Zwei Milchmärkte

Handel

Milch: Bundesrat ohne Überraschung

Am Freitag hat der Bundesrat ohne Überraschung sämtliche Maßnahmen abgelehnt, die deutsche Milcherzeuger auf dem europäischen Milchmarkt benachteiligen könnten. Es wird keinen neuen Umrechnungsfaktor geben, keine Änderungen am Saldierungssystem und der EU folgend wird die Milchquote in Deutschland um weitere zwei Prozent erhöht. Bezogen auf den Ausstieg aus der Quote 2015 solle sich die Bundesregierung für einen EU-finanzierten Milchfonds einsetzen. Damit hat sich der Bundesrat über die letzten Appelle allesamt hinweggesetzt.

Ende Oktober hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) die EU-Kommission aufgerufen, vor der endgültigen Entscheidung zum Quotenende, die Auswirkungen besser zu untersuchen. Der Ausschuss wirft der EU vor, bislang kein schlüssiges Konzept für den Ausstieg vorgelegt zu haben.
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Verärgert
Der Bundesrat hat mit seinen Beschlüssen sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), der im Sommer den Milchlieferstreik gegen sinkende Preise und höhere Milchmengen initiiert hat ist sehr erbost: „Die Entscheidung des Bundesrates, die komplett an den aktuellen marktwirtschaftlichen Erfordernissen vorbeigeht und die desolate Situation des Marktes und damit der Erzeuger massiv verschärft, zeigt überdeutlich, dass wir unsere Forderungen nach einer flexiblen Mengensteuerung, mit der die Erzeuger schnell und flexibel auf sich ändernde Marktgegebenheiten reagieren können und ihre Produktion an der aktuellen Absatzsituation ausrichten können, weiter intensiv verfolgen müssen.“ So äußerte sich BDM-Vorstandsvorsitzender Romuald Schaber. Er fürchtet, dass viele Milchbauern in den Ruin getrieben werden, weil die Beschlüsse die Milchpreise weiter nach unten treiben.

Molkereistrukturen:
Friesland und Campina wollen fusionieren, doch die EU hat die Entscheidung bis zum 23. Dezember hinausgezögert.

Sinkende Preise im konventionellen Markt werden auch die Biomilchpreise nach unten ziehen, prognostiziert Bioland Präsident Thomas Dosch. Er forderte den Handel auf, seiner gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung nachzukommen und Milch aus heimischen Regionen zu bevorzugen. Die Ausrichtung der europäischen und nationalen Politik müsse sich an Umwelt- und Tierschutzziele ausrichten und dürfe die Entwicklung der Grünlandregionen nicht benachteiligen. Auch für Biobetriebe fürchtet Dosch ein Höfesterben. Ohne flächendeckende Landwirtschaft sei die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung nicht einzuhalten.
Für die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, Dr. Kirsten Tackmann, ist die „Entscheidung des Bundesrates eine Ohrfeige für Bäuerinnen und Bauern.“ Der Bundesrat habe eine Chance vertan, die Milchmenge in Deutschland zu reduzieren und damit die Preise zu stabilisieren. Die weltmarktorientierte Milchmarktpolitik gefährde auch Arbeitsplätze und die Umwelt in Entwicklungsländern.
Enttäuscht ist Bayerns neuer Landwirtschaftsminister Helmut Brunner. In der jetzigen Marktsituation sei die Entscheidung ein falsches Signal. „Wenn die zusätzliche Quote schon nicht verhindert werden kann, ist eine lineare Verteilung an alle Milcherzeuger die gerechteste Lösung“, sagte Brunner. Sonst käme sie vor allem den chronischen Überlieferern zugute.

