Zukunft Bioprodukte

Handel

Wer sind die Käufer, welche Anforderungen an den Handel?

>„Jeder redet von Bio“, während im letzten Jahr der Handel stagnierte. Auf dem Symposium über die Marketingstrategien und Trends für den Biohandel im Rahmen der ANUGA 2005 sieht Christoph Soika von der Beratungsagentur CSC, dass der traditionelle Lebensmitteleinzelhandel (LEH) Bio als Wachstumsmarkt für sich entdeckt. Europaweit liegt der Umsatz für Bioprodukte bei 10,6 Milliarden Euro – für die Bundesrepublik rechnet er 3,5 Milliarden vor. Hinter jeder Steigerung um einen Prozentpunkt steckt eine große Summe. Dabei heizte die BSE-Krise den Biomarkt erst richtig an und selbst die Euroeinführung und der Nitrofenskandal im Biobereich ließen noch 10 Prozent Wachstum zu. Das lag vor allem an der Markteinführung von BioBio beim Discounter Plus.

LEH auf dem Vormarsch
In den letzten sieben Jahren konnte der konventionelle LEH seinen Marktanteil an Bioprodukten auf 36,6 Prozent steigern und liegt damit vor dem traditionellen Naturkostfachhandel mit 25,7 Prozent. Verschlafen haben die Reformhäuser diesen Trend, so Soika: Der Anteil am Biomarkt sank zwischen 1997 und 2004 von 10 auf 7,7 Prozent. Dabei steht der konventionelle LEH bei dieser Entwicklung erst am Anfang. Soika prognostiziert in der nächsten Zeit ein jährliches Wachstum von 18 Prozent. Der LEH solle sich dabei nicht um spezielle Biokunden bemühen, sondern um den Kunden, den er bereits in seinem Laden hat. Bioprodukte gehören in den Premiumwarenbereich, der auf Kosten des Mittelpreisniveaus in den letzten Jahren deutlich zunehmen konnte. Unverändert stark ist die Attraktivität der Discounter, die einen Marktanteil von rund 40 Prozent an allen Lebensmitteln halten.
Angesprochen werden soll der Kunde, der mittlerweile hauptsächlich für sich kauft, der seinen persönlichen Genuss befriedigen möchte. Mit Bioprodukten kann er „nebenbei“ noch etwas für die Umwelt tun. Die neue Kundschaft lässt sich nicht mehr kategorisieren, was Auswirkungen auf die Läden und das Sortiment haben wird. Die Geschäfte werden neben konventioneller Ware auch ein eigenes Biosortiment anbieten und dieses wird sich mit den Begrifflichkeiten „Wellness“ und „Gesundheit“ erweitern. Als Folge sieht Soika einen Preiskampf am Biomarkt, bei dem es zu Geschäftsübernahmen kommen wird und der deutsche Markt auch für ausländische Investoren an Attraktivität gewinne. Die Hersteller werden feststellen, dass die Konkurrenz nicht von dem Mitbewerber komme, sondern vom Bioprodukt im eigenen Regal.

Biosupermärkte
Der belgische Unternehmensberater Carol Haest begutachtete die Entwicklung der Bio-Supermärkte. Die großen wie Alnatura oder Erdkorn erzielen bereits Umsätze von 6.000 Euro je Quadratmeter Geschäftsfläche. Mit Whole Foods aus Austin in Texas gibt es ein international agierendes Unternehmen, dass sich in Europa bereits eingekauft hat. Die modernen Bio-Supermärkte bieten mittlerweile rund 8.000 ständig vorrätige Produkte an und bieten mit einer Tee- und Kaffeeecke und Kinderfreundlichkeit einen besonderen Service für die Kunden. Ziel wird es sein, dass auf 30.000 Einwohner ein Bio-Supermarkt kommt oder Bio einen festen Anteil von 10 Prozent im konventionellen LEH haben wird. Mehr wird er nicht schaffen, denn es fehlt ihm an vertikalem und horizontalem Konsens: Vom Händler über den Geschäftsführer bis hin zum Verkaufspersonal gäbe es kein einheitliches Interesse an Bioware, so Haest. Biosupermärkte werden mindestens 300 qm Fläche haben, um existieren zu können (s. dazu auch das Interview mit BÖLW-Vorstand Felix Prinz von Löwenstein von Herd-und-Hof.de).

LOHAS
Gedanken über die Kundschaft von morgen hat sich auch Dr. Winfried Fuchshofen gemacht, der ebenfalls Bio-Unternehmensberater ist und durch seinen Wohnort in Amerika einen Einblick auf den US-Markt offenbarte. Bio-Kunden lassen sich nicht mehr so einfach kategorisieren und werden mittlerweile weltweit auch als LOHAS bezeichnet. Die Abkürzung bezeichnet den „Lifestyle of Health and Sustainability“. In den Läden von Whole Foods sieht man überwiegend junge Mütter, Jogger in Trainingsanzügen und Senioren um die 60. Diese „haben mit den Beatles, LSD und den Black Panthern bereits einen gesellschaftlichen Umbruch mitgemacht“ und führen den Lebensstil des selbstbewussten Individualismus im Alter fort, so Dr. Fuchshofen. Der Bio-Siegel-Report im März hatte die LOHAS bereits auf dem deutschen Markt identifiziert und ein kreatives Verpackungsdesign für diese Zielgruppe empfohlen.
In Amerika gibt es allerdings auch einen spannungsreichen Trend: Die Biohersteller gehören konventionellen Unternehmen. Die mit einem Bekanntheitsgrad von 31,7 Prozent führende „Stonyfield Farm“ gehört zu 80 Prozent der Danone-Gruppe. Der Ketchup-Riese Heinz hat 16prozentige Anteile an Earth’s Best und Dean Foods gehören zu 100 Prozent „Horizon Organic“ und „Earthland Farmers“. Besonders kritisch sehen die amerikanischen Verbraucher Dean Foods, denn das Familienunternehmen ist sehr konservativ geführt, hat die Biobetriebe nach dem Prinzip des „shareholder values“ durchorganisiert und unterstützt als stramme Republikaner die Bush-Administration. Whole Foods setzt dabei auf einen neuen Trend, der sich in Amerika durchsetzt: Faire Produkte aus der Heimat. Dean Food-Waren gibt es nicht in ihren Regalen.

Roland Krieg

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