Wirtschaftsfaktor neue Energien

Handel

Standortfaktor Energiekosten?

Der deutschen Industrie geht es so gut wie lange nicht mehr: Die Beschäftigung ist hoch wie nie, Exporte erreichen neue Rekordwerte und Basisindustrien wie die Stahlbranche rechnen für 2014 mit Zuwächsen. Dazu leisten auch die Erneuerbaren Energien einen wesentlichen Beitrag, sie sind aus dem Portfolio deutscher Industrieprodukte nicht mehr wegzudenken. Die Erneuerbaren bieten nicht nur den namhaften deutschen Herstellern von Energieerzeugungsanlagen zukunftsträchtige Absatzmärkte im In- und Ausland, sondern versorgen auch zahlreiche mittelständische Zulieferbetriebe mit Aufträgen. Gleichzeitig reduzieren sie die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Energieimporten und tragen so zur Versorgungssicherheit bei. Pro Jahr sparen Erneuerbare Energien schon jetzt 10 Milliarden Euro an Importkosten ein und sorgen für eine inländische Wertschöpfung in Höhe von rund 17 Milliarden Euro.

„Erneuerbare Energien und Industrie sind zwei Seiten derselben Medaille“, betont Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. Umso unverständlicher sei es, wenn von manchen Kritikern versucht werde, einen Gegensatz zwischen Erneuerbaren Energien und Industrieproduktion in Deutschland aufzubauen: „Es ist widersinnig, den Ausbau Erneuerbarer Energien bremsen zu wollen, um den Industriestandort Deutschland zu stärken. Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Co. sind längst zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor in Deutschland geworden, der Umsätze und Wertschöpfung im Milliardenbereich generiert und hunderttausende zukunftssichere Arbeitsplätze schafft“, betont Vohrer.

Zudem senken Erneuerbare Energien den Strompreis für die Industrie spürbar. „Der Industriestrompreis für die energieintensiven Unternehmen ist in Deutschland nicht zuletzt dank der Erneuerbaren Energien mittlerweile niedriger als in den meisten europäischen Nachbarstaaten“, so Vohrer. Da die energieintensive Industrie ihren Strom häufig direkt an der Strombörse einkauft, gilt es dabei auf die Börsenstrompreise zu blicken: Im Jahr 2013 kostete eine Kilowattstunde am Spotmarkt im Schnitt 3,78 Cent. Ein Grund dafür ist die zunehmende Einspeisung Erneuerbarer Energien. In Frankreich kostete das gleiche Produkt im selben Jahr dagegen 4,3 Cent, in Italien und Großbritannien sogar 6,2 Cent. In den Vereinigten Staaten steigen die Börsenstrompreise seit dem Jahr 2012 wieder an und liegen in manchen Regionen ebenfalls über dem deutschen Niveau. Auch die Strompreise im außerbörslichen Handel werden immer günstiger. Für die Jahre 2015 bis 2017 kostet der Strom bei direkten Lieferverträgen laut dem Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) zwischen 2,68 und 4,28 Cent pro Kilowattstunde.

Während hunderte energieintensive Betriebe, auf die etwa die Hälfte des industriellen Stromverbrauchs entfällt, zudem auch weiterhin auf großzügige Entlastung von der EEG-Umlage hoffen dürfen, sieht die Lage im industriellen Mittelstand und produzierenden Gewerbe anders aus: Die Strombezugskosten sind hier höher, Steuern und Umlagen müssen häufig in voller Höhe entrichtet werden. Allerdings spielen die Energieausgaben in den meisten Branchen nur eine untergeordnete Rolle. Durchschnittlich machen die Energiekosten – wovon die Stromkosten wiederum nur ein Teil sind – lediglich 2,2 Prozent der gesamten Produktionskosten aus.
„Die Qualität eines Wirtschaftsstandortes definiert sich ohnehin nicht nur über die Energiekosten“, betont Vohrer. „Standortentscheidungen fallen stets auf der Grundlage mehrerer Faktoren. Deutschland kann mit entscheidenden Schlüsselqualitäten punkten: Eine leistungsfähige Infrastruktur, hoch qualifizierte Arbeitskräfte, eine innovative Forschungslandschaft und ein dichtes Netzwerk aus Zulieferbetrieben. Auch die Versorgungsqualität der deutschen Stromnetze ist weltweit Spitze.“ Hierzulande fällt der Strom nur etwa 15 Minuten pro Jahr aus. In den Vereinigten Staaten sind es 240 Minuten, was dort laut Regierungsangaben jedes Jahr volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von über 60 Milliarden US-Dollar verursacht.

„Fakt ist: Die von manchen Wirtschaftsvertretern beschworene Deindustrialisierung findet in Deutschland nicht statt“, stellt Vohrer fest. Der Industrieanteil an der deutschen Wirtschaft nimmt sogar zu: 2012 lag der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung in Deutschland bei 25,8 Prozent. Im Jahr 2000 waren es 25,2 Prozent. EU-weit ist der Anteil im gleichen Zeitraum hingegen von 22 auf 19,1 Prozent gefallen. Im „Atomstromland“ Frankreich kommt die Industrie nur auf einen Anteil von 12,5 Prozent. In Finnland ist der Industrieanteil trotz äußerst niedriger Industriestrompreise am stärksten gefallen, zwischen 2000 und 2012 von 28 auf 19 Prozent. „In allen einschlägigen Rankings zur Attraktivität der internationalen Wirtschaftsstandorte schneidet Deutschland hervorragend ab. Die Wettbewerbsfähigkeit ist in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Von einem schleichenden Niedergang der deutschen Wirtschaft kann – auch dank der Erneuerbaren Energien – keine Rede sein“, so Vohrer.

AEE

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