Energie bei 12 Prozent, bei Wärme bei 6 Prozent und bei Treibstoffen bei knapp 5 Prozent. Summa summarum: 7,4 Prozent resümierte Thomas Griese auf einer Debatte der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Der Staatsekretär aus dem nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerium von 1995 bis 2005 hält 100 Prozent erneuerbare Energien für möglich und sieht im Bereich Biogas und Biomasse noch ein Potential von 150 Mrd. kWh in Deutschland: Ein Viertel des heutigen Stromverbrauchs.
Die Erschließung und Reaktivierung ständig neuer Flächen für die Energiegewinnung hat aber Grenzen. AbL-Bundesvorsitzender Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf ist skeptisch: Die Flächen, die heute brach liegen, seien nicht ohne Grund aus der Produktion genommen worden. Bei der Erzeugung nachwachsender Rohstoffe bleiben diese Flächen weiterhin Grenzertragsflächen. Biomasse unterliege dem gleichen Mechanismus wie andere Feldfrüchte.

Raps in MV

Zurück zum fossilen Sprit
Aber nicht nur die ungelöste Flächenproblematik bremst die Biosprit-Euphorie. Nach Ansicht des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) wird spätestens im nächsten Jahr der Markt für reinen Biodiesel gänzlich einbrechen. Seit der Besteuerung des Biodiesels vor einem Jahr, tankt ein Großteil der Spediteure, die vorher auf Biodiesel umgestiegen sind, wieder fossilen Sprit. Dabei sollen möglichst ausländische Zapfsäulen angefahren werden. Die durch den Biodiesel verbesserte Ertragslage werde durch die Besteuerung wieder aufgebraucht.

Nicht jeder Treibstoff ist „Bio“
Biotreibstoffe sind jedoch nicht notwendigerweise umweltfreundlicher Foto iStockfotoals fossile Treibstoffe, zeigte eine Studie der Schweizer EMPA im Bereich der ETH Zürich. Im Auftrag der Bundesämter für Energie, für Umwelt und für Landwirtschaft wurden Ökobilanzen verschiedener Biotreibstoffe erstellt und Mitte Mai vorgestellt. Einige Treibstoffe erzeugten weniger Treibhausgase als Benzin oder Diesel – bei Anbau und Verarbeitung von Mais oder Soja verschlechtert sich die Gesamtbilanz deutlich.
In tropischen Ländern führt der Anbau von landwirtschaftlichen Rohstoffen zu Brandrodung von Regenwaldflächen und großem Ausstoß von Kohlendioxid, Aerosolbildung und Dioxine, In gemäßigten Klimaten wirken intensive Düngung und mechanische Bearbeitung des Bodens negativ auf die Umwelt. Roggenethanol kommt auf Grund seines niedrigen Ertrages schlecht weg. Abfall, Reststoffe und Holz hingegen werden von den Schweizern positiv bewertet.

Biotreibstoff-Revolution im Süden
Die indische Umweltmagazin „Down to Earth“ der Society for Environmental Communications sieht den größten Handlungsbedarf im Süden. Eine „Biotreibstoff-Revolution“ liege nicht in den reichen Industriestaate bei der Umrüstung der Fahrzeuge, sondern in den nicht entwickelten und angebundenen Dörfern des Südens. Hier herrsche die absolute Knappheit, Häuser mit Elektrizität zu versorgen, Brennstoff für den Herd oder für die Generatoren, um Wasserpumpen zu betreiben. Eine Alternative zu fossilem Treibstoff sieht Herausgeber Sunita Narain derzeit kaum.
Zur Zeit herrsche bei der Energieversorgung noch das Modell, dass eine Firma die Früchte anbaut, das Öl gewinnt, dieses zur Raffinerie transportiert und dann erst wieder zurück zum Verbraucher bringt.
Die neue Generation an erneuerbaren Energien brauche ein neues Herstellungs- und Verteilungsmodell: Millionen von Anbauern, Millionen von Verteilern und Millionen von Konsumenten: „Klimawandel ist nicht ein technologisches Problem, sondern eine politische Herausforderung.“

Lesestoff:
Die Schweizer Studie kann unter www.empa.ch eingesehen werden.
EMPA ist eine Forschungsinstitution im Bereich der ETH Zürich.
Das indische Umweltmagazin erscheint 14-tägig online unter www.downtoearth.org.in
Die Studie der BAG kann unter www.bag.bund.de (Marktbeobachtung / Sonderberichte eingesehen werden: „Nutzung von Biodiesel und Pflanzenkraftstoff durch deutsche Transportunternehmen".

VLE; Bilder: Mais: iStockfoto, EMPA; Raps: roRo

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