Weltweite Beschaffungsstrategien

Handel

Diskussionen um Handeln ohne Grenzen

>Wer Erfolg haben will, der solle keine Angst vor dem internationalen Handel haben. So eine Maxime von Jürgen Maas, Präsident der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) und Chef der Metro Cash + Carry International GmbH. Auf dem Deutschen Handelskongress in Berlin ging es gestern auch um globalen Handel und weltweite Ressourcenbeschaffung.

Das Maas-Modell
Der Handel folgt bei der Beschaffung seiner Waren unter anderem dem Lohngefälle und verlagert die Beschaffung zu den Orten, wo es die Rohstoffe für Textilien, Konsumgüter oder auch für den Ernährungsbereich gibt. Maas erläuterte in einem Modell allerdings auch, dass mehr Know how mitgebracht werden muss, desto günstiger das Produktionsland ist. Beispielsweise können Rohstoffe in der Ukraine und in Kambodscha am günstigsten eingekauft werden; bis zum Endprodukt müssen jedoch aufsteigend Kernkompetenzen wie „technische Verarbeitung“, „Mustererstellung“ und „Design“ hinzugefügt werden. Entlang dieser Leiter sind verschiedene Länder in der Lage die nächst höhere „Kernkompetenz“ selbst zu erledigen. So können zum Beispiel Marokko und Polen neben der Produktion einer Rohware auch die technische Verarbeitung erledigen, Griechenland und Süd-Korea die Mustererstellung und Länder in Westeuropa auch die Design-Stufe. Damit steigen aber auch die Produktionskosten, wobei das Modell durchaus verdeutlichte, dass mit akkumulierter Kernkompetenz auch das Ausbildungsniveau ansteigen muss. Wer sein Heil in Westeuropa nur in der Bereitstellung der Rohware sieht, ist weltweit nicht wettbewerbsfähig.

Handelsliberalisierung und Protektionismus
Hauptgeschäftsführer der AVE e.V. Jan Eggert stellte die Fragen des Handels zusammen, was für das „komplexen Thema“ Welthandel zu klären sei. So ist bei der Einfuhr nicht immer klar, was für den Zoll alles dazugehört. Der Präferenzursprung ist nicht immer ersichtlich. So können Güter und Rohstoffe aus einem Drittland zuvor importiert worden sein, werden aber als „eigene“ Produkte ausgegeben. (So umging Südafrika in den 1980er Jahren den Früchteboykott gegen den Rassismus: Äpfel wurden nach Neuseeland verkauft und gelangten dann als neuseeländische Ernte nach Europa; roRo). Allgemein schwierig sind Produktstandards, die als Zertifizierungen oder als Umwelt- und Sozialstandards einen Freihandel erschweren.
Nicht nur hinsichtlich der im Dezember stattfindenden WTO-Runde formulierte Eggert Forderungen für den Freihandel: Abbau der Zölle; Ausbau der Freihandelszonen, wie zur Zeit zwischen der EU und der mittelamerikanischen Mercosur-Gruppe verhandelt, und Verbesserungen der Handelsregelungen bei der WTO. Schutzklauseln für die eigene Wirtschaft, Anti-Dumping-Verfahren und alle nicht tarifären Handelsbedingungen der Standards gelten hingegen als Protektionismus. Die Hoffnung ruht auf Hongkong, wenn vor allem die Westeuropäer und Nordamerikaner ihren Agrarprotektionismus zurückdrängen können, so Eggert.

