Wachstum: Chance oder Gefahr?
Handel
Wie soll die Biobranche wachsen?
Für Bruno Fischer von The Hains Celestial Group ist es klar: „Ja, es muss ein Wachstum geben“, sagte er auf der Nürnberger BioFach im Symposium zum Wachstum des Biomarktes. Zum Wachstum gehören aber auch Wandel und Verfall wie in der Natur. Wandel und Wachstum müssen im Gleichgewicht bleiben, forderte Fischer hinsichtlich der Veränderungen im Biohandel und der Episode zwischen Lidl und Basic.
Auch für Biolandvorstand Thomas Dosch ist Wachstum nichts Negatives. Das müsse jedoch nicht im Strudel des konventionellen „Wachsen-oder-Weichens“ enden, sondern solle qualitativ das Leben auf dem Dorf erhalten. Schließlich beschrieb Josef Wilhelm von Rapunzel, dass auch ein Verkehrsunfall Wachstum verursache: Arbeit für Polizei, Krankenhäuser und die Autoindustrie. Das allerdings sei ein unorganisches Wachstum. Wilhelm ist gerade dabei, die erste Bio-AG Rapunzel wieder in eine GmbH zurückzuführen.
Wachstum durch Nachfrage
Wachstum ist aber nicht nur eine theoretische Überlegung in der Biobranche. Josef Spanrunft von Basic und Dr. Achim Mayr von Lebensbaum spüren als Händler und Verarbeiter täglich die Nachfrage der Kunden. Das Wachstum ist durch sie im Lebensmitteleinzelhandel vorgezeichnet und er blickte noch einmal zurück auf die Liaison mit Lidl. Die Aktiengesellschaft hat viele Entscheider und viele entschieden sich für ein Wachstum, das die eigenen Möglichkeiten übertraf. Daher wurde ein auswärtiger Investor gesucht.
Das Wachstum müsse sich die Branche jedoch mit gezielten Kooperationen zu nutzen machen und nicht denen überlassen, die „Bio“ nur wegen der Marktanteile auf ihre Fahne schreiben. Der Naturkostladen hatte sich aus den Food-Coops entwickelt und damit in den 1970er Jahren einen Weg vorgezeichnet, der später verlassen wurde. Die Hains Gruppe hat sich als eine Einkaufsgemeinschaft etabliert, während andere Geschäfte wie Basic in die Filialisierung gehen.
Artenvielfalt im Handel
Die Branche ist im Umbruch. Welche Ausmaße zu erwarten sind, steht noch aus. In den USA trägt Whole Foods rund 70 Prozent Marktanteil. So weit sind die Strukturen in Deutschland noch nicht, aber die Großen werden größer:
Name |
Ladenzahl |
Verkaufsfläche qm |
qm / Laden |
Neueröffnungen 2007 |
Alnatura |
35 |
19.541 |
558 |
8 |
Basic |
26 |
18.413 |
708 |
6 |
Denn´s Bio |
24 |
11.555 |
481 |
8 |
Bio Family |
15 |
4.535 |
302 |
0 |
Q: Biobranche 2008; BÖLW |
„Die Artenvielfalt im Handel ist die stabilste Form“, proklamierte Wilhelm, der für die Branche auch reklamieren kann, dass die Umgangsformen zwischen Handel und Erzeuger noch fair sind.
Allerdings beobachtet Mayr bereits, dass Händler vereinzelt ihre Ware als Eigenmarke preiswerter anbieten als bei Aldi als Markenprodukt. Der Wettbewerb wird härter und der Beschaffungsradius dehnt sich aus, stellte Mayr fest.
Den Mehrwert herausstellen
Die Biobranche kann damit wuchern, dass Kunden bereit sind, mehr für den versprochenen Mehrwert zu bezahlen. „Billig-Bio“ aber bringt die Glaubwürdigkeit in Gefahr. So ist jedoch nicht die Größe eines Geschäftes das Kriterium für ökosoziale Umweltwerte, sondern allein die Transparenz dieser Werte für den Kunden. Wilhelm will schon wissen woher das Geld für das Wachstum stammt. Die Biobranche könne sich aber mit gelebten Werten von gekaufter Corporate Identity unterscheiden. „Das ist das Faustpfand der Branche“, so Wilhelm. Und es ist ihre Gesamtaufgabe, fügte Spanrunft hinzu.
Hier liegt derzeit das Manko der Biobranche. Im konventionellen Handel kann ein Joghurthersteller mit Millionen Euro eine Gesundheitskampagne durchführen, nur weil er dem Joghurt ein paar Fruchtstücke beigemengt hat. Der Biobranche fehlt für vergleichbares schon beim Joghurt das Geld.
Die Ideen sind schon da: Weil die Produkte meist etwas Besonderes sind, können dem Verbraucher Geschichten über das Produkt, den Hersteller oder die Region vermittelt werden. Bruno Fischer hebt Demeter hervor, die genau das besonders gut zu kommunizieren verstehen. Verbraucher kaufen weniger deshalb Demeter, weil sie vorher die Qualitätskriterien zu anderen Anbauverbänden verglichen haben, sondern mehr, weil sie mit deren Produkten eine „dauerhafte Einzigartigkeit“ verbinden.
roRo; Foto: roRo: v.l.n.r: Mayr, Spanrunft, Moderator Prof. Ulrich Hamm; Wilhelm
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