Wende der Energiewende?
Handel
Energie-Union, CDU-Wirtschaftsrat und Biokraftstoffe
So oft wird geklagt, dass die politischen Rahmenbedingungen für die Energiewende fehlen. Zuerst werden Biokraftstoffe gefördert, dann nicht mehr und zuletzt wieder – aber nur bis 2020. Deutschland zerreißt sich an der Energiewende, weil damit auch gesellschaftliche Veränderungen gegen das Oligopol verbunden wurden und werden [1].
„Fürchtet euch nicht“
Jetzt aber geht es ans Eingemachte und die EU startet die Energie-Union [2]. Brüssel will für Leitplanken sorgen, die der Wirtschaft verlässliche Investitionsentscheidungen ermöglichen. Aus den Klimazielen 2020 (jeweils 20 Prozent Treibhausgasreduzierung gegenüber 1990, Anteil erneuerbare Energien und Energieeffizienz plus zehn Prozent Biokraftstoff) wurde für 2030 die Formel 40/27/27. Im Jahr 2050 sollen 80 Prozent der Treibhausgasemissionen des Jahres 1990 eingespart sein.
„Wir dürfen Kritik nicht fürchten“, versprach Maros Sefcovic, EU-Kommissar für die Energie-Union am 27. Februar. Die europäische Energiewende müsse holistisch sein, weil sie mehr als Klima- und Energiepolitik sei. Sie umfasst Landwirtschaft, Beschäftigung, Verbraucherschutz, die digitale Ökonomie und die Region.
Deutschland und Europa
In Deutschland sieht die Energiewende derzeit etwas anders aus. Das machte am Freitag der CDU-Wirtschaftsrat auf seiner 13. Klausurtagung Energie- und Umweltpolitik deutlich.
Im Großen und Ganzen stimmten EU-Klima- und Energiekommissar Miguel Arias Canete und Prof. Dr. Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates überein. Die Energiewende müsse europäisiert werden, sprach Lauk. Nur so könne das Industrieland Deutschland seine eigene Energiewende stemmen. Allerdings müsse in Deutschland mehr passieren, weil die Reform des EEG im letzten Jahr nicht ausreichend war. Das EEG14 biete noch immer zu wenige Marktmöglichkeiten. Ein Ziel der Energieunion ist die Unabhängigkeit von Importen. Lauk sieht noch Potenzial, Gas in Deutschland zu fördern: „Wer Atomkraft abschaltet und Fracking verbietet, macht sich zum Geschäftspartner Putins.“So wie die Bundesregierung sieht auch Canete auf Nachfrage
von Herd-und-Hof.de die Verteilung der Kompetenz in der Energieunion: Alles was
der EU Mehrwert bringt, bleibt europäische Kompetenz, so wie die
länderübergreifenden Trassenverbünde. Jedes Land müsse sich mit seinen Nachbarländern
enger vernetzen, damit der Strom in der EU frei fließen kann. Was den
Energiemix angeht aber halte sich die EU an das Prinzip der Subsidiarität: Das
ist Hoheitsaufgabe der Mitgliedsstaaten, betonte Canete.
Wende in der Energiewende
Der Wirtschaftsrat der CDU fordert dennoch nichts anderes als eine „Neuausrichtung der Klima- und Energiepolitik“. Sefcovic sieht in Klima- und Energiepolitik keine Gegensätze, wenn beides erfolgreich sein soll. Der CDU liegt der Fokus derzeit auf zu viel Umwelt, was die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland gefährde. Mehr Stringenz in der Klimapolitik, Klimaziele über Korridore flexibilisieren, den Emissionshandel stärken und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten seien notwendige Korrekturen in der Klimapolitik.
Der Strommarkt müsse als Energy-only-Markt mit einer Bilanzkreislaufwirtschaft und der Weiterentwicklung der Regelleistungsmärkte wiederbelebt werden. Die Bayern bekommen eine gelbe Karte: „Die Bundesländer müssen sich [beim Netz; roRo] an den Bundesbedarfsplan halten.“ Der Netzausbau sei weder durch Speicher noch durch neue Kraftwerke zu ersetzen.
