Wie misst man Nachhaltigkeit?

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Welche Nachhaltigkeitsindikatoren brauchen wir?

Am Donnerstag hat die EU-Kommission den Weg zu einem nachhaltigen Wohlstand definiert. Ein Aktionsprogramm setzt neue Schwerpunkte. Schutz der Natur und Stärkung der ökologischen Widerstandsfähigkeit, Forderung eines nachhaltigen, ressourceneffizienten und Kohlendioxidarmen Wachstums sowie ein wirksames Vorgehen gegen umweltbezogene Gesundheitsrisiken.
Das Programm wird an einem Problem leiden, das viele vergleichbaren Ideen haben: Wo sind die Gradmesser, die aufzeigen, dass der eingeschlagene Weg zum Ziel führt?

Ziele und Wege

Eigentlich ist es ganz einfach: Verbraucher stehen vor einem Regal mit Lebensmittelprodukten und wählen nach einem Logo aus, bei dem der Tierschutz respektiert wird, der Bauern ein gerechtes Einkommen erhält und die eingesetzten Ressourcen auch den Enkelkindern zur Verfügung stehen. Unglücklicherweise gibt es viele Logos mit vielen Versprechen und die Qual zur Wahl steigt.
Außerdem: Geht es der Gesellschaft beim Kauf des Produktes gut? Damit beschäftigt sich seit zweieinhalb Jahren die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Bundestages. Die Vorsitzende SPD-Abgeordnete Daniela Kolbe fasste mit Dr. Kora Kristof vom Umweltbundesamt und mit Edelgard Bulmahn diese Woche den aktuellen Stand zusammen.
Ziele zu definieren scheint das geringste Problem zu sein: Die Zukunft muss nach Dr. Kristof Ressourcenleicht, Immisionsneutral und ökologisch gerecht sein. Auseinander gehen schon die Vorstellungen, ob die Ziele per Ordnungsrecht, verursacherbezogen oder in eigener Verantwortung erreicht werden sollen. Noch schwieriger ist das Finden sind objektiver Kriterien, die das Maß an „Ressourcenleichtigkeit“ messen können.
Die wenigsten wissen, was sich genau hinter dem Begriff Bruttoinlandsprodukt verbirgt, so Dr. Kristof, aber jeder Verbraucher hat das Gefühl, dass es ihm gut geht, wenn das BIP steigt.
So einen einfachen und kommunizierbaren Indikator wünschen sich die Politikerinnen auch für die nachhaltige Zukunft. Das BIP bringen die Verbraucher über den Euro mit ihrer Geldbörse in Verbindung, aber die Darstellung der Verteilgerechtigkeit innerhalb einer Nation ist schon schwieriger an den Bürger zu bringen.

Nachhaltigkeit ist Vielfalt

Das Umweltbundesamt fasst unter den Begriffen viele Einzelindikatoren zusammen. Unter „Ressourcenleichtigkeit“ fallen nicht nur biotische und abiotische Faktoren, sondern auch die Wassernutzung, Landnutzung und Ökosystemleistungen. Immisionsneutral bezieht sich nicht nur auf die Treibhausgase, sondern auch auf Lärm und Strahlung, und die ökologische Gerechtigkeit beinhaltet, Belastungs-, Verteil- und Teilhabegerechtigkeit.
Die ganze Welt sucht nach ähnlichen Modellen. Bis zum Jahr 2015 gelten noch die Millenniumsentwicklungsziele, die für die Post-2015-Ära um Sustainable Development Goals erweitert und fortgeführt werden sollen. Europa suche nach sozioökonomischen Kriterien jenseits des BIP, Kriterien für Gesundheit, Integration oder Klima. Deutschland hat mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie ein eigenes Forum eingerichtet.
Es gibt keinen Mangel an Systemen und Indikatoren, so Dr. Kristof. Das größte Problem sei die Art der Darstellung, die den Menschen in seinem Alltag erreicht und dem Verbraucher sogleich ein Bild über den Fortschritt vermittelt. Sie lesen über BIP, DAX, die Arbeitslosenquote, finden aber keine Kriterien für ihre Lebensqualität.
Die wird unterschiedlich bemessen werden, ist nicht übertragbar und emotional ausgelegt. Gerne werden Leser von „Bruttosozialglück“-Autoren umschmeichelt. Den Autoren fehlt es allerdings an den messbaren Kriterien, die nicht nur den Augenblick des Glücks festhalten.

Das Glück managen

Letztlich soll über ein Indikatorenset oder ein Berichtwesen den Gesellschaftszustand lenkbar machen. Wo etwas aus dem Ruder läuft, muss nachgeregelt werden können. Beispielsweise mit Blühstreifen als Bienenweide für die Biodiversität.
Daniela Kolbe benennt die Vorlagen: Das Wohlstandsquartett aus Pro-Kopf-BIP, Einkommensgerechtigkeit 80/20, gesellschaftliche Ausgrenzungsquote und ökologischer Fußabdruck im Verhältnis zur Biokapazität.
Die Enquete-Kommission hat sich fraktionsübergreifend derzeit auf ein Drei-Säulenmodell geeinigt. Ein System soll den materiellen Wohlstand, die soziale Teilhabe und die ökologische Nachhaltigkeit abbilden. Und zwar so, dass auch die künftigen Generationen die Werte genießen können.
Das Modell, das für die Politik eine Handlungsempfehlung sein will, sollte sich nicht gegen den allgemein akzeptierten Dreiklang „Ökonomie, Ökologie und Sozial“ stellen, der mit dem Begriff Nachhaltigkeit beschrieben wird. Ein Vorschlag subsummiert viele einzelne ökologische Indikatoren auf drei Akkumulationssenken: Alles was nicht abgebaut wird, verbleibt im Boden, der Atmosphäre oder wird ins Meer gespült. Zusammen mit dem „Königsindikator“ Biodiversität könnte ein umfassendes ökologisches Abbild erstellt werden.
Weltweit gibt es noch andere Vorschläge: Die 2000-Watt-Gesellschaft, der Human Development Index oder das Sechs-Tonnen-Volumen, das den verfügbaren Ressourceneinsatz pro Kopf darstellen könnte.
Eine Stimme aus der Industriebemängelte jedoch, dass am Ende des Prozesses ein Logo für den Verbraucher, ein Indikator für die Medien, aber noch kein Ansatz für ein Unternehmen gewonnen ist.

Roland Krieg

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