Vorkeimen - Märkte sichern
Handel
Clevere Bauern öffnen der Kartoffel die Augen
Mit den wärmer werdenden Temperaturen und den ersten länger werdenden Sonnenstrahlen freuen sich Verbraucher bereits auf den ersten Spargel. Das Gemüse hat seinen saisonalen Startschuss und bewährt sich trotz frühzeitiger Importe immer noch als klassisches regionales und saisonales Produkt. So signalisierte lange Zeit auch die Frühkartoffel das Winterende und brachte fröhlichen Geschmack auf den Teller.
Veredelt und in kleinen Säcken
Allerdings ist die Zeit vorbei, dass Verbraucher sich einen 25-kg – Sack Kartoffeln ins Haus holen. Der Durchschnittsverbrauch von 32,8 kg liegt nur knapp über dieser Gebindegröße. Darauf müssen sich die deutschen Bauern einstellen und in der Direktvermarktung den kleinen 2,5 kg – Sack anbieten. Die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) wies bereits im Dezember auf die neuen Anforderungen des Marktes hin: In den Haushalten gibt es immer weniger Lagermöglichkeiten.
In den 1950er Jahren verbrauchte nach Angaben des aid infodienst der | |||||
|
Pro-Kopf-Verbrauch |
Frischware |
Veredelte |
Importüber- |
Selbstversor-gungsgrad |
1984/85 |
72,6 kg |
49,0 kg |
23,6 kg |
3,1 kg |
90 % |
1994/95 |
72,8 kg |
42,3 kg |
30,5 kg |
2,2 kg |
98 % |
2004/05 |
66,5 kg |
32,8 kg |
33,7 kg |
0,9 kg |
107 % |
1)auf Frischgewicht umgerechnet // Q: nach dlz 12/2006 |
Große Konkurrenz kommt aus Frankreich. In der Champagne und in Beauce haben die Bauern in den 1990er Jahren ihre bis zu 700 Hektar großen Betriebe von Zuckerrüben auf Kartoffeln umgestellt. Bis zu einem Siebtel der Fläche sollen mit der Hackfrucht bebaut sein. Nach Angaben der ZMP haben die Bauern dort einige Produktionsvorteile: Die Kalkverwitterungsböden haben weder störende Steine noch rauen Sand und bieten der Kartoffel größte Entfaltungsmöglichkeiten im Boden, der zudem noch so gut wasserführend ist, dass viele Bauern auf teure Bewässerungstechnik verzichten können. So müssen die hiesigen Bauern ihre Chancen anders nutzen.
In der Halle vorgekeimt
Um vor Pfingsten und damit vielleicht sogar zeitgleich mit dem Spargel die ersten Frühkartoffeln auf den Markt bringen zu können, keimen clevere Bauern ihre Kartoffeln bereits vor, vermeldet die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWK NRW) . Das sichert neben der Aufmerksamkeit auch einen Preisvorteil.
Um der Pflanzkartoffel die „Augen zu öffnen“, gibt es zunächst einen dreitätigen Wärmestoß bei 20 Grad Raumtemperatur. Nach weiteren 14 Tagen und ab einer Trieblänge von etwa zwei bis drei Millimeter werden die Kartoffeln während der Dauerlagerung bei etwa 12 Grad belichtet. Dadurch bilden sich pro Knolle vier bis sechs kräftige Keime mit einer Länge von sechs bis acht Millimeter. Diese Keime, die normalerweise erst nach dem Pflanzen im Boden gebildet werden, geben den vorgekeimten Kartoffeln einen Vorsprung von ein bis zwei Wochen bis zur Ernte.
Die frühe Qualität hat aber ihren Preis, warnt die Landwirtschaftskammer. Für das Vorkeimen ist sehr viel Handarbeit notwendig, Um genügend Licht an die Pflanzknollen zu bringen, werden sie in Kisten umgefüllt oder in Säcken aufgehängt. Je eine Leuchtstoffröhre reicht für die Belichtung von einem Kubikmeter Pflanzgut. Für einen Hektar Kartoffeln werden bis zu 45.000 Pflanzen gebraucht, um die besten Erträge zu erzielen. Die Pflanzkartoffeln sind dabei in der Sortierung 35 bis 55 mm erhältlich, was einen Pflanzgutbedarf von bis zu 29 dt/ha entspricht. Ovale Sorten werden dann bis zu 65 g schwer.
Bei den vorgekeimten Knollen kommen allerdings spezielle Pflanzmaschinen zum Einsatz, damit die Keime nicht abgebrochen werden. Auch das Auslagern der Knollen erfordert besondere Sorgfalt. Ob sich der Mehraufwand an Arbeit und Investitionen für das Vorkeimen lohnt, hängt, so die LWK, neben dem Witterungsverlauf vor allem von der Marktlage ab. Und die lässt sich immer erst nach der Ernte beurteilen.
VLE