Keine Angst vor China
In diesem Jahr wurden Quoten für Textillieferungen aus China verhängt, wenn auch bis 2007 befristet. Die Chinesen haben ihr Exportvolumen in die EU zwischen 1999 und 2004 von 52 auf 126 Milliarden Euro vergrößern können, weswegen das Reich der Mitte in den Mittelpunkt der Diskussion rückte. Mit einer Mischung aus Respekt und Sorge steht der deutsche Handel den Chinesen gegenüber, denn „China liefert jederzeit alles“, so Eggert.
Allerdings werfen die Chinesen das Produktionsrad erst bei großen Mengen an. Andreas Streubig von der Otto Group gestand, dass der Versandhandel bereits 40 Prozent der Waren aus China bezieht. Dabei sind es nicht nur die preiswerten Textilien, wie sie über bon prix zu kaufen sind, sondern auch hochpreisige Waren aus dem Heinen-Katalog. Wer 100.000 Teile einkauft, der sei bei den Chinesen gut beraten. Wer jedoch nur 1.000 Produkte kaufen möchte, ist bei den Indern und Türken besser dran. Dort sei auch die Kreativität höher. Textilien mit besonderen Applikationen wie Perlen oder Pailletten sind aus China kaum zu bekommen. Das bestätigte auch Jürgen Maas. Aus Indien müsse aber die Vor-Verschiffungskontrolle auf Qualität intensiver sein als bei Chinawaren. Dort wird mittlerweile zu niedrigen Preisen gute Qualität geliefert, weswegen die Produkte nicht mehr mit dem negativen Image „billig“ versehen sein sollten.
Udo Wietrychowski, Direktor Konzernimporte bei KarstadtQuelle AG, schränkte ein, dass der chinesische Markt nichts für die schnelle Bedarfsdeckung sei. Ein Container ist auf dem Seeweg rund 30 Tage unterwegs, während für die Türken ein LKW aus China mit Rohstoffen zur Weiterverarbeitung nur etwa fünf bis sechs Tage braucht. Wolle man damit konkurrieren, müsse man bereits den teueren Luftweg nutzen.
Besonders sensibel ist die Wahrung der Eigentumsrechte in Asien. Am besten schützt man seine Produktideen mit eigenen Händlern in eigenen Büros vor Ort, so Maas. So sieht es auch Philippe Legru, Direktor der Logistik bei dem französischen Handelsriesen Carrefour. Seine 13 Büros in China sind so nah wie möglich bei den Herstellern und nur mit wenig Personal besetzt. Das garantiert eine leichte Struktur und die Möglichkeit den Standort zu wechseln.
Es gibt aber auch Länder, bei denen der Handel auf Granit beißt. Maas kann für die Metro Fische aus der Aquakultur in Vietnam kaufen, aber alle anderen Märkte stehen ihm nicht zur Verfügung. Bei Textilien sitzen die Koreaner und Taiwaner so fest im Sattel, dass er noch keinen Fuß hat fassen können. Aber schließlich ist für den Außenhandel die Welt eine Bühne: Seit die Chinesen mit Textilien auf den Weltmarkt drängen, muss er nicht auf vietnamesische Geschäftspartner zurück greifen können. So wird auch die Quote für chinesische Textilien kritisch gesehen. Andere Länder, wie Bangladesh stehen bereit, die Lieferlücke zu füllen, die China nicht mehr ausfüllen darf. „Eine Quote schützt Europa nicht!“, so Maas.

Standards sind seltsame Regeln
Qualität spielt bei den Verbrauchern eine große Rolle. Daneben gewinnen Umwelt- und Sozialstandards an Bedeutung, was gerade auf dem Ökosektor ausgiebig ausgeübt wird. Auch der AVE hat ein Sektorenmodell entwickelt, mit dem die Händler die Produktion in Übersee überprüfen können, ob Sozialstandards eingehalten werden. So konnte am Rande der Veranstaltung Herd-und-Hof.de mit Jan Eggert über Standards sprechen. Diese können sogar handelsfördernd sein, wenn der Konsument genau diese Standards mit dem Produkt einkaufen möchte. Ein Mitbewerber aus einem anderen Land, der aber diesen Standard nicht einhalten kann, sieht darin ein Handelshindernis. Schwierig anzuwägen ist es, weil, so Jan Eggert, man nicht immer genau weiß, warum ein Standard gesetzt worden ist: Um andere Produkte fernzuhalten oder tatsächlich, weil der Standard notwendig ist.
Die Empfehlungen des AVE basieren auf dem Verhaltenskodex der Business Social Compliance Initiative (BSCI) der europäischen Foreign Trade Association und können unter www.bsci-eu.org eingesehen werden. Das Ziel der Vereinbarung ist, die soziale Situation entlang der Geschäftsbeziehungen bei allen Partnern stetig zu verbessern. Dabei sind die Vereinbarungen Minimalstandards, wie beispielsweise das Verbot der Diskriminierung von Geschlecht, Religion, Alter oder Nationalität, oder die Einhaltung des üblichen Mindestlohns oder dass Überstunden nur auf freiwilliger Basis geleistet werden müssen. Die aufgestellten Regeln folgen vielen Bestimmungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und sind auch mit Konsequenzen verbunden: Wenn ein Standard verletzt ist, dann wird das BSCI-Mitglied mit der lokalen Firma über eine Lösung verhandeln. Ist eine Lösung nicht in einer annehmbaren Zeit möglich, dann wird die Geschäftsbeziehung beendet.
Ende November veranstaltet die BSCI in Brüssel eine Konferenz zusammen mit dem Handel, Nicht-Regierungsorganisationen und Gewerkschaften über den aktuellen Stand und den derzeitigen Aktivitäten.

Roland Krieg

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