Wie fürsorglich darf Verbraucherschutz sein?
Handel
Jodiertes Speisesalz
> Die Verwendung von Jodsalz im Haushalt, in der Gastronomie und in der Lebensmittelherstellung ist für die Gesundheit unbedenklich. Im Gegenteil: Durch die kontinuierliche Versorgung mit dem lebensnotwendigen Spurenelement ist das Risiko für eine vergrößerte Schilddrüse, den Jodmangelkropf, in den letzten Jahren deutlich gesunken. So fasst der aid Infodienst das Fazit einer Bewertung des gesundheitlichen Nutzens und der Risiken der Jodprophylaxe durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zusammen, die Kritikern widerspricht, dass der gängige Jodzusatz einer „Zwangsmedikation“ gleiche und Schilddrüsenerkrankungen fördere. Jodmangel oder Jodüberschuss?
Auf der bereits im Spätsommer stattgefundenen Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Schwerin zeigte Dr. med. Matthias Kraft von der Universität in Greifswald einen Fries aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Der Buddha hatte einen Kropf. Das ist auch das bekannteste Krankheitsbild, durch Jodmangel hervorgerufen, da das natürlich vorkommende Spurenelement die Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin aufbaut. Die Hormone steuern Wachstum, Knochenbildung und die Entwicklung des Gehirns. Weltweit haben rund 200 Millionen Menschen einen Kropf und zeigen etwa 20 Millionen Menschen eine durch Jodmangel hervorgerufene geistige Minderentwicklung, so Dr. Kraft. Fehlt das Jod, dann bildet nämlich die Schilddrüse „autonome“ Bereiche, die nicht mehr durch die Hirnanhangdrüse gesteuert werden. Dort wird zum Ausgleich des Hormonspiegels ein stimulierendes Hormon hergestellt, was zu einem kompensatorischen Wachstum des Schilddrüsengewebes führt. Der Kropf ist deutlich sichtbar.
Nun hat Jod den Nachteil, das es in der Erdkruste überwiegend in Alkali- und Erdalkaliverbindungen vorkommt, die leicht wasserlöslich sind. Die Auswaschungsprozesse nach der Eiszeit haben die Böden an Jod verarmt. Landtiere weisen nur noch 2 bis 14 Mikrogramm Jod, hingegen Wassertiere noch über 250 Mikrogram Jod pro 100 Gramm Lebendgewicht auf. Daher gilt Seefisch als eine ausgezeichnete Jodquelle und der Kropf ist in Deutschland eher in den Alpenregionen zu finden.
Um den Jodstatus des Menschen zu messen gilt die Jodausscheidung im Urin als die gängigste Variante. Liegt der Wert zwischen 100 und 299 Mikrogram pro Liter, dann ist die Jodversorgung ausreichend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte 2003 die für Deutschland gefundenen Werte bei Schulkindern in Würzburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Darin wurde der Mittelwert von 100 Mikrogramm erreicht, wenn auch in Würzburg und vor allem in Berlin bei 15 bzw. 41 Prozent niedrigere Werte vorlagen. Dagegen stehen die Daten des Jodmonitoring von 1996, der einzigen Untersuchung nach epidemiologischen Gesichtspunkten, wie es im DGE Info 7/2004 heißt, „mit einer mittleren Jodausscheidung von 51 – 99 Mikrogramm/l. In einigen Regionen scheint eine ausreichende Jodversorgung vorhanden zu sein, so die Stellungnahme der DGE, allerdings eben nicht für das ganze Land.
