Zukunft des Bäckerhandwerks

Handel

Das deutsche Bäckerhandwerk

Seit 6.000 Jahren ist Brot eines der unverfälschtesten Lebensmittel, das den Menschen nährt und dem er offenbar nicht überdrüssig werden kann. Vor allem in Deutschland erfährt Brot durch seine Vielfalt eine besondere Wertschätzung. Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, erläuterte am Mittwoch in Berlin, warum das so ist: Durch Deutschand führten früh viele internationale Handelswege auf denen Reisende neue Rezepte und Getreidearten ins Land brachten. Die Gesellen tauschten auf der Walz regionale Rezepte aus und generell wuchsen in Nord- und Süddeutschland klimatisch und von der Bodenqualität her begründet verschiedene Getreidesorten. So ist Nordostdeutschland mit seinen leichten Böden noch heute Hauptanbaugebiet des Roggenanbaus. In mageren Zeiten haben die Bäcker gelernt, Pseudogetreide [1], wie Buchweizen zu verwenden, und haben auch dadurch die Brotvielfalt nach oben getrieben.

Strukturwandel

Heute schauen die Bäcker mit einem weinenden und einem lachendem Auge in die Zukunft. Der kleine Bäcker im eigenen Haus ohne Mietzins findet keinen Nachfolger mehr. Der Discount hat sich eine große Scheibe vom Brot gesichert und Auftaustationen erleichtern dem convenienten Kunden die Auswahl.
Das Bäckerhandwerk positioniert sich jedoch zwischen dem Szenarium wachsender Marktkonzentration im Preiswettbewerb und Erhöhung der Sortimentsvielfalt mit hoch qualitativer Ware zur Stärkung des handwerklichen Bäckers.
Seit 2005 hat sich die Zahl der Bäckereibetriebe von 16.741 auf 13.666 im Jahr 2012 um 20 Prozent reduziert. Die Zahl der Beschäftigten hingegen ist von 274.000 auf 290.000 angestiegen, wobei darin die Umschichtung von Vollzeit- zu Teilzeitverträgen enthalten ist.
Der Gesamtumsatz ist gestiegen. Lag er 2005 in der Branche noch bei 11,89 Milliarden Euro, so sind es im letzten Jahr 13,14 Milliarden Euro geworden. Nicht alles resultiert aus einer Preissteigerung. Nach Becker hat vor allem der Außer-Haus-Verzehr mit einer Milliarde Euro dazu beigetragen. Backwaren folgendem in diesem Marksegment dem Fast Food auf Platz 2.
Natürlich nehmen die Backstationen und Discountbäcker dem Handwerk Umsatz und Markt weg – aber in Bayern ist der Ausbau bereits zu Ende, so Becker. Auch in Baden-Württemberg gibt es nur noch wenige Regionen mit Entwicklungslücken. Es eröffnen sich sogar neue Geschäftsmodelle. Der Brot- und Brötchenshop im Discount schließt den Bäcker mit einer kleinen Gastronomie im Vorkassenbereich nicht aus.

Die Zukunft backen

Chancen für das Handwerk bietet nach Becker auch der demografische Wandel. Gerade im ländlichen Raum lohne sich eine weitere Ausbreitung der Supermärkte nicht mehr. Der „kleine Bäcker“ kommt wieder. Dabei entdecken die Bäckereien zusammen mit den Verbrauchern auch wieder alte Getreidesorten, wie das Gerstenbrot [2].
Aufgetischt wurde in Berlin ein salzarmes Brot. Der Salzgehalt in Lebensmitteln steht in der Kritik und trifft das Backhandwerk mitten in sein Selbstverständnis und seine Tradition, wie es Hauptgeschäftsführer Amin Werner beschreibt. In einer ersten Rezeptur wurde der Salzgehalt auf 1,23 Prozent gesenkt. Aber die grundsätzliche Frage bleibe: In Ländern mit salzfreiem Brot greifen die Menschen wegen des besseren Geschmackes auf gesalzene Butter zurück. Dort wo die Handwerksbäcker salzfreies Brot anbieten, verlören sie Marktanteile an die Industriebäcker, weil der Verbraucher nur noch den Preis als Unterschied ausmachen konnte.
Zuletzt hat das Max Rubner-Institut vermerkt, dass die Deutschen zu viel Salz zu sich nehmen [3]. Brot und Backwaren stehen demnach an erster Stelle. Aber, so grenzt Werner ein: Es kann nicht an einem Lebensmittel alleine liegen. Auf der einen Seite verlangen Experten salzarmes Brot, auf der anderen werde die Pizza weiter intensiv gesalzen. Die alleinige Betrachtung des Backhandwerkes sei nicht ausgewogen.

