Wirtschaften mit Afghanistan
Handel
Afghanistan geht auch anders
Afghanistan ist derzeit nicht das attraktivste Fleckchen Erde. Vorrückende Taliban und die „Endlos-Mission“ der Bundeswehr stehen in den Schlagzeilen über das Nachbarland von Iran und Pakistan. Zuletzt forderte ein Attentat mehr als 80 Tote in Kabul. Dennoch versuchen die Menschen auch über wirtschaftliche Aktivitäten ein Stück Normalität und Zukunft aufzubauen.
Afghanistan wird am 29. Juli das 164. Mitglied der Welthandelsorganisation WTO. Anfang Oktober findet in Brüssel eine große Afghanistan-Konferenz zur politischen Unterstützung und wirtschaftlichen Ordnung statt. Die politischen Unsicherheiten und die „prekäre Sicherheitslage“ (Germany Trade & Invest) haben das Wirtschaftswachstum auf 3,7 Prozent, nahezu ein Drittel des Wertes von 2012 abgebremst. Für 2014 dürfte es noch schlechter ausgefallen sein. Investitionen sind schwierig, weil die Regierung Steuern und Zollabgaben nur zögerlich eintreibt und das Haushaltseinkommen mindern.
Dabei könnte das Land mit seinen Bodenschätzen im Wert von geschätzten einer Billion US-Dollar und durch seine strategische Marktlage deutlich reicher sein. Dreistellige Millionen-Beträge fließen in Infrastrukturprogramme für Straßen und Bewässerung.
Trauben, Honig und Exporte
Innerhalb der schwierigen Rahmenbedingungen erwartet das Land die höchste Erntemenge an Tafeltrauben, von denen Afghanistan rund 40.000 Tonnen zu exportieren hofft. Aktuell gehen täglich 50 Tonnen nach Pakistan. Nach afghanischen Medienberichten soll das Volumen innerhalb weniger Tage auf 150 Tonnen steigen. Pakistan und Indien nehmen 97 Prozent der afghanischen Traubenernte ab. Der Rest geht nach Saudi Arabien.
Frischobst verlässt das Binnenland Afghanistan derzeit noch über Pakistan und seinen Hafen in Karatschi. Die afghanische Regierung ist jedoch bemüht, den iranischen Hafen Chabahar im Südwesten des Landes am Golf von Oman nutzen zu können. Damit könnte die afghanische Landwirtschaft größere Märkte erreichen und spekuliert offenbar auf einfachere bürokratische Hindernisse, die Pakistan bereit hält. In den Blickpunkt der Afghanen rücken die Märkte in Südostasien.
Das Ministerium für Landwirtschaft, Bewässerung und Tierhaltung hat derzeit 14 Projekte innerhalb des Landes aufgelegt. Es geht dabei um einige städtische Abwässerkanäle, aber auch um insgesamt 1.500 acres (etwa 600 Hektar) Fläche für den wirtschaftlich lohnenden Anbau von Safran in den Provinzen.
Erfolge hat das Land bereits in der Honigproduktion erzielt. Rund 5.000 Tonnen verbrauchend die Afghanen pro Jahr. Vor zwei Jahren lag die Honigproduktion noch bei 1.000 Tonnen. In diesem Jahr hat sich die Eigenproduktion verdoppelt. In zehn verschiedenen Verbänden sind 23.700 Imker registriert. Darunter auch 652 Frauen. Was für den Eigenverbrauch an Honig fehlt wird überwiegend aus dem Iran, Saudi Arabien, Pakistan und einigen europäischen Ländern sowie der USA importiert.
Eines der größten Geschäfte wurde nach afghanischen Wirtschaftsmedien gerade mit Indien abgeschlossen. Mit einem Anfangsvolumen von 10.000 Tonnen kauft der Subkontinent Linsen aus Afghanistan. Das Landwirtschaftsministerium hat bekannt gegeben, dass Afghanistan entsprechend dem Bedarf die Linsenproduktion noch erhöhen kann. Überhaupt ist Indien nach Pakistan der zweitwichtigste Handelspartner. Im Wirtschaftsjahr 2014/15 konnten afghanische Händler Waren im Wert von 684 Millionen US-Dollar exportieren. Mit Hilfe der amerikanischen Hilfsorganisation USAID haben dieses Jahr 40 afghanische Erzeuger auf der Messe „Made in Afghanistan“ in New Delhi teilgenommen. Nach Indien gehen Aprikosen, Nüsse, Tafeltrauben, Äpfel und Granatäpfel.
Ein langer Weg
Die Weltbankgruppe hat dieses Frühjahr mit dem Bericht „Afghanistan Systemic Country Diagnostic“ politische Schocks und Naturkatastrophen für die weiterhin bestehende Armut in den nordöstlichen Regionen ausgemacht, in denen das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung tätig ist. Dort gibt es weiterhin eine prekäre Arbeitssituation, die kaum Stabilität verspricht. Überflutungen, Erdrutsche und die Unzulänglichkeit in diesen Provinzen mit alpiner Topografie erschwert die Entwicklungstätigkeit, wie das BMZ auf Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen berichtet. Im Bereich der Landwirtschaft zielt die Bundesregierung auf eine Verbesserung der staatlichen Agrarverwaltung und privater Dienstleistungsanbieter ab. Ziel ist Erhöhung der Produktivität und Steigerung der Wertschöpfung. Entlang der Wertschöpfungsketten fehlt es an Lagermöglichkeiten, Kühlketten und Bewässerung.
Roland Krieg