Zur Lage auf dem Milchmarkt
Handel
EU-Bericht zum Milchmarkt
>Zu viel Milch, zu viele Kühe. Die EU-Kommission hat heute mit ihrem Lagebericht zum Milchmarkt 13 Seiten gebraucht, um diese Ursache des desaströsen Milchpreises auf Erzeugerebene zu beschreiben. Daher konnte der Bericht auch nicht viel Neues beinhalten, stellte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus in einer ersten Stellungnahme fest. Daher entsprechen auch viele Politikvorschläge dem Ergebnis des Runden Tisch zur Lebensmittelkette in Deutschland. Hinsichtlich der Quotenpolitik folgt die EU den Health Check Beschlüssen. Keine Kehrtwende, keine Überraschung.Marktlage bis Juli 2009
Die EU hält in ihrem Bericht fest, dass die oft kritisierte Milchquotenerhöhung „nicht zu einer Steigerung der Milcherzeugung in der EU geführt“ habe. Als Grund für die tiefen Milchpreise führt die Kommission die nachlassende Nachfrage in der EU, der Welt im Rahmen der Finanzkrise und einen Anstieg der Milchproduktion namentlich in Neuseeland, Australien, Argentinien, Brasilien und bis vor kurzem in den USA an.
Bei einem EU-Durchschnittspreis von 24 Cent je Kilogramm Milch könnten die Milcherzeuger ihre variablen Kosten decken. Um dann noch zusätzlich einen höheren Anteil ihrer Fixkosten zu decken, produzierten die europäischen Milchbauern noch weiter.
Die Situation werde sich mindestens bis 2010 nur leicht erholen. Längerfristig jedoch werden die Aussichten für die Milchbauern „positiv beurteilt“. Zum einen trete eine wirtschaftliche Erholung ein, zum andern dürfte die Nachfrage nach Milcherzeugnissen mit höherer Wertschöpfung steigen.
Maßnahmen
Das Maßnahmepaket zur Stützung der Milchbauern schließt Ausfuhrerstattung und Intervention ein, Absatzförderung wie das Schulmilchprogramm und ein neu erscheinender vierteljährlicher Bericht zum Milchmarkt. Indirekt soll der Milchsektor umstrukturiert werden, indem Milchbauern über die Förderung des ländlichen Raums eine Einkommensdiversifizierung angeboten werde in benachteiligten Gebieten eine Marktstützung gezahlt werden kann. Weniger Milch und weniger Kühe kann auch über den Weg der Schlachtung von Milchkühen erreicht werden. Das wäre für die Kommission sogar der direkteste Weg – „aber nur zu erreichen, wenn für die Schlachtung der Kühe eine Gemeinschaftsbeihilfe gewährt wird.“ Eine Steuerfinanzierung hält die EU für nicht durchsetzbar.
Speziell zur Quote
An dem aktuellen Quotenfahrplan von Erhöhungen bis zur endgültigen Abschaffung im Jahr 2015 wird die Kommission nichts ändern. Der habe keine Effekte auf den Milchmarkt. Damit sind „Maßnahmen wie z.B. eine Quotenkürzung um 5 % oder ein Einfrieren der Quotenanhebungen“ ausgeschlossen.
Die EU erkennt aber die Quotenregelung als subsidiär an und gibt damit den Mitgliedsstaaten Handlungsspielraum. Wird die nationale Quotenmenge überschritten, können die Länder die Abgabeüberschüsse für eine freiwillige Betriebsaufgabe verwenden. Wird die betriebliche Quote überschritten, ohne das die nationale übererfüllt wird, dann können die Länder hohe Strafgelder auflegen.
