WTO in Hongkong II
Handel
Illegale Subventionen und Klagerecht
>Gestern stand die WTO Verhandlungsrunde in Hongkong kurz vor einem Abbruch, wie zuletzt in Mexiko vor zwei Jahren. Verlassen wollten den Gipfel die Europäer, weil es vor allem im Streit um Agrarsubventionen keine Einigung gibt. Möglicherweise zeichnet sich jetzt aber bereits ein Verhandlungsergebnis ab, dass zumindest Exporterleichterungen den ärmsten Länder zugesteht. 32 Länder sollen ohne Zölle und Importquoten ihre Waren exportieren können. Ob das als Erfolg angesehen werden wird, bleibt fraglich. Da die laufende Doha-Runde eine verabredete Entwicklungsrunde zugunsten der armen Länder sein sollte, ist der Entwurf für die ärmsten Länder ein Vorteil - aber da die EU sich weigert ein konkretes Datum für den Abbau der Exportsubventionen zu benennen, wird sich in der nördlichen Agrarpolitik nicht viel ändern.Subventionen
Verbraucherminister Horst Seehofer forderte vor Beginn der Verhandlungsrunde: "Am Ende der Verhandlungen muss ein Ergebnis stehen, dass zu einer Liberalisierung mit Augenmaß führt und das europäische Modell einer multifunktionalen Landwirtschaft respektiert."
Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam veröffentlichte Anfang Dezember eine Studie über illegale Subventionszahlungen in den USA und Europa. Für elf untersuchte Agrarprodukte, Mais, Reis, Sorghum, Fruchtsaft, Dosenfrüchten, Tomaten, Milchprodukte, Tabak und Wein zahlen die beiden Wirtschafträume 9,3 bzw. 4,2 Milliarden US-Dollar an die Bauern. Unter den handelsverzerrenden Maßnahmen leiden nicht nur die ärmeren Länder Malawi und Mosambik, sondern auch handelsstarke Länder wie Brasilien und Mexiko.
Oxfam fand heraus, dass die amerikanischen Maisbauern in den letzten fünf Jahren eigentlich 20 Milliarden Dollar weniger eingenommen hätten, aber eine Überkompensation der Regierung in Höhe von 25 Mrd. Dollar erhalten haben. Ohne Subvention wäre der Maisanbau in den USA um 15 Prozent zurückgegangen. Damit verbunden wäre der Weltmarktpreis durch ein geringeres Handelsvolumen um sieben Prozent gestiegen, was Mexiko, Honduras, Peru und Venezuela, Paraguay und Südafrika Mehreinnahmen von vier Milliarden Dollar beschert hätte.
Zwischen 2000 und 2004 zahlte die US-Regierung jährlich durchschnittlich 1,2 Mrd. $ an seine Reisbauern, was nach Angaben Oxfams 99 Prozent des Gesamtwertes an Reis entspricht.
Auch die Europäer subventionieren erheblich: Die Tomatenverarbeiter in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal erhalten rund 300 Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht etwa 65 Prozent des Erntewertes und ermöglicht es den Bauern, der weltgrößte Tomatenmarkexporteur zu sein. Südafrika, Tunesien und Chile zählt Oxfam zu den Verlieren dieser Politik. Außerdem subventioniert die EU ihre Milchindustrie mit 1,5 Milliarden Euro zur Herstellung von Molkereiprodukten. Argentinien, Brasilien und Uruguay könnten hingegen auch Butter exportieren, wenn nicht die europäischen Exportsubventionen den Weltmarktpreis drückten. EU-Butter wird zu Dumpingpreisen direkt in Ägypten, Marokko und Südafrika eingeführt.
Wer gewinnt in Brasilien?
Brasilien ist im Welthandel ein äußerst umstrittenes Land, weil es sehr viele arme Familien und landlose Bauern gibt, aber gleichzeitig auch eines der am stärksten exportierenden Wirtschaften im Agrarsektor ist.
