Zeitenwende in der Regionalförderung
Handel
Europas Regionalförderung neu aufgestellt
Die unterschiedlich entwickelten Regionen in der EU
sollen einander näher kommen. Das wird mit der Regionalpolitik versucht. Doch
die vielen Gelder aus Brüssel waren in der Vergangenheit nicht inhaltlich
orientiert gewesen, räumte der österreichische EU-Kommissar für Regionalpolitik
Johannes Hahn am Freitag in Berlin ein. So wurde der Ausbau des
Hochgeschwindigkeitsnetzes bei der spanischen Bahn genauso gefördert, wie der
Bau von Regionalflughäfen, die mittlerweile in einem Nutzungswettbewerb stehen.
Die neuen Strukturfondsprogramme für den neuen
Förderzeitraum 2014 bis 2020 wollen nun alles anders machen und haben vorab
schon Lob von Prof. Michael Wohlgemuth erhalten, der in einer Studie „Knapp
daneben bis voll vorbei“ die alte Förderung kritisiert. „Jetzt aber geht es in
die richtige Richtung!“
Ziel Europa 2020
Die Projekte waren unterschiedlich erfolgreich und
mehrten oder minderten das eingesetzte Geld. Prof. Wohlgemuth gab den
Multiplikatoreffekt der Finanzmittel zwischen 0,8 und 1,2 an. In wachsenden
Regionen hatten Fördermittel den Boom unterstützt, was aber der Kohäsionspolitik
widerspricht. Die soll ja den wenig entwickelten Regionen die Chance zum Aufholen
geben.
Künftig werden die Gelder an Auflagen gebunden sein.
Wer beispielsweise seinen Hafen ausbauen will, der muss auch nachweisen, dass
es eine Hinterlandanbindung gibt, damit möglichst viele von dem neuen
Frachtaufkommen profitieren können, so EU-Kommissar Hahn. Es werden quantifizierbare
Kriterien, wie das BIP oder die Arbeitslosenzahlen, aufgestellt, die einen
Erfolg dokumentieren können. Die Strukturfonds sind an das politische Ziel der
EU 2020-Strategie geknüpft worden:

Insgesamt stehen in den nächsten sieben Jahren 275 Milliarden Euro für die 28 EU-Mitgliedsländer zur Verfügung. 70 Prozent werden in die 20 Prozent der ärmsten Regionen fließen. Die neuen Energien stehen dabei im Fokus. Die EU habe ohne den Import an fossilen Energieträgern eine positive Handelsbilanz. Jede Rechnung weniger für Öl und Gas lässt das Geld in den Regionen.
Warum der Umweg über Brüssel?
Deutschland sammelt aus dem chronisch klammen Berlin
Europagelder, die der Senat über Projekte wieder zurückerhalten kann. Warum der
Umweg? Reiche Länder sollten doch verantwortungsbewusst mit ihren Regionen
umgehen, zumal die Politiker sich alle vier bis fünf Jahre einer Wahl stellen
müssen? Nicht nur Johannes Hahn ist skeptisch. 146 von 151 Regionen haben in
einem Appell das Beibehalten der EU-Förderung eingefordert. Die Regionalmanager
glauben nicht, dass die eigenen Länder wegfallende EU-Finanzen kompensieren
werden. Hahn sieht bei der EU sogar eine „Aufsichts-Funktion“, dass die Gelder
die wirklich wenig entwickelten Regionen erreichen. Der europäische Gedanke spiegelt
sich nicht in der Gleichung, Nettozahler ist gleich Nettoempfänger, wider, sondern
doch mehr im Teilen des Mantels mit dem Armen.
Die Strukturfonds sind zudem auf sieben Jahre ausgelegt
und bieten Investoren mehr Planungssicherheit als die nationalen
Legislativperioden, bemerkt Hahn.
Die reichen Regionen sollen aber nicht ganz auf
EU-Gelder verzichten. Wohlgemuth und Hahn waren sich einig, dass die EU damit eine
Chance hat, sich vor Ort zu präsentieren, was wiederum die Akzeptanz der
Staatengemeinschaft erhöht. Die blauen Förderschilder machen „Europa sichtbar“.
Doch besser wäre es, so Wohlgemuth, dass aufgeschrieben wird, wer zahlt an wen
wie viel und was hätte mit dem Geld sonst noch gemacht werden können? Allerdings
räumt der Professor ein, dass Opportunitätskosten schwer zu berechnen sind.
Lesestoff:
Wohlgemuth, Michael: Knapp daneben bis voll vorbei (November 2012) www.openeuropeberlin.de
Kohäsionsplotik 2014 bis 2020: Investieren in Wachstum und Beschäftigung http://ec.europa.eu/inforegio
Roland Krieg