Wachstum Ökomarkt

Handel

Chance für Landbau und Handel

>In der Landwirtschaft und den nachgelagerten Bereichen gibt es zwei Wachstumsmärkte: Erneuerbare Energien und den Öko-Landbau. Das ohnehin starke Wachstum des Bio-Marktes legt nach Umsatzzuwächsen 2004 von ca. 11 Prozent nochmals weiter zu. Der Umsatz des Naturkostfachhandels stieg im ersten Quartal 2005 um 15,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Gleichzeitig melden Bio-Verarbeiter bei einzelnen Produktgruppen wie z.B. Kalbfleisch oder Altkühen Versorgungsengpässe. "Diese Zahlen zeigen, dass der Lebensmittelmarkt Potenziale für die deutschen Landwirte bietet", so Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandvorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). "Wenn die große Nachfrage nicht durch deutsche Landwirte gedeckt werden kann, werden die Verarbeiter ihre Ware im Ausland beziehen." Nach der BSE Krise haben viele Landwirte auf Bio-Anbau umgestellt, deren Produkte nach der Umstellungszeit seit vergangenem Jahr als Bio-Ware vermarktet werden.
Bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum der Branche in den letzten zehn Jahren von acht Prozent wurden die Arbeitsplätze auf ca. 155.000 verdoppelt. "Hält der derzeitige Wachstumstrend an, so entstehen in der Branche jährlich ca. 20.000 neue Arbeitsplätze", fasst Dr. Alexander Gerber, Geschäftsführer des BÖLW zusammen.

Neues Mitglied im BÖLW
Der BÖLW als Spitzenverband der deutschen Bio-Branche, gewann im Juni den Verband der Bio-Supermärkte als neues Mitglied dazu. ?Jetzt wird es noch besser gelingen, der ganzen Branche eine starke Stimme zu verleihen?, freut sich Dr. Alexander Gerber. Götz Rehn, Vorstandsmitglied des Verbandes der Bio-Supermärkte ebenfalls eine Stärkung: "Wir möchten den Belangen der Bio-Supermärkte Gehör verschaffen".
Zeit nachzufragen: Geantwortet hat Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, BÖLW.

Welche besonderen Belange hat der Bio-Supermarkt?

Der Bio-Supermarkt ist die Fortentwicklung des Naturkost-Fachgeschäftes. Auf größerer Verkaufsfläche und bei einigen Unternehmen auch in mehreren gleichartig gestalteten Filialen kommt er dem Bedürfnis vieler Kunden entgegen, effizient einzukaufen und in einem reichhaltigen Sortiment zu wählen. Bio-Supermärkte haben inhaltlich die gleichen Anliegen wie die kleineren Fachgeschäfte.

Bio-Supermärkte machen etwa ein Fünftel des Umsatzes der Bio-Produkte aus. Der Großteil aller Märkte firmiert als inhabergeführtes Einzelunternehmen mit ein bis zwei Filialen. Ende der 1990er Jahre gab es noch eine große Verbitterung zwischen den traditionellen Naturkostladnern und neuen Marktformen, die sich, wie in Berlin gegenseitig die Werbung von den Plakaten rissen. Haben sich die verschiedenen Ladentypen mittlerweile miteinander versöhnt?

Zunächst eine Bemerkung zum unterstellten Umsatzanteil: Er beträgt beim Naturkostfachhandel einschließlich Bio-Supermärkte im Biomarkt rund 26%. In Deutschland zählt man rund 250 Bio-Supermärkte, die einer vermutlich 10fach größeren Zahl kleinerer Naturkostgeschäfte gegenüberstehen. Bio-Supermärkte sind deshalb sicher für weniger als 20% des Bio-Markt-Volumens zuständig.
Wo immer ein Bio-Supermarkt seine Tore öffnet, entsteht ein attraktives Angebot an Bio-Lebensmitteln für eine breite Kundenschicht, und das ermöglicht Wachstum für den Markt. Der Wettbewerb innerhalb des Naturkosthandels zwischen größeren und kleineren Geschäften führt deshalb nicht lediglich zur Verlagerung von Marktanteilen. Der Druck auf die kleinen Läden zwingt diese, ihre speziellen Stärken zu profilieren: Beratungskompetenz, intensive Kundenkommunikation und die Fähigkeit, in unmittelbarer Kooperation mit örtlichen Erzeugern ein Angebot mit besonderem regionalem Schwerpunkt zu gestalten. Viele Bio-Ladner nehmen diese Herausforderung erfolgreich an.