Wichtig ist der Kommission festzuhalten, dass die Länder „eine beträchtliche Zahl von Instrumenten“ haben, den Milchbauern zu helfen. Die EU habe Optionen eingefordert, die im Rahmen des Health Check möglich sind. Eine grundlegende Änderung werde es nicht geben. Mehr noch: „Diese Politik in Frage zu stellen, würde nur Unsicherheit schaffen, den Umstrukturierungsprozess verzögern und den vielen Milcherzeugern, die klare Richtungsvorgaben für die Planung ihrer Zukunft benötigen, einen schlechten Dienst erweisen.“
Damit gibt die EU den Spielball zurück an die Mitgliedsländer, die nicht mehr hoffen dürfen, die Gemeinschaft werde unpopuläre Maßnahmen verhindern oder für sie übernehmen.
Die nahe Zukunft heißt: weniger Milch und weniger Kühe, also auch weniger Betriebe. Die weitere Zukunft heißt, dass die geringere Zahl der Betriebe von der erstarkenden Wertschöpfung profitieren.
Reaktionen
Mecklenburg-Vorpommern sieht sich in seiner Einschätzung bestärkt, auf das Ende der Quote zuzugehen und Vorsorge zu treffen. Mit der zeitlich befristeten Möglichkeit, die einzelbetriebliche Quote auszusetzen, sieht Dr. Backhaus „das französische Quotenmodell quasi EU-weit legalisiert“.
Als Teilerfolg bewertet Sachsens Agrarminister Frank Kupfer den Bericht. Die Landwirtschaft wird in den vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen auf Grund der Wirtschaftskrise aufgenommen, so dass je Betrieb bis zu 15.000 Euro möglich sind, sagte Kupfer. Unzufrieden zeigt er sich mit der Möglichkeit von Strafabgaben auf nationaler Ebene. Führten das nicht alle ein, käme es zu einer Wettbewerbsverzerrung. Diese Entscheidung habe die Verantwortlichkeit an die falsche Stelle gelegt.
Zusammen mit dem neuen französischen Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire hat Ilse Aigner Forderungen aufgestellt, weil die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht ausreichen würden. Aigner und Le Maire fordern darin den Aufbau einer wirtschaftlichen Organisation, „um den Erzeugern stabile und angemessene Einkommen zu garantieren, und um die Versorgungssicherheit für die Verbraucher zu sichern“. Erzeuger und Unternehmen sollten sich dabei auf freiwilliger Basis vertraglich binden. Ausgebaut werden müssten auch Forschung und Investitionen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu verbessern. Im September wollen Aigner und Le Maire weitere Vorschläge unterbreiten.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) vermisst absatzfördernde Maßnahmen im Bereich der Beihilfen für Bäckerbutter, Speiseeis oder für Sozialeinrichtungen. Die Schlachtung von Milchkühen hält der DBV für eine „kurzfristig wirksame Möglichkeit zur Marktentlastung“. Umgesetzt werden soll es EU-weit mit einer EU-Finanzierung. In Kombination mit einer Vorruhestandsregelung hält der DBV diese Maßnahmen für geeignet, Betriebe neu auszurichten.
Gegen eine „Abwrackprämie für Kühe“ wendet sich Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linken. Das sei keine „langfristige Milchpolitik, sondern allenfalls Sterbehilfe“. Tackmann warnt, dass mit jedem aufgegebenen Milchbetrieb Arbeitsplätze verloren gehen.
Marita Wiggerthale von Oxfam kritisiert den EU-Bericht als „politischen Offenbarungseid“. Anstelle einer Milchmengenregulierung habe die EU Exportsubventionen und Intervention eingeführt, den Milchpreis zu regulieren. Aus dem Bericht liest die Handelsexpertin heraus, dass die EU auf „weltmarktorientierte Milchpolitik“ setze, die zu Überschuss und niedrigen Preisen führe. „Dies treibt die Milchbauern hierzulande und in armen Ländern in den Ruin“, so Wiggerthale. „Wer in der Milchpolitik auf den Weltmarkt vertraut, baut auf Sand.“
Lesestoff:
Hier finden Sie ein Download der deutsche Fassung des Milchmarktberichts als PDF.
VLE