Im Bereich der Energieeffizienz müsste eine „Qualitäts- und Informationsoffensive“ gestartet werden, um Effizienzpotenziale sektorübergreifend heben zu können. Der Wirtschaftsrat der CDU verteilt zwei weitere gelbe Karten. Er fordert die steuerliche Umsetzung der Gebäudesanierung. Ein klares Wort, wie es auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten besprochen hatte [3]. Doch das gilt so einfach nicht mehr. Die Sozialdemokraten wollen diese Form der Gebäudesanierung mit dem Handwerkerbonus verrechnen, die CSU hingegen lehnt eine Kompensation ab und will an der „vollständigen steuerlichen Anrechnung von Handwerkerleistungen festhalten“, klärte CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt auf. Daher ein weiß-blaues „Nein“. „Das ist aus unserer Sicht außerordentlich bedauerlich“, sagte am Freitag ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Die staatliche Förderung der Gebäudesanierung sei deshalb aber „keineswegs tot“. Die KfW-Förderprogramme, die auf zwei Milliarden Euro aufgestockt werden, seien von dieser Diskussion unberührt. Demnach hätten die „Häuslebauer und alle Mieter“, so der Sprecher weiter, Möglichkeiten der Finanzierung: „Wir können uns keine endlose Hängepartie leisten“.
Emissionshandel
Der CDU-Wirtschaftsrat unterstützt die Stärkung des
Emissionshandels. Die meisten Kohlenstoffemissionen entstehen mittlerweile
außerhalb Europas. „Es mangelt an marktwirtschaftlichen Regeln, die eine CO2-Einsparung
zu deutlich günstigeren Kosten und Innovationen fördern würden“, heißt es [4]. Dort,
wo die Vermeidungskosten geringer seien, wären die Investitionen effizienter, so Lauk.
„Wir wollen keine Risse im industriellen Fundament“, sagte Lauk und erhält Schützenhilfe von Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie. „Es geht nicht um das Fundament der Energiewende, es geht um das „Wie“, machte Vassiliades in Berlin klar. Eine ineffiziente und unökonomische Energiewende bedeutete einen Fehlschlag, weil erste Investitionen schon aus Deutschland abfließen. „Das sei die eigentliche Giftpille“ der aktuellen Energiewende.
Deutschland könne jedoch mit seiner industriellen und technologischen Stärke eine Blaupause im Bereich der Klima- und Energietechnik für die Welt liefern. Daher sei eine Förderung dieses Sektors sinnvoller als eine „Installationsförderung“.
Biokraftstoffe
Wie in Brüssel fehlen auch beim CDU-Wirtschaftsrat Angaben zu Biokraftstoffen, was von der Biotreibstoffwirtschaft heftig kritisiert wird. Darauf angesprochen beschreibt Dr. Johannes Lambertz, Vorsitzender der Bundesfachkommission Energiepolitik im Wirtschaftsrat, die Biokraftstoffe im Gesamtkonzert der erneuerbaren Energien als Puzzle, das realistisch eingeschätzt werden müsse. Das Volumen benötigter Rohstoffe für den Transportsektor sei in Deutschland nicht vorhanden und ein globaler Handel auch nicht vorteilhaft. Die Biomasse sollten die Länder für ihre eigene Energiewende nutzen. Biokraftstoffe seien unter dem Emissionsaspekt auch nicht so vorteilhaft, wie oft versprochen.
Das Ende vom Biosprit?
Am Montag teilte der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) einen im Jahr 2014 um 2,9 Prozent gestiegenen Absatz von E10 mit. E10 hat jetzt einen Anteil von 15,1 Prozent auf dem Benzinmarkt erreicht und ist nur eine weitere Erfolgsmeldung aus der Branche [5]. Doch die Skepsis in der Politik ist hoch. Die neue Obergrenze mit sechs Prozent für Biotreibstoff der ersten Generation wird „ausdrücklich als Hauptmaßnahme zur Vermeidung von indirekten Landnutzungsänderungen unterstützt“, stellte Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD); Staatssekretärin im Bundesumweltministerium letzte Woche im Bundestag fest. Sie verteidigte auch den Übergang von der Beimischung zur Treibhausgasquote seit Januar 2015 als „technologieoffenes Instrument“, das auch Bioethanol ausreichend Absatzmöglichkeiten biete. Dementsprechend sei die Hinwendung der Förderung in Richtung abfall- und reststoffbasierter Biokraftstoffe richtig.
Doch das ist ein Konflikt zwischen eingeführten und noch nicht marktfähigen Biokraftstoffen, wie Dr. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), am Montag zu Beginn der Tagung „Neue Biokraftstoffe 2015“ ausführte. Biokraftstoffe bleiben erst einmal die Lösung für die Mobilität und haben weltweit ein erhebliches Potenzial.
„Die Verbrennung im Motor bleibt der bestimmende Faktor“, unterstrich Clemens Neumann, Ministerialdirektor aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Das Ziel von einer Million Elektromobilen sei wenig im Kraftfahrzeugbestand von 42 Millionen Fahrzeugen. Daher bleiben Biokraftstoffe wichtig und deren Gebrauch auch konstant. Es finde bereits eine Verschiebung von Pflanzenöl und Bioethanol hin zu Abfall- und Reststoffen statt.
Das Thema wird meist dem Individualverkehr zugeordnet. Doch die wirklichen Herausforderungen liegen im Luftverkehr, dem Güterfernverkehr und der Binnenschifffahrt, gibt Dr. Thomas Schleker von der EU-Generaldirektion Forschung und Innovation zu. Dort gibt es keine realistische Perspektive für Elektromotoren. Ambitioniert sei auch das Ziel, im Transportsektor 1,25 Prozent aus den neuen Kraftstoffen zu erreichen. Die ausstehenden Triloge mit Kommission und Rat böten Gelegenheit, eine angemessenere Quote zu finden.
Die Industrieaktivitäten in diesem Bereich sind nach Analyse von Ralph Ripken vom britischen Institut „E4tech“ fragmentiert und Forschung oft ineffektiv. Die Politik müsse einen klaren Fahrplan vorlegen. Im Gütertransportbereich wird der Austausch von Diesel die wichtigste Aufgabe in den nächsten Jahrzehnten bleiben. Biokraftstoffe werden 21 Prozent der Reduktionsleistung von Treibhausgasen im Transportsektor leisten müssen. Ohne sie gäbe es nach 2020 keine wirklichen Reduzierungspotenziale mehr.
Derzeit verbraucht der Gütertransport nach Angaben von Dr. Franziska Müller-Lange vom Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig 93 EJ pro Jahr (ein Exajoule sind 1018 Joule; roRo). Im Jahr 2050 sind es mit 116 EJ pro Jahr nur geringfügig mehr. Eine Studie über die Verfügbarkeit von Biomasse und technischen Lösungen weist für die Welt ein Volumen zwischen 100 und 300 EJ/Jahr aus.
Die neuen Kraftstoffe aus Altfetten oder BtL sind nicht per se günstiger als die Kraftstoffe der ersten Generation. Im Bereich des Treibhausgasreduktionspotenzials haben die im Ausland hergestellten ein größeres Potenzial als die heimischen Produkte. Erst danach kommen Altfette und Bioreste und zum Schluss die einst so favorisierten BtL-Kraftstoffe. Auch im Bereich der Investitionen haben die derzeitigen Biokraftstoffe große Vorteile. Je kW müssen in den Anlagen bei herkömmlichen Bioethanol und Biodiesel zwischen 65 und 350 Euro investiert werden. Bei den Abfallstoffen bewegt sich das in den Anlagen gebundene Kapital schon zwischen 390 und 500 Euro, beim BtL sogar zwischen 2.300 und 3.775 Euro.
Bis 2020 sind herkömmliche Biokraftstoffe alternativlos, fasst Dr. Müller-Langer zusammen. Basis für die Aussage ist eine Untersuchung über vorhandene marktreife Anlagen mit verschiedensten Techniken und Ausgangsstoffen. Ab 2030 wird BtL zuerst in den USA und Europa eingeführt. Schwierig bleibt bei allen Berechnungen der Umgang mit Koppelprodukten. So ist Raps Ausgangsstoff für Biodiesel, stellt Öle für die Kosmetik zur Verfügung und eiweißreiches Futtermittel als Sojaersatz.
Lesestoff:
[1] Die gesellschaftliche Sicht auf die Energiewende
[3] Bund/Länder für steuerliche Gebäudesanierung
[4] Der EU-Umweltausschuss hat eine Regelung zur Stärkung des Handels mit Zertifikaten vorgelegt
[5] Acht Prozent mehr Bioethanol
Roland Krieg; Fotos: roRo