1985 übernahm der niederländische Konzern Wessanen in Amerika den Naturkosthandel "The tree of life". 2001 folgte u.a. der deutsche Honighersteller Allos. Stehen Firmenübernahmen und Konzentrationsbildungen im Biohandel für eine Globalisierung der Branche?

Landwirtschaftliche Spezialitäten, z. B. Gewürze, wurden schon vor Jahrhunderten "global", d. h. über die Kontinente hinweg, gehandelt. Auch die Bio-Branche ist in diesem Sinne globalisiert: Bananen aus Mittelamerika und Mangos aus Afrika, aber auch Export deutscher Kräuter in die USA sind dafür ein Beispiel. Dem werden wohl auch grenzüberschreitende Firmenzusammenschlüsse folgen, denn die dazu führenden Gesetzmäßigkeiten sind keine anderen als in der sonstigen Wirtschaft.
Die Bio-Branche präferiert regionale Produkte und kurze Transportwege, wo immer dies geht. Möglich ist dies, wenn und so lange die Kunden des Naturkosthandels dieses Anliegen mittragen und durch ihre Einkaufentscheidung umsetzen.

Freilaufende Bioschweine aus dem Spreewald müssen über die Entfernung von etwa 200 km nach Anklam zum Schlachten transportiert werden. Da ist der nächste Schlachthof, der die erforderliche Trennung zu konventionellen Prozessen aufrecht erhalten kann. Werden Bio-Supermärkte über niedrigere Produktpreise durch niedrigere Transaktionskosten eine großräumigere Biolandwirtschaft nach sich ziehen?

Im Vergleich zu dem, was im konventionellen Fleischsektor gang und gäbe ist, sind 200 km Transportentfernung keineswegs viel. Generell gilt aber, dass es nicht verwunderlich ist, dass die Transporte zu Verarbeitungseinrichtungen umso weiter sind, je weniger Unternehmen in verstreuter Lage es gibt. Umgekehrt führt das Wachstum des Marktes dazu, dass die Dichte der Bio-Erzeuger-Betriebe ebenso wie die der Verarbeiter wächst und damit die Transportentfernungen abnehmen. Besonders deutlich wird dies bei der Milch. Dazu tragen Bio-Supermärkte insofern bei, als sie einen erheblichen Anteil am Wachstum des Marktes haben.

Besteht die Gefahr, dass Bio-Supermärkte Handelsmarken einführen, die traditionelle Herstellermarken verdrängen?

Einige Bio-Supermärkte haben bereits Handelsmarken eingeführt. Dies hat der konventionelle Lebensmittel-Einzelhandel längst getan. Offensichtlich haben die traditionellen Marken gleichzeitig die Chancen nutzen können, die ihnen das Wachstum des Biomarktes bietet.

Zum Schluss noch eine These: Verbraucher, die in konventionellen Discountern einkaufen, müssen das eingesparte Geld auf anderem Wege, wie beispielsweise steuerfinanzierte staatliche Direktzahlungen, an die Bauern transferieren, weil der Markt die Produktionskosten nicht deckt!

Die Transferzahlungen werden von allen Steuerzahlern aufgebracht, nicht nur von den Einkäufern im Discounter!
Landwirte erbringen Leistungen für die gesamte Gesellschaft, die nicht an der Ladentheke bezahlt werden. Sie erhalten die Kulturlandschaft, tragen wesentlich zur Aufrechterhaltung ländlicher Wirtschaftsräume bei, stellen Erholungsraum für die städtische Bevölkerung zur Verfügung. Öko-Bauern erbringen darüber hinaus wertvolle Zusatzleistungen für Natur-, Umwelt- und Tierschutz. Die staatlichen Transferleistungen tragen zur Abgeltung dieser Leistungen bei. Geschieht dies nicht, droht das Ende einer Agrarkultur, die ein wesentlicher und wie ich meine unverzichtbarer Bestandteil unserer Kultur ist!

Vielen Dank für das Interview.

Roland Krieg

Zurück