Eine OECD Studie über Brasilien zeigte, dass eine weltweite Kürzung aller Zölle und Subventionen, sowie eine Kürzung um die Hälfte aller Beihilfen in den OECD-Ländern, dem Land einen Wohlfahrtsgewinn von 1,7 Milliarden US-Dollar bescheren würde. Das entspricht 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Allerdings würden vor allem die 15 Prozent der Großbetriebe von dem Gewinn profitieren und nicht die Masse der Familienbetriebe.
Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) beträgt das Exportvolumen Brasiliens für den Agrarbereich 31 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2000 war es nur halb so hoch. Damit nimmt das südamerikanische Land hinter den USA und der EU Platz drei in der Statistik ein. Brasilien exportiert hauptsächlich Sojabohnen, Fleisch, Zellulose und Holz, Zucker, Kaffee und Obstsaft, weswegen es für den DBV "wenig Sinn" mache "Brasilien die gleichen Handelsvorteile einzuräumen wie den ärmsten der armen Entwicklungsländern". In die EU fließen 41 Prozent des brasilianischen Handelsstromes. Danach folgen China und Russland. Krisen durch Hyperinflation und hohe Auslandsschulden gehören nach Sicht des DBV in Brasilien der Vergangenheit an und befürchtet dass der noch überwiegende Grünlandanteil in Ackerland umgebrochen wird und bald zusätzlich 100 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung stehen. Deutschland hat im Vergleich dazu 11 Millionen Hektar Ackerland. Zudem begünstigt das Klima in Brasilien zwei bis drei Ernten pro Jahr. Allerdings sieht auch der DBV, dass es das Land bisher versäumt hat "vielen Millionen armen Kleinbauern und Landarbeitern eine Zukunftschance zu eröffnen. Die Förderung von Kooperationen und eine Landreform mit dem Zugang zu Eigentum für die Landlosen ist eine noch weitgehend ungelöste Aufgabe."
Klagerecht bei der WTO
Brasilien hat es im Bereich der Zuckermarktordnung der EU vorgemacht. Bei der WTO gibt es ein Klagerecht gegen ungerechten Handel. Phil Bloomer, Leiter der Oxfam-Kampagne "Make Trade Fair" sieht in den Subventionen der Industrieländer einen Klagegrund, "weil sie Exporte aus Entwicklungsländern verdrängen, Marktpreise drücken und die Industrie anderer Länder schädigen."
Zu den wichtigsten Errungenschaften der vergangenen Uruguay-Runden der WTO gehört das Streitschlichtungsverfahren. Bevor ein formelles "dispute settlement procedure" eingeleitet werden kann, müssen die Streitparteien zunächst bei formellen Konsultationen eine Einigung versuchen. Gelingt das nicht, dann wird ein in der Regel dreiköpfiges Expertengremium (Panel) eingesetzt, dass eine Verletzung der Handelsregeln in einem Bericht feststellen muss. Das Panel spricht auch Empfehlungen aus, wie der Streit zu beenden ist. Nach einem möglichen Berufungsverfahren muss die unterlegene Partei die ausgesprochenen Empfehlungen innerhalb von 15 Monaten umsetzen. Geschieht das nicht, dann kann die Partei, die das Verfahren gewonnen hat, handelspolitische Zugeständnisse gegenüber der unterlegenen Partei in dem so genannten Retorsions-Verfahren zurücknehmen. Ohne Autorisierung der Streitschlichtungsstelle ist das nicht erlaubt. Zuletzt hat die EU im Zuckerstreit das Schlichtungsverfahren verloren. Gewonnen hatte sie vormals bei Geflügelfleischimporten aus Brasilien und bei der Alkoholbesteuerung in Asien.
Phil Bloomer weist allerdings darauf hin, dass der Schlichtungsmechanismus teuer und kompliziert ist und daher nur als letztes Mittel in Frage kommen soll: "Der Weg, den Welthandel im Sinne der Entwicklung zu reformieren, sollte über den Verhandlungstisch führen und nicht über den Gerichtssaal." Hier werden dann auch die Grenzen der WTO-Runde deutlich: Marktzugang alleine ist für die Entwicklungsländer kein Allheilmittel.
VLE