Wie viel Technik verträgt die Ökobranche?

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Kaltes Plasma und Nanotechnologie für den Ökomarkt?

Der Ökolandbau ist eine Systemlandwirtschaft zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und setzt naturnahe Produktionsverfahren ein. Demgegenüber ist die Ernährung stark kulturell geprägt. Der Hersteller von Ökolebensmitteln sitzt im Zwiespalt, sagte Dr. Alexander Beck von der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller. Die AÖL hat zu Beginn der BioFach zu einem Dialog gebeten, ob neue Technologien für die Lebensmittelindustrie zu Ökoprodukten passen, oder abträglich sind. Die Hersteller geben sich Mühe, an Bewährtem festzuhalten und sind bei Neuem zuerst einmal abwartend.

Konkret ging es um den Einsatz von Kaltem Plasma und Nanotechnologie. Beide Referenten betonten die Natürlichkeit der Verfahren. Mit kaltem Plasma werden vor dem Bedrucken alle Kreditkarten behandelt, erklärte Prof. Dr. Peggy Braun vom Institut für Lebensmittelhygiene der Universität Leipzig. Auch Kerzenlicht erzeugt diesen Aggregatzustand, bei dem ein Gas durch Zuführung von Energie in ein Plasma verwandelt wird. Das bei Raumtemperatur wirkende Plasma führt bei Fleisch, Gemüse, Eiern und Fisch nachweislich zu einer deutlichen Reduzierung von Mikroorganismen wie E. coli, Salmonellen oder Campylobacter. An diesen Mikroben erkranken jährlich Tausende von Menschen und forderten vor einigen Jahren mit dem Ausbruch von EHEC 57 Todesfälle.

Das Plasma kann nachweislich die Oberfläche von Äpfeln und Eiern verändern. Wird aber der Abstand der Plasmaquelle von acht auf 12 mm erhöht, kann das vermieden werden. Neben der Reduktion von Mikroben, findet keine Resistenzbildung der Krankheitserreger statt, der Einsatz ist energieeffizient und rückstandsfrei. Widersprüchlich sind jedoch wissenschaftliche Arbeiten über die Lebensmittelqualität, Toxizität und Allergenität. Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung sind mit Kaltem Plasma behandelte Lebensmittel nicht zulassungspflichtig.

Prof. Dr. Ralf Greiner vom Max-Rubner-Institut zählte zahlreiche natürliche Nanomaterialien vom Bierschaum bis zum Pudding auf. Jedes Koagulieren, Emulgieren und Homogenisieren erzeugt Nanostrukturen. Die wichtigsten Zulassungsregeln der EU enthalten keine endgültige Definition zur Nanotechnolgie. In der Verordnung 1169/2011 „Information der Verbraucher zu Lebensmitteln“ hingegen seien große Nanostrukturen auch über 100 Nanometer enthalten und umfasse alle möglichen Anwendungen. Das sei ein Grund, warum die Nanotechnologie in Europa im Bereich der Lebensmittelherstellung so zurückhaltend eingesetzt werde. Wissenschaftlich offen sind Antworten nach dem Verbleib von eingesetzten Nanopartikeln, die Wirkung auf den Darm und die im Körper.

Ein endgültiges Votum für oder gegen diese technologischen Neuerungen war in Nürnberg nicht zu erwarten. Die Branche selbst setzt Hilfsstoffe und Zutaten zurückhaltend ein, betont eine möglichst naturnahe und minimale Verarbeitung. Am Ende müssen die Kunden die eingesetzten Techniken akzeptieren. Ob die Lebensmittelverarbeitung vom Anbau ökologischer Rohstoffe getrennt betrachtet werden sollte, blieb ebenfalls offen. Es fehle ein ausreichendes „Wording“, ein „Glossar“ über die verwendeten Begriffe, damit die gesamte Kette zu einer abschließenden Beurteilung kommen kann.

roRo

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