Harte Kritik an der Jodierung von Lebens- und Futtermittel
„Schon kleinste Mengen Jod können zu der meist tödlich verlaufenden thyreotoxischen Krise führen“, wie es die Buchautorin Dagmar Braunschweig-Pauli auf ihrer Internetseite www.jod-kritik.de beschreibt. Menschen verlören das Bewusstsein, fallen die Treppe hinunter – brechen einfach zusammen. Das BfR hat zu dieser Kritik unter www.bgvv.de sehr ausführlich Stellung genommen. So ist die Schilddrüsenvergrößerung nicht mehr alleine durch der Abwesenheit des Jod bedingt, sondern ebenso durch Umweltfaktoren und die Genetik. Nitrat und polychlorierte Biphenyle können genauso goitrogen wirken – also kropfförderdern.
Insgesamt hat sich die Jodversorgung der Deutschen in den letzten Jahren durch jodiertes Speisesalz deutlich verbessert. 80 Prozent der Haushalte nutzen bereits jodiertes Speisesalz.
Doch ganz reicht das nicht aus. Die Mindestmenge beträgt 60 – 120 Mikrogramm pro tag, die Höchstaufnahmemenge 500 Mikrogramm. In diesen Bereichen bewegen sich die Werte des BfR, der DGE, einiger Nachbarländer und die WHO. Ohne das Jodsalz „beträgt die Jodzufuhr aus unbearbeiteten Lebensmitteln nur etwa 60 Mikrogramm, so das BfR – also zu wenig. Bereits 1989 hatte der Gesetzgeber im Rahmen einer Verordnung Jodsalz „für die gewerbliche und industrielle Herstellung von Lebensmitteln und Fertiggerichten sowie für den Einsatz in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung zugelassen. In einer dazugehörigen Zweiten Verordnung von 1993 wurde der Einsatz sogar noch erleichtert, indem lose hergestellte Lebensmittel nicht mehr zu kennzeichnen sind, jedoch eine freiwillige Angabe weiterhin zulässig ist und empfohlen wird. In diesem Rahmen kann nicht von einer Zwangsmedikation gesprochen werden, weist das BfR die Kritik zurück. Wer jodiertes Speisesalz herstellen will, braucht eine Genehmigung und wird überprüft, ob die Dosierung und gleichmäßige Durchmischung eingehalten ist.
Der aid Infodienst stellt fest: Der Verbraucher habe durchaus die Möglichkeit, sich ohne jodiertes Speisesalz zu ernähren. Allerdings muss er gezielt nachfragen.
Brot ist ein wichtiger Kochsalzträger
Der Arbeitskreis Jodmangel aus Groß-Gerau unter der Leitung von Prof. Dr. Hötzel der Universität Bonn beschreibt in einem Merkblatt für das Bäckerhandwerk, dass Brot als einer der wichtigsten Träger für Speisesalz, für die Verwendung der jodierten Kristalle besonders geeignet ist. Das Joddefizit beträgt je nach Lebensalter zwischen 100 und 170 Mikrogramm pro Tag. „Bei 1,3 g Kochsalz pro 100 g Brot kann bei einer Verzehrmenge von 200 g und ausschließender Verwendung von Jodsalz etwa die Hälfte des Jodmangels ausgeglichen werden“, so heißt es in der Broschüre. Der Arbeitskreis hat die backtechnischen Einflüsse bei der Verwendung von jodiertem Speisesalz untersucht und keinerlei Abweichungen auf das Mehlverhalten gefunden. Die Wasseraufnahme und die Teigentwicklungszeit sind weiterhin identisch. Vorsorgender Verbraucherschutz hat gelegentlich etwas zu viel Fürsorge. Bei der Jodversorgung ist das jedenfalls nicht der Fall. So hat Polen mit der konsequenten Jodierung des Salz die optimale Jodversorgung der Bevölkerung erreicht.
Jod: Kleine Mengen – große Wirkung
So heißt ein kleines Kompendium mit den Antworten auf die wichtigsten Fragen ist beim aid e.V. erschienen. Dort finden Sie auch Tabellen über den Jodgehalt verschiedener Lebensmittel und – passend zum Thema – vier Fischrezepte. Bestellen Können Sie das Heft unter www.aid.de.
VLE