+++ 08.06. + 18:10 +++ Aktuelle Stunde zur GAP

Landwirtschaft

Die GAP ist niemals gerecht

Landwirtschaft in Deutschland wird auf hochproduktiven Lößstandorten in der Köln-Bonner-Bucht wie in der Magdeburger Börde betrieben. Genauso wie auf Grenzstandorten im hängigen Schwarzwald oder auf den Sandstandorten in Brandenburg. Betriebe wirtschaften im Nebenerwerb und subventionieren zum Teil unrentable Landwirtschaft mit außerlandwirtschaftlichem Kapital. Einige Hundert Kilometer weiter sind es Mehrfamilienbetriebe, die kapitalintensiv 2.000 und mehr Hektar bewirtschaften und von heute auf morgen in eine ernste Liquiditätskrise fallen können.

Die großen Ackerbaubetriebe in Nordfrankreich arbeiten unter ganz anderen Voraussetzungen als die skandinavischen Betriebe, bei denen Bioprodukte aus Gewächshäusern Standard sind, weil die Vegetationszeit zu kurz ist. Südeuropa muss Land bei knapper werdenden Wasserressourcen bewirtschaften.

Eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) kann alleine diese Unterschiede niemals alle berücksichtigen. Zudem wirtschaften die Landwirte nicht mehr allein vor sich hin, während die Verbraucher sich mit dem zufrieden geben, was sie auf den Teller bekommen. Tausende Standards in Europa und gesellschaftliche Diskussionen über Tierwohl und Tierrechte machen die Agrarpolitik zusätzlich zu einem Glücksspiel. Nach jeder Reform freuen sich die einen, ärgern sich die anderen.

So steht die GAP ab dem Jahr 2020 erneut vor neuen Herausforderungen der Agenda 2030 und dem Pariser Klimaabkommen. Moderner und einfacher soll die GAP werden, verspricht EU-Agrarkommissar Phil Hogan. Die Politik gestalten und nicht mehr nur Begünstigungen bewahren will Dr. Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern, der pünktlich zur GAP-Diskussion ein ganz neues Konzept vorlegte. Backhaus und Hogan erfahren, was Mutige erleiden: Den öffentlichen Verriss und Wehklagen der Branchenverbände.

Daher war das Laute Klagelied der bewahrenden Branche besonders laut, als Phil Hogan den ersten Entwurf seiner modernisierten und vereinfachten Agrarpolitik ab 2020 vorstellte.

Vorhersehbar, dass es bei der gewünschten Förderung kleiner Betriebe vor dem, Hintergrund knapper Geldmittel eine Kürzung der Direktzahlungen gibt. Beginnend ab 60.000 Euro pro Landwirt und Jahr und Kappung bei 100.000 Euro. Die Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler von der CSU begrüßt die Stärkung kleiner Betriebe, Peter Jahr aus dem Europaparlament (CDU) fürchtet um die großen ostdeutschen Betriebe.

Die Länder bekommen mehr Möglichkeiten, die GAP regional zu gestalten und sind dann weniger auf Brüsseler Vorgaben angewiesen, die vor Ort nicht passen. 15 Prozent der Direktzahlungen können für den ländlichen Raum genutzt werden. Die Verwaltung aber wird sich dadurch von Brüssel auch nach Berlin verschieben.

Der von der Gesellschaft geforderte Umwelt- und Klimaschutz wird auch die GAP 2020 prägen. Weil das Geld aber nicht zweckgebunden ist, fürchtet NABU-Chef Olaf Tschimke ein „Drama für die Artenvielfalt“ und Friedrich Ostendorff von Bündnis 90/Die Grünen fürchtet einen Rückschritt beim Ökolandbau, weil die Ziele nur sehr vage formuliert seien.

Licht und Schatten wechseln sich bei ersten Vorschlägen ab. Doch wer nach der Vorstellung in der deutschen Politik nach „Licht“ suchte, fand nur wenig. Die GAP hat heute Nachmittag im Bundestag zu einer aktuellen Stunde geführt. So veredelt wird die Agrarpolitik als Ganzes selten. Im Vorfeld hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Mitglieder der Großen Koalition zur Werbung einer gemeinsamen Position angeschrieben.

Deutschland ist mit seinen starken großen aber auch kleinen Betrieben erfolgreich im Binnen- und internationalen Markt. Die Fokussierung der Marktausrichtung ist Deutschland weitgehend allein gegangen. Andere EU-Länder wollen mit neu gekoppelten Prämien sogar einen Schritt in die Vollversorgung der Landwirte gehen.  Klöckner wirbt für die unverändert hohen Zahlungen als Einkommensbeitrag und Risikoabsicherung. Sie versichert, dass Deutschland keine Kopplung einführen wird. Versicherungssysteme sollten auch nicht in die zweite Säule als Staatsförderung eingeführt werden.

Sie erinnert vor der Debatte an die Koalitionsvereinbarungen zur Stärkung des Umwelt- und Klimaschutzes und will lediglich auf die schlanke Umsetzung von Maßnahmen achten. Das einzige, was das Ministerium ablehnt sind Kürzung und Kappung. Inwieweit das EU-Verhandlungsmasse ist, bleibt abzuwarten. Das Delivery Model wird begrüßt, soll aber auf den Föderalismus in Deutschland Rücksicht nehmen. Wie – ist offen.

Schnell gerechnet hat das Ministerium. Anfang Mai wurde der erste Haushaltsentwurf vorgestellt. Die Gelder für den Agraretat kürzten sich demnach jährlich um 380 Millionen Euro. Für die Förderperiode 2021 bis 2027 sind das 2,6 Milliarden Euro weniger. Etwas mehr als die Hälfte entfiele auf die Direktzahlungen.

