Von der Fluchtursachen-Bekämpfung zur Rückkehrpolitik?

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Jahrzehntelange Versäumnisse rächen sich

Der Europäische Rat in der nächsten Woche wird erneut ein Rat der verzweifelten Suche nach Lösungen sein, deren Fragen jahrzentealt sind. Wie sollen Armut und Hunger in der Welt beseitigt werden und wie sind Konflikte in der internationalen Gemeinschaft zu lösen? Half einst die „grüne Revolution“ beim Hunger aus der Klemme, steht die Weltgemeinschaft trotz aller Fortschritte immer wieder vor den gleichen Fragen. Heute sucht Europa verzweifelt einen Weg aus der Gemengelage Schleuseraktivität, Grenzverstärkung, fortgeschrittenes Asylrecht, Rückkehrpolitik und Entwicklungshilfe. In den Gescihtern der Geflüchteten spiegeln sich die Fragen alle wider.

Migrationspolitik

„Wenn wir versuchen wollen, dem menschlichen Elend, das von jenen verursacht wird, die Migranten auszubeuten, ein Ende zu setzen, müssen wir die Rolle der EU in der Welt und das ganze Spektrum der uns zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen und bei den Ursachen ansetzen.“ Ein Satz aus der 2015 verabschiedeten „Europäischen Migrationsagenda“. Danach hat die Weltgemeinschaft mit den Sustainable Development Goals die Blaupause für die Zukungt verabschiedet. Die Migrationsagenda sagt aber auch: „Europa soll auch weiterhin ein sicherer Hafen für Menschen sein, die vor Verfolgung fliehen, und ein attraktives Ziel für die fachliche kompetenz und unternehmerische Initiative von Studenten, Forschern und Arbeitskräften.“

Der europäisch-deutsche Alltag legt dieser Tage allerdings den Schwerpunkt auf die Rückkehrerpolitik. Der am Donnerstag veröffentlichte 10. Migrationsbericht weist 98.255 Rückkehrer bis September 2017 aus. Geplant waren 160.000, doch sieht die EU die Quote dadurch erfüllt, dass bereits 7.700 Geflüchtete zurückgeschickt wurden und weitere 54.000 außerhalb der EU-Grenzen umgesiedelt wurden. Die letztere Zahl bezieht sich auf die in der Türkei „aufgehaltenen“ Menschen. Von den 98.000 noch zurückzuschickenden Menschen stammen ein Drittel aus Italien und zwei Drittel aus Griechenland.

Dimitris Avramopoulos

Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sagte: „Alles ist miteinander verbunden.“ Jedes einzelne Element müsse für eine erfolgreiche Migrationspolitik umgesetzt werden. Vor allem Italien und Griechenland stünden unter Druck. Für eine erfolgreiche Rückkehrpolitik müssen die einzelnen Mitgliedsländer die Asylverfahren effektiver durchführen und die Entscheidungen schneller umsetzen. Gegen den Asylmissbrauch müssen die Länder sich besser vernetzen. Länder sollten Geflüchtete bei Gefahr des Untertauchens in Haft nehmen können, bis das Abschieben abgeschlossen werden kann. Und sie sollten Anreize für eine freiwillige Rückkehr anbieten, ohne dass es zu einem „Rückkehrkauf des Einzelnen“ wird.

Merkel in Ägypten und Tunesien

Vor diesem Hintergrund reist Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht nur als deutsche Botschafterin zum Ende dieser Woche nach Ägypten und Tunesien. Mit 5,6 Milliarden Euro ist Ägypten ein wichtiger Handelspartner. Die Summe von 1,5 Milliarden Euro Investitionen habe sicher noch Luft nach oben, wie es vor der Abreise hieß. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit hat Deutschland seit den 1960er Jahren mehr als sechs Milliarden Euro in das Land gesteckt. Aktuell sind 1,7 Milliarden Euro europäische Mittel „in der Pipeline“. 150 Millionen pro Jahr.

