Wie digital sind Deutschland und die Welt?
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Studien zum Stand der Digitalisierung
Funklöcher gelten auf dem Land schon als größeres Entwicklungsproblem als Schlaglöcher auf der Straße. Für Farming 4.0 müssen die auf dem Feld gesammelten Daten über Glasfaser an Großrechner versandt werden, damit die Big Data auch wirtschaftlich „big“ werden. Wer ein Sammeltaxi rufen möchte, das den eingestellten öffentlichen Nahverkehr ersetzen muss, braucht ein Netz, genauso wie die Schüler und Ärzte auf dem Land. Telebildung und Telemedizin setzen Digitalisierung genauso voraus, wie der Internetshop auf dem Dorf, der seine Waren in die ganze Welt versendet werden will.
Die EU hat im vergangenen Jahr ihre Strategie für den digitalen Binnenmarkt aufgelegt und am Freitag den „Digital Economy and Society Index“ (DESI) veröffentlicht. Der Index zeigt den Stand der Digitalisierung in den EU-Mitgliedsstaaten auf. Das betrifft nicht nur die Netzverbindungen, sondern auch die Berufsfertigkeiten im Bereich der digitalen Welt. Fazit: Die Digitalisierung der EU verhält sich wie die letzte Phase der Flatrateperiode: Der Ausbau wird immer langsamer.
Andrus Ansip, Vizepräsident der Kommission und zuständig für den digitalen Binnenmarkt, stellt fest: „Mehr und mehr Menschen wechseln in die Digitalität. Doch zu vielen fehlt es an Hochgeschwindigkeitsnetzen und einem Fehlen der grenzüberschreitenden E-Verwaltung. Das behindert Verkauf und Einkauf über die Grenzen hinweg. Diese Probleme müssen wir lösen.“ Noch im Mai will die Kommission konkrete Vorschläge für den Lückenschluss in den EU-Mitgliedsstaaten vorlegen, kündigte Günther Oettinger, Kommissar für die Digitale Wirtschaft, an: „Die EU macht Fortschritte, aber zu langsam.“ Die EU müsse zu den Topländern USA, Japan und Südkorea aufholen.
Die Studie zeigt eine Steigerung der privaten Anschlüsse im Bereich der Breitbandanschlüsse ab 30 Mbit/s von 62 auf 71 Prozent. Die EU sei auf einem guten Weg der Vollversorgung bis 2020. Auch die Breitbandanschlüsse für das Mobiltelefon nehmen vergleichbar zu. Die EU solle sich mit der neuesten Generation der Mobilfunknetze (G5) weiter positionieren.
Die Zahl der Absolventen in den so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ist zwar leicht gestiegen, aber 45 Prozent der Europäer fehlt die digitale Kompetenz bei der E-Mail-Nutzung, Text/Bildbearbeitung und der Installierung neuer Geräte.
Zwar kaufen 65 Prozent der Konsumenten Produkte online, aber nur 16 Prozent der Klein- und Mittelständischen Unternehmern verkaufen ihre Waren auf gleichem Kanal. Die kleineren Unternehmen verpassen Marktchancen, heißt es in der Studie. Das gilt auch für die Bereitstellung öffentlicher Dienste. Das Angebot steigt, aber es wird zu wenig für den Wohnsitzwechsel oder anderer Behördenmeldungen genutzt.
Deutschland liegt mit einem Index von 0,55 im oberen Drittel der EU-Länder und wächst digital schneller als der EU-Durchschnitt. Länder mit einem hohen Index von knapp 0,7, wie Dänemark, Schweden oder Finnland, wachsen einer Sättigungskurve entsprechend nur noch unterdurchschnittlich. Die Niederlande, ebenfalls im hohen Bereich, erzielen noch große Wachstumsraten bei Netz und Bildung.
ITK-Wirtschaft in Deutschland
Parallel hat German Trade & Invest (GTAI) eine Zehn-Länder-Studie zur Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) durchgeführt. Die Wirtschaftsexperten haben sich die Sektoren Medien, Finanzen und Verwaltung angeschaut sowie den Stand der rechtlichen Rahmenbedingungen. Und da steht die IKT-Branche in Deutschland mittlerweile hinter dem Maschinenbau an zweiter Stelle der Erwerbstätigen. Auch die GTAI-Studie kommt zu dem Schluss, dass E-Government in Deutschland zu wenig genutzt wird.
In Brasilien haben Internet und Mobilfunk einen hohen Stellenwert und auch die Industrie springt auf den Zug auf. „Allerdings ist der Zustand der Infrastruktur noch mangelhaft und bezüglich innovativer Konzepte bestehen Sicherheitsbedenken.“ Erste Einsatzbeispiele für intelligente Systeme finden sich im Agrarbereich.
China ist nicht mehr nur Auftragsnehmer für IKT-Technologie, sondern hat mit Huawei und Alibaba globale Konzerne hervorgebracht. Doch während der E-Commerce-Bereich bald wohl die Spitzenposition auf der Welt einnimmt, hinkt die Digitalisierung der Industrie hinterher. Es wird kräftig investiert.
Die digitale Verwaltung in Estland gilt europaweit als Vorbild. Es gibt „eine aufgeweckte IT-Industrie und technologiefreundliche Kunden“. Aber auch hier gibt es große Defizite in der Ausrüstung der Industrie, was dem deutschen Markt eine interessante Perspektive biete.
Das Technologie-affine Japan ist an der Weltspitze und setzt nebenbei stark auf die Robotik. Unternehmen kritisieren veraltete Rahmenbedingungen und den Mangel an Fachkräften.
Ganz weit vorne ist Südkorea. 30 Prozent der Exportprodukte kommen aus der IKT-Branche. Samsung will bis 2020 seine gesamte Produktpalette per Internet der Dinge verknüpfen.
Die IKT-Branche gilt als wichtiger Entwicklungsbaustein für Afrika. Digitale Verbindungen könnten Mängel in der schwachen physischen Infrastruktur wett machen. Vor allem könnten entlegene Regionen erstmals Zugang zu weltweit verfügbaren Informationen erhalten.
Lesestoff:
Die DESI-Studie der EU finden Sie unter https://ec.europa.eu/digital-agenda/desi
Roland Krieg