Aktuelle Stunde

Auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen debattierte der Bundestag am Freitagnachmittag das Thema GAP, insbesondere zum Thema des Insektenschutzes. Die Antragsstellerin Renate Künast ging gleich in die Vollen: „Wir finden den Vorschlag enttäuschend.“ Nichts aus den Umwelt- und Klimainhalten der letzten Jahre sei in das Reformpapier gelangt. Zu den Themen Hunger, Überfluss, Lebensmittelverschwendung oder Treibhausgase biete die Reform keine Antworten. Die Ziele der Agrarpolitik seien neu und an den Vorgaben des wissenschaftlichen Beirats  auszurichten. Künast bittet um mehr „Mut für den Umbau. Haben Sie Zivilcourage.“

Doch Klugheit gehöre genauso dazu, antwortete Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Die GAP sei eine der wenigen Klammern Europas und wecke viele Begehrlichkeiten. „Welche Landwirtschaft wollen wir?“ Der Koalitionsvertrag stehe für eine flächendeckende und bäuerliche Landwirtschaft. Zusammen mit den Landwirtschaftsministern aus den Bundesländern werde sie im Juli nach Brüssel zum Haushaltskommissar Günther Oettinger und Agrarkommissar Phil Hogan reisen, um die deutsche gemeinsame Position zu erklären. Die geforderte Bindung der ersten Säule zu 100 Prozent an Umweltbedingungen müsse umsetzbar sein. Wer die kleinen Betriebe förder, dürfe die großen Mehrfamilienbetriebe nicht mit einer Kappung bestrafen. Klöckner will aus der zweiten Säule wegfallendes Geld aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutzes ausgleichen. Klöckner sieht mit den Hausaufgaben im Koalitionsvertrag übereinstimmende Ziele, die in den nächsten Diskussionen ausgebaut werden können.

Die GAP entlasten will Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium.  Sie schlägt einen Eu-eigenen Natur- und Umweltschutzfonds für Natur- und Umweltziele vor. Dann könnten weiterhin lediglich 30 Prozent Bindung der Direktzahlungen in der ersten Säule bleiben. Das kommt Hermann Färber von der CDU entgegen. Die Direktzahlungen seien ihm zufolge eine Einkommensunterstützung und nicht zu 100 Prozent für Umweltpolitik auszugeben.

Carina Konrad von der FDP setzt auf die junge Bauerngeneration, die technikaffin mit Ressourcenschutz Ökonomie und Ökologie vereinen kann.  Für eine Überarbeitung der Flächenprämie wirbt Rainer Spiering von der SPD. Sie ist der Versuch, die Finanzen in die Fläche zu bringen. Doch werden die 400 Hektar an den Grundeigentümer weitergereicht, der das Land nicht unbedingt bearbeitet. „Pacht ist gut, aber wo steht geschrieben, dass nicht nur die Pacht, sondern der Staat darauf eine Verzinsung bezahlt?“ Die wissenschaftlichen Ratschläge der Institute fänden im Landwirtschaftsministerium kein Gehör. Alois Gerig von der CDU warnt für alle vor einer Ausweitung der Bürokratie, die Brüssel eigentlich reduzieren will.

In der Diskussion durchgefallen ist die AfD. Franziska Gminder listete grüne Stichworte wie Blühpflanzen in den Gärten, Monokulturen („Diversität: Ich lach´ mich kaputt!“) und Gülleimporte aus den Niederlanden aneinander, findet auch Klatschmohn und Kamille im Getreidefeld „wie nach der Wende“ attraktiv und will die Tierhaltung an die Fläche binden, verwechselt aber Forderungen mit Vorschlägen für Maßnahmen zu Veränderungen.  Kein Wort zur möglichen Modulation, GAK oder Förderung. Parteikollege Kay Gottschalk sagte zwar „Wir stehen zu den Kleinbauern“, will aber auf den „EU-Überstaat“ verzichten, und glaubt, dass Landwirte rein marktwirtschaftlich „auf ihrer Scholle“ Natur- und Umweltschutzmaßnahmen berücksichtigen würden.

So viel Aufregung um ein Reförmchen, das sich aus Brexit und Verbraucherwünschen sowie internationalen Zielen ergibt. Plus Förderung des nicht-landwirtschaftlichen Raumes. Die große Reform ist nur verschoben.

Linke: Krankes System

Die Linksfraktion schlägt diesen Kurs ein. Die agrarpolitische Sprecherin Kirsten Tackmann: „Aus Sicht der Linken ist die EU-Agrarpolitik sozial und ökologisch gescheitert. Es ist ein krankes System, aus dem wir aussteigen müssen.“ Die jetzige Reform sei nur eine „Symptomlinderung durch bessere Agrarfördersysteme“. In einem neuen Positionspapier zur GAP beklagt die Partei das Verschweinden des multifunktionalen Landwirtschaftsbetrieb, in dem Pflanzen- und Tierzucht mite3inander verwoben sind, der ortsgebunden wirtschaftet und vor Ort Arbeitsplätze bietet“. Die Fraktion fordert eine generationen- und geschlechtergerechte Agrarpolitik (grammatikalisch verbesserungsbedürftige Fußnote: „Landwirt*innen meint auch Bäuer*innen“), die eine „gemeinwohlorientierte Landwirtschaft“ umsetzt. Die Säulendiskussion und der Streit um die Höhe der Subventionen gelten als überholt. Gelder müssen streng an Umwelt- und Klimamaßnahmen ausgerichtet werden, Betriebe auf ertragsschwachen Standorten sollen besonders berücksichtigt werden und