Im Rahmen der Migrationswelle ist Ägypten zu einem Transitland geworden. Seit September 2016 ist die Seeroute von Ägypten nach Italien weitgehend zum Erliegen gekommen. Doch halten sich 190.000 Geflüchtete im Land auf, die vom Flüchtlingshilfswerk der UN registriert sind. 120.000 davon sind Syrer. Deutschland habe ein hohes Interesse, dass es den Flüchtlingen in dem Land gut gehe, und das die soziökonomische Entwicklung in Ägypten keinen Anreiz zum Verlassen des Landes gebe. Schwierig, angesichts der politischen Lage und der Kritik an der Menschenrechtslage am Nil.

In Tunesien liegt das deutsche Engagement noch höher und erreicht 250 Millionen Euro pro Jahr. Merkel will auf ihrer Reise mehr Mittel für die Bildungsarbeit freisetzen. Als Transitland spielt Tunesien eine untergeordnete Rolle.

Merkel spart spart das Land zwischen Tunis und Kairo aus. Libyen hat noch immer keine funktionierende Regierung. Konfliktparteien werden sogar aus Ägypten heraus militärisch unterstützt. Die EU unterstützt das Land im Rahmen der Nachbarschaftsinitiative und dem Stabilitätsprogramm. Für insgesamt 37 Projekte in den Bereichen Zivilbevölkerung, Regierung, Gesundheit, Ausbildung und Migration fließen 120 Millionen Euro bilaterale Hilfe nach Tripolis. Die Gelder stehen schon länger fest und wurden 2014 wegen der unklaren Lage eingefroren. Erst seit der im letzten Jahr gegründeten Government of National Accord genannten Übergangsregierung stehen sie wieder zur Verfügung. 10,8 Millionen Euro sind für Binnenvertriebene vorgesehen.

Israel

Doch nicht nur Libyen ist unausgesprochenes Gesprächsziel auf der Reise. Ägypten spielt im Friedesprozess des Nahen Ostenes eine große Rolle. Erst im Januar wurde im Gaza-Streifen eine neue Entsalzungsanlage mit internationaler, europäischer und israelischer Hilfe in Betrieb genommen. Sie wird täglich 6.000 Kubikmeter Trinkwasser für rund 75.000 Palästinenser produzieren. Das Thema brennt, wie die Aussprache am Donnerstag in der Parlamentarischen Versammlung für die Union im Mittelmeerraum in Brüssel zeigte. Insgesamt leben im Gaza-Streifen mehr als zwei Millionen Menschen, deren Trinkwasserreserven 2020 erschöpft sein sollen. Vorhandene Aquifer sind verdreckt und leiden unter Einstrom von salzigem Meerwasser. Der Bedarf an sauberem Trinkwasser für die Menschen und die Landwirtschaft kann den heutigen Bedarf nicht decken. Zwei weitere Entsalzungsanlagen in der Nachbarschaft reichen bei weitem nicht aus. 2020 drohe eine humanitäre Katastrophe. Das Thema bleibt schwierig. Die Palastinänser fordern von den Israelis Sicherheitsgarantien, dass die Entsalzungsanlagen nicht angegriffen werden – die Israelis werfen der Hamas vor, neben den Anlagen militärische Stützpunkte zu errichten.

She Decides

„She Decides“

Bei allen Bemühungen der wirtschaftlichen Entwicklung und politischen Teilhabe dürfen Frauen nicht vergessen werden. Am Donnerstag tagte in Brüssel die Konferenz „She Decides“ und Neven Nimica, EU-Kommissar für internationale Entwicklung betonte: „Zugang zu Familienplanung ist eines der wichtigesten Elemente im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit. 225 Millionen Frauen in den Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu Informationen und Instrumenten der Familienplanung. Die EU ist derzeit dabei, die Defizite zu identifizieren und Lückenschlüsse in Zusammenarbeit mit unseren Partnern zu finanzieren.“

Lesestoff:

https://shedecides.com/

Der Süden ist der neue Osten Europas: https://herd-und-hof.de/handel-/der-sueden-wird-wichtiger-als-der-osten.html

Tunesien als Drehscheibe für Afrika: https://herd-und-hof.de/handel-/tunesien-als-drehscheibe-nach-afrika.html

Was wäre Ägypten ohne den Nil: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/was-waere-aegypten-ohne-den-nil.html

Roland Krieg; Fotos: EU, Website „She Decides“

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