Auch in der Schweiz sinken die Milchpreise. Seit Oktober bezahlt die Nordostmilch AG umgerechnet nur noch 50 Eurocent. Eine Preissenkung von vier Cent je Kilogramm sei wegen der gesunkenen Weltmarktpreise notwendig geworden verkündete die Handelsorganisation am 05. November auf ihrer Generalversammlung. Gleichzeitig sei die Anlieferungsmenge um sechs Prozent gestiegen, weil einer ihrer Abnehmer die Einkaufsmenge deutlich reduziert habe.
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Unterstützung
Es gibt aber auch positive Reaktionen.
Hans-Michael Goldmann, agrarpolitischer Sprecher der FDP will sogar noch schneller aus der Quote: „Es gibt immer mehr, die auch im Milchmarkt Geld verdienen, sie können das besser, wenn die Quote weg ist.“
Sachsens Landwirtschaftsminister Frank Kupfer ist zwar besorgt über die sinkenden Milchpreise, hätte durch ein Ende der Saldierung aber auch kein stützendes Marktinstrument gesehen. „Wer mit großen Handelskonzernen auf Augenhöhe über Preise verhandeln will, muss über entsprechende Milchmengen verfügen.“ Dem stünde eine Quote im Wege. Kupfer forderte die Erzeugergemeinschaften auf, ihre Schlagkraft zu verbessern.
Auch Dr. Till Backhaus, Agrarminister aus Mecklenburg-Vorpommern sieht optimistisch in die Zukunft. Die Veränderung des Umrechnungsfaktors hätte den deutschen Bauern weniger Milch zugestanden. Jeder Milchbauer solle seine Quote um zwei Prozent erhöhen können, um damit den Berufskollegen in anderen europäischen Ländern folgen zu können. Er appellierte an die Quotendisziplin der Bauern, die mit ihren Überlieferungen die hohen Milchmengen in den Markt bringen.
Exporterstattungen als marktstützendes Element sollten angesichts der Marktlage wieder angewendet werden.
Zufrieden ist aber auch Peter Hauk, Agrarminister aus Baden-Württemberg. Einseitige, nationale Mengenbegrenzungen hätten die deutschen Milchbauern im europäischen Wettbewerb schwächer gestellt. Um die Bauern für den Wettbewerb fit zu machen, brauche man die Unterstützung des Milchfonds: „Zukunftsfähige Investitionen in den Betrieben und die Vermarktung hochwertiger Produkte sind der künftige Weg für unsere Landwirte“, sagte Hauk. „Deutsche Milchprodukte sind Spitzenerzeugnisse, die international bestehen können. Es muss uns gelingen, unserer Milch eine unverwechselbare Identität zu geben, die höhere Preise rechtfertigt.“

Die dänisch-schwedische Molkereigenossenschaft Arla Foods will im Rahmen ihrer neuen Strategie bis 2013 Deutschland und Polen zu seinen Kernmärkten machen, teilte das Unternehmen mit. Bereits im Mai kündete Ala an, in Deutschland zur drittstärksten Molkerei werden zu wollen. Gerade Norddeutschland ist in das Visier der Dänen geraten: Viele kleine Molkereien und Käsereien und ein Milchüberschuss von bis zu zwei Milliarden kg. Außerdem ist die Milch billiger als in Dänemark, so Deutschland-Geschäftsführer Torben Olsen in der Lebensmittelzeitung.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht in den Beschlüssen Klarheit für die Ausrichtung der zukünftigen Politik. Die Entlastung des Milchmarkts muss nun in Brüssel beschlossen werden – es werde „keine einseitigen Einschränkungen auf nationaler Ebene innerhalb der europäischen Milchmarktordnung geben“. Der DBV hofft nun auf europäische Signale gegen „die provozierenden Signale des Lebensmitteleinzelhandels“. Dazu gehöre auch ein Konjunkturprogramm.

Ilse Aigner
Die neue Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zeigte sich angesichts der Mengenbeschlüsse enttäuscht. „Wir bedauern das“, sagte Ministeriumssprecherin Ulrike Hinrichs. „Die Länder saßen mit am Tisch, als das vereinbart wurde.“ Aigner traf am Freitag mit Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels zusammen und teilte die Auffassung, dass derzeit viel zu viel Milch auf dem Markt ist. Der Handel trage Verantwortung für die ungünstigen Strukturen im Bereich der Milchverarbeitung, in denen Rationalisierungspotenziale nicht genutzt werden könnten. „In dieser schwierigen Situation müssen alle Kräfte in der Wertschöpfungskette zusammen arbeiten, um eine leistungsstarke deutsche Milchwirtschaft zu erhalten“, sagte Aigner. Sie kündete an, auch mit anderen Teilnehmern der Wertschöpfungskette reden zu wollen. Milchgipfel Teil II.

MilchmaerkteWerte kommunizieren
Die Überschussmenge einmal außer acht gelassen: Es sind nicht alle Milchbauern, die ihre Milch unter Gestehungskosten verkaufen. Regionale ländliche Strukturen mit höherem Arbeitskraftangebot haben ganz andere Bedürfnisse und Ziele als Großbetriebe, die mit ihrer Milch Auslandsmärkte erobern wollen. Beide Ziele gleichzeitig werden nicht erreichbar sein. Es sind zwei verschiedene Märkte.
Der Upländer Bauernmolkerei gelingt es, Verbrauchern gegenüber höhere Preise zu kommunizieren, mit denen sie mehr als nur den Rohstoff Milch bezahlen. Das ist keine Ausnahme, wie die „Käsestraße“ in Schleswig-Holstein beweist. Hier haben sich Milchbauern gegen den großen Konzern gewandt und vermarkten ihre Produkte selbst.
Die Vermarktung ist nach Peter Hauk auch ein Schlüssel für den Erfolg: Unterschiedliche Siegel würden heimische Produkte zwar erkennbar machen, nach wie vor sei diese Kennzeichnung aber nur spärlich zu finden: „Wer zu unseren Produkten steht und diese erwerden will, muss sie auch auf den ersten Blick erkenn können, Wir müssen den Verbrauchern die Chance geben, durch ihren bewussten Einkauf die Landwirte zu unterstützen“, forderte er am Freitag.

Roland Krieg; Foto: roRo

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