Wein und Kultur in Mainz

Handel

Weinreben von Rodungen bedroht

Anfang der Woche haben sich die europäischen Agrarminister in Mainz getroffen und vor allem über den ländlichen Raum und die Zukunft des Weinmarktes gesprochen. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer wollte das Thema „Lebensgrundlagen in den Regionen Europas sichern – für Vielfalt, Qualität und Innovation“ bei dem informellen Treffen in den Mittelpunkt stellen. Im Abschluss bewertete er das Treffen positiv: „Wir haben sehr offen über die Politik für die ländlichen Räume diskutiert“.

Reform des Weinmarktes
Eine der letzten noch offenen Marktreformen der EU betrifft den Weinmarkt. Europa ist weltweit der größte Weinproduzent. Fünf Prozent des europäischen Weines werden in Deutschland produziert: 10 Millionen Hektoliter. Gegen den „Wein-See“ kämpft die EU jährlich mit 1,2 Milliarden Euro an, die für Lagerung und Destillation nicht getrunkenen Weins in Industriealkohol ausgegeben werden. Eine Reform ist dringend notwendig. Bislang sollten rund 400.000 der 3,4 Millionen Hektar europäischer Weinberge gerodet werden. Am 04. Juli Weintrauben am Bodensee bei Birnaumöchte die EU ihre Vorschläge offiziell vorstellen und konnte das Treffen in Mainz für eine Pegelstandsmessung nutzen. Schließlich muss sich der Überschusswein auch noch gegen die Qualitätsimporte aus Übersee behaupten.
Aktuell sollen nur noch 200.000 ha gerodet werden. Für die freiwillige Aufgabe der Reben sollen in den nächsten fünf Jahren etwa 1,2 Milliarden Euro für die Winzer bereitstehen.
Seehofer will die Rebstöcke behalten: „Wir in Deutschland halten überhaupt nichts von einer Rodung.“ Sein Ziel ist die Qualitätsverbesserung, um sich auf dem enger werdenden Markt zu behaupten. So soll den nördlichen Weinbauländern das Nachsüßen des Weines weiterhin erlaubt sein. „Ich bin gegen Rodung und ich bin für Saccharose“, stellte Seehofer klar. Außerdem stammen die meisten Weinüberschüsse aus den Mittelmeerländern. Diese wollen die gut halbe Milliarde Destillationsbeihilfe behalten.
Auf der Stuttgarter Weinmesse „Intervitis“ im April hatte sich der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, Norbert Weber, für die Zuckerung des Weins ausgesprochen. Ein Saccharose-Verbot würde die Staaten benachteiligen, die wegen ungünstiger klimatischer Bedingungen Schwierigkeiten beim Weinbau haben. In 18 der 27 EU-Staaten werde nachgesüßt, darunter in Frankreich, Deutschland, Österreich, Luxemburg, Tschechien, Ungarn und Bulgarien. Hier würde sich die Weinherstellung verteuern, warnte Weber.
EU-Kommissarin Mariann Fischer Boel hat die Agrarminister vor einem Scheitern der Weinmarktreform gewarnt. Sie fürchtet, dass Marktanteile an Importweine verloren gehen.

Förderung des ländlichen Raumes
Die Direktzahlungen werden gekürzt. Die Bauernverbände und die Politik fordern meist, dass die Direktzahlungen der so genannten ersten Säule als Planungssicherheit für die Bauern ungekürzt erhalten bleiben sollen. Demgegenüber muss die so genannte zweite Säule die gesamte Entwicklung des ländlichen Raumes tragen und wurde für die aktuelle Förderperiode der EU gekürzt.
Seehofer fasste für Mainz die Bedeutung des Landes noch einmal zusammen: „In den ländlichen Räumen leben 60 Prozent der Menschen und sind 53 Prozent aller Arbeitsplätze.“ Das hat offenbar auch Fischer Boel so verstanden: „Wir müssen das Budget für den ländlichen Raum stärken“, sagte sie in Mainz.
Es gibt zwar das Instrument der Modulation, Gelder aus der ersten Säule der Direktzahlungen in die zweite zu transferieren, aber nur zu fünf Prozent im Jahr. Von den 35 Milliarden Euro Direkthilfen der EU (Deutschland 5 Mrd.) will die Kommissarin jetzt mit dem Health Check der Agrarreform 2008 mehr in die zweite Säule packen. Ab 2009 soll der Satz für die Modulation jährlich um ein Prozent steigen und 2013 dann zehn Prozent betragen. Mit dieser Ankündigung hat Fischer Boel Unmut und bei Seehofer Widerstand hervorgerufen. Seehofer sagte aber auch: „Wir waren uns alle einig, dass wir ein Bündel an Maßnahmen brauchen, das weit über die bloße Förderung der Agrarwirtschaft hinausgeht. Die Entwicklung des ländlichen Raumes muss in all ihren Facetten stärker voran getrieben werden.“
Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller lehnte gestern die vorgeschlagene Umschichtung vehement ab. „Die Förderung des ländlichen Raumes sei zweifellos eine wichtige Zukunftsaufgabe", sagte Miller in München. "Eine Schwächung der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, die nach wie vor das Rückgrat des ländlichen Raums darstellt, wäre allerdings kontraproduktiv.“ Wichtige Maßnahmen wie die Kinderbetreuung, Bildung oder Ausbau der Infrastruktur und der sozialen Versorgungsstrukturen müssten deshalb mit zusätzlichen Mitteln finanziert werden.

Rebstock-Paten
Damit möglicherweise nicht die falschen Rebstöcke der Weinmarktreform zum Opfer fallen hatte Horst Seehofer seinen Berufskollegen eine Urkunde für einen echten Rebstock im Rheingau geschenkt. Mit dieser Patenschaft erhalten die Minister das Recht, jederzeit den Weinberg zu betreten und ihren Rebstock zu besuchen. „Um die Mühsal der eigenen Ernte zu ersparen, wird den beschenkten Ministern jedes Jahr eine Flasche Wein als Anteil der Ernte am Rebstock mit der Post zugeschickt“, teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Die Patenschaft ist auf drei Jahre befristet.

VLE; Foto: roRo

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