Welche Getränkewirtschaft wollen wir?
Handel
Ein- oder Mehrweg wird zur Strukturfrage
Wer auf Einweg bei Getränken setzt, der muss hohe
Anfangsinvestitionen stemmen. Erst die Optimierung des Transportweges, bei der
große Mengen zur Eroberung neuer Märkte über große Entfernungen transportiert
werden, senkt die Kosten. Der Mittelstand setzt auf Mehrweggebinde und bleibt
in der Region. 1988 hatte der größte amerikanische Brausehersteller in
Deutschland noch 120 Abfüller, heute sind es nur noch drei, erklärte Clemens
Stroetmann, Geschäftsführer der Stiftung Initiative Mehrweg, am Mittwoch in
Berlin. Ab der 15. bis 20. Wiederbefüllung rechnet sich die teurere
Mehrweganlage, ergänzt Günther Gude, Geschäftsführender Vorstand des
Bundesverbandes des Deutschen Getränkefachgroßhandels.
Das spiegelt sich nach Sepp Gail, Vorsitzender des
Verbandes des Deutschen Getränkehandels, auch in der Beschäftigtenzahl wider. Je
eine Million Liter Mineralwasser beschäftigen die Brunnen mit Mehrweggebinden
1,47 Arbeitskräfte. Bei den Großindustrien mit Einwegflaschen sind es nur noch
0,27 Arbeiter.
Hinter der Frage Einweg oder Mehrweg steht für Jürgen
Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auch die Frage, ob
die Kunden bei Großveranstaltungen „Industriegetränke“ oder regionale
Abwechslung genießen wollen?
Neue Kampagne für Mehrweg
Die Mehrwegbranche steht unter Druck. Gefühlt nutzen
die meisten Verbraucher Mehrwegflaschen, die zwischen 30 und 60 Mal
wiederbefüllt werden können. Auf der anderen Seite feiert die Dosenindustrie
das „Comeback“ der Aludose. Dabei wird mächtig getrickst. Wer „Pfandflasche“
auf sein Getränk schreibt, sagt nicht, ob er damit das Einwegpfand oder das
Mehrwegpfand meint. Es gibt Einweggebinde im Mehrwegkasten oder die
Energydrinks in der Aludose, die als molkehaltiges Getränk nicht bepfandet
werden, beklagt Sepp Gail die vielen Ausnahmen.
Verbraucher sind mittlerweile vollkommen verwirrt und
können kaum noch unterscheiden, was Einweg- und was Mehrweg ist.
Hilfe aus der Politik gibt es nicht. Im Visier der
Initiative Mehrweg steht das Wirtschaftsministerium, das eine eindeutige
Kennzeichnung bislang verhindert hat. Die Kabinettsentscheidung weilt noch im
Bundesrat. Die Mehrwegkämpfer setzen bereits auf die nächste Legislaturperiode.
Ist Mehrweg muffig?
Die Dosenhersteller unterlegen der Dose ein pfiffiges
Image: Individuell, to go, Lifestyle und grün durch eine hohe Recyclingquote.
Zumindest den Zahn des grünen Images hat die DUH vor Gericht ziehen lassen. Mit
dieser Aussage dürfen die Hersteller nicht mehr werben. Umweltargumente klingen
aber muffig; nach den frühen 1980ern als Jute statt Plastik „in“ war. Doch Umwelt
hat im Zeitalter des Klimawandels und der zur Neige gehenden Ressourcen neuen
Schwung aufgenommen – wenn auf den Kampagnenplakaten auch noch nicht sichtbar.
1,4 Milliarden Getränkedosen europaweit verbrauchen
28.000 Tonnen Aluminium, erläuterte Stroetmann. Ressourcenstreckung und
Abfallvermeidung sind Teil des Klimaschutzes und vor allem für das
ressourcenarme Deutschland eine Wahl. Daher müssen die Ökobilanzen gerade
gerückt werden. Eine Mehrweg PET-Flasche erhält einen Bonus, wenn sie einer „Anschlussverwertung“
wie eine Parkbank zugeführt wird. Die wieder befüllbare Glasflasche hingegen
muss für sich sprechen. In den kommenden Monaten wird von der Initiative
Mehrweg eine Studie zur „Ressourcenstreckung“ veröffentlicht, die Ein- und
Mehrweg besser vergleichbar mache.
Anforderungen Politik
Würde Einweg im Getränkebereich konsequent durch
Mehrweg ersetzt, könnten nach Resch 1,2 Millionen Tonnen
Kohlendioxid-Äquivalente eingespart werden und die Hälfte an Energie. Was
einmal Konsens in der Bevölkerung gewesen ist, habe die Politik durch Ausnahmen
und fehlender Verordnung zerrüttet. Eine eindeutige Kennzeichnung auf dem Produkt
gibt den Verbrauchern Sicherheit bei der Wahl der Verpackung. Für Einweggebinde
sollte eine Einwegpfand in Höhe von 20 Cent angerechnet werden, damit die billigen
Einweg“flaschen“ mit den Mehrweggebinden im fairen Wettbewerb stehen.
Die Einführung des Mehrwegpfandes hat nicht überall zum
Erfolg geführt. Bei den Brauereien stieg der Anteil der Mehrweggebinde von 68
auf 81 Prozent. Bei Mineralwasser hingegen sank er von 68 auf 30 Prozent. Günther
Guder sieht die Schuld bei den Discountern. Die haben mit der Einführung des
1,5 Liter-Gebindes zu 19 Cent reagiert und haben mittlerweile einen Marktanteil
von 75 Prozent.
Auch bei den Fruchtsäften sieht es nicht rosig aus.
Dort liegt die Mehrwegquote bei nur noch acht Prozent, was nach Resch an den
Großunternehmen der Branche liege. Die lassen sogar den Flaschenpool der
Mehrweggebinde altern. Das Glas sei teilweise schon so spröde, dass
kohlensäurehaltige Getränke nicht mehr abgefüllt werden können. Die 20 Cent Einwegbepfandung
könnte für die Erneuerung der Poolflaschen eingesetzt werden, so Resch.
Aber auch die Brauereien könnten etwas mehr für Mehrweg
tun. Der Marketingtrend „Individualflaschen“, dürfe sich nicht zu einem „Flächenbrand“
ausweiten, erklärte Stroetmann. Die privaten Brauereien, deren Vertreter Roland
Demleitner nicht in Berlin weilte, sehen hingegen in den Individualflaschen
keine weiteren negativen Umweltauswirkungen, weil sie ebenfalls auf hohe
Umlaufzahlen ausgelegt seien.
Lesestoff:
www.duh.de/mehrweg_klimaschutz.html
Kabinettsbeschluss zur Mehrwegkennzeichnung
Nabu-Umfrage zum verwirrendem Pfandsystem
Für die DUH ist auch das Kapitel Radeberger noch nicht beendet. Derzeit laufen nach Jürgen Resch noch weitere Recherchen
Roland Krieg; Foto: roRo