Junge Bäcker braucht das Land

Das Bäckerhandwerk führt seit mehr als einem Jahr die Ausbildungsinitiative „Helden der Nacht – Retter des Morgens“ durch Die Karriere-Seite auf Facebook steht nach BMW und der Bundeswehr auf Platz drei, vor der von anderen Automobilherstellern und der Lufthansa. Kürzlich wurde der 50.000. Fan verzeichnet.
Die Zahl der Auszubildenden ist seit 2007 rückläufig und liegt unter der aus dem Jahr 2005 mit 34.753. Im Jahr 2011 wollten sich nur noch 29.808 junge Menschen zum Bäcker ausbilden lassen. Das Bäckerhandwerk hat mit der Kampagne begonnen die Sekundärstufe I anzusprechen und wird in diesem Jahr auch die Gymnasiasten bewerben. Wer zwischen Abitur und Hochschule eine Ausbildung macht, hat nach Becker eine praxisbezogene Vorstellung von seinem Beruf. Die Zahl der Auszubildenden für 2012 liegt noch nicht vor. Es ist trotz Kampagne ein leichter Rückgang zu erwarten. Das liege aber daran, so Becker zu Herd-und-Hof.de, dass die Kampagne langfristig angelegt ist und nicht sofort in steigenden Ausbildungszahlen abgelesen werden kann.
Um noch mehr Augenmerk auf das Brot zu legen, wird das Backhandwerk am 12. Juni 2013 erstmals den Tag des Brotes in Berlin begehen. Dann wird auch ersichtlich, dass Bäckermeister Chancen im Ausland haben. Einige sind schon nach Asien in die Hotelerie gegangen, um den Gästen die deutsche Spezialitäten Brot und Brötchen nahe zu bringen.

Regionalkultur

Biomilch nach China, Thüringer Wurst nach Nordamerika: Deutsche Spezialitäten haben ihre Chancen, als Delikatesse auf ausländischen Tellern zu landen. Die Bäcker sind aber nicht Mitglied der GEFA, die für die Lebensmittelindustrie das Auslandsgeschäft anbahnt. Dafür sind die Bäcker zu klein und der Binnenmarkt ausreichend lukrativ. Nur vereinzelt bedienen Bäcker Auslandsmärkte, erläuterte Becker gegenüber Herd-und-Hof.de Auch umgekehrt ist der Zugriff ausländischer Bäckermeister auf den deutschen Markt noch gering. Es gibt in Luxemburg einen Industriebäcker, der auch gezielt für die benachbarten Regionen in Deutschland produziert. In der Summe ist das Backen heimisch und regionale Kultur.

Lebensmittelpreise

Die Bäcker kämpfen mit steigenden Energie- und Rohstoffpreisen. Hat ein mittelständisches Unternehmen mit 200 Mitarbeitern und einem Stromverbrauch von 1,3 Millionen kWh im Jahr 2003 noch eine Umlagenbelastung (EEG, Offshore-Haftung, KWK-Zuschlag und Stromnetzentgelt) von 6.630,00 Euro gehabt, liegen die Kosten in diesem Jahr bei 77.766,00 Euro.
Ob einzelne Bäckereien gestiegene Kosten an die Verbraucher weiter geben, vermochte Becker nicht zu sagen.
Was sich aber zunächst wie Jammern anhört, ist Schicksal aller Unternehmen der Ernährungsindustrie. Heute tagt die neue Plattform „Die Lebensmittelwirtschaft“. Auf der Agenda steht auch eine konzertierte Aktion der Gesamtbranche zu Lebensmittelpreisen. Angesichts knapper Ressourcen und steigender Nachfrage müsse man den Verbraucher auf die monetäre Wertschätzung der Lebensmittel aufmerksam machen. Nur billig und lediglich elf Prozent Anteil am Haushaltsbudget werde sich dauerhaft nicht aufrechterhalten lassen. Damit will sich die Plattform beschäftigen. „Da ist etwas zu erwarten“, verriet Becker Herd-und-Hof.de

Lesestoff:

www.baeckerhandwerk.de

[1] Pseudogetreide

[2] Gerstenbrot von Pema auf der Anuga 2011

[3] Kochsalzzufuhr zu hoch

Roland Krieg; Fotos: Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks

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