Wie Amazon Whole Foods umgräbt

Handel

Amazon macht Schluss mit „regional“

Ron Marks wuchs im ländlichen Pennsylvania im Lebensmittelgeschäft der Eltern auf. Mitten auf saftigem Grünland mit grasenden Milchkühen von Kleinbauern. Die frische Milch wurde gleich in lokale Produkte wie Joghurt verwandelt.

Marks hat 2009 aus seinen Kindheitserinnerungen ein Geschäftsmodell entwickelt und mit „Atlanta Fresh“ und einem lokalen Joghurt nach griechischem Rezept die Gaumen der Kunden erobert. Zuletzt konnte er die stetige Ausweitung des Sortiments mit Weidefütterung und GVO-Freiheit bewerben. Dadurch gelangte er in die Regale von Whole Foods, dem größten Bio-Handel in den USA. Die Filialleiter konnten sich autonom um regionale Produkte von Kleinerzeugern kümmern und entsprachen damit den Kundenwünschen. Die Erzeuger waren selbst verantwortlich für die Befüllung der Regale und bekamen Zeit und Raum, ihre neuen Produkte im Laden selbst vorzustellen und zu bewerben. Whole Foods war die Brücke zwischen Erzeuger und Konsument.

Für die lokalen Erzeuger war Whole Foods ein Segen, konnten sie doch nicht nur zuerst eine Nische besetzen, sondern mit steigender Nachfrage auch wachsen. Zuletzt bekam Atlanta Fresh einen Vertrag auf sieben Jahre über 113.000 Liter Frischmilch pro Woche für 110 Läden. Die Milch hat Ron Marks von kleinen Milcherzeugern gebündelt.

Dann kam Amazon …

Im Sommer 2017 hat der Internetriese Amazon Whole Foods für rund 14 Milliarden US-Dollar gekauft und ist in den stationären Lebensmittelhandel eingetreten. Seitdem macht sich auch der europäische Lebensmittelhandel Sorgen, auf der Einkaufsliste von Jeff Bezos zu stehen [1]. Der bekommt gerade Probleme mit dem US-Präsidenten Donald Trump, der zu wenig Steuereinahmen von Amazon beklagt. Immerhin, im Jahr 2016 hat Amazon dem amerikanischen Fiskus rund 412 Millionen US-Dollar  überwiesen. Trump beklagt aber auch, das Amazon den traditionsreichen United States postal service zu einem „Lieferjungen Amazons“ degradiert habe. Die New York Times argwöhnt, dass Trump die Klagen seiner reichen Geschäftsfreunde erhört, die im Wettbewerb mit Amazon Kunden und Einnahmen im stationären Handel verlieren. Im aktuellen LEH-Ranking rückte Whole Foods von Platz 34 auf 20 vor. Durch Amazon hat der Bioladen nach  Angaben der Lebensmittelzeitung die Umsätze von 6,2 auf 14 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt.

… mit einer Verschiebung der Warenströme …

Tatsächlich spüren Lieferanten die Auswirkungen der Whole Foods-Übernahme. Janette Barnard ist Geschäftsführerin des Online Marktplatzes „The Poultry Exchange“ und verfolgt den Wandel der Fleischindustrie durch Amazon. In einem Interview mit dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium führt sie aus, dass die kleinen Erzeuger ihre Produktionsplanung auf Basis der Verkaufszahlen vor 52 Wochen machen. Amazon hingegen plant auf Tagesgeschäft und zukunftsgerichtet. Amazon ordert dann „mal eben“ fünf Lkw Geflügelfleisch. Mengen, die kleine Schlachtereien und Händler nicht mehr liefern können. Der Eingriff des Internetriesen verschiebt die Warenströme zu den großen der Branche wie Sysco, US Foods als Logistiker und Fleischlieferanten wie Colorado Boxed Beef oder Sherwood Foods. Die Lieferkette Fleisch stehe vor einem dramatischen Wandel, warnt Barnard.

… und dem Ende von Atlanta Fresh

Ron Marks hat seine Expansionsträume begraben müssen. Um den Liefervertrag mit Whole Foods zu erfüllen, hat er einen Kredit in Höhe von zwei Millionen US-Dollar aufgenommen. Nach der Übernahme durch Amazon wurde der Vertrag allerdings gekündigt und der Joghurt von Atlanta Fresh verschwand aus den Regalen. Ende März dieses Jahres ist Atlanta Fresh Creamery auch aus dem Handelsregister verschwunden.

Lesestoff:

[1] Offiziell bahnt die französische Supermarktkette Monoprix eine Liaison mit Amazon an. Monoprix gehört zur Groupe Casino, der Nummer vier im französischen LEH. Monoprix erzeugt mit 315 Filialen rund 3,8 Mrd. Euro Umsatz und wird zunächst Frischware über Prime Now ausliefern. Die Lebensmittelzeitung berichtet über tiefer gehende Strategien zwischen den Franzosen und Amazon.

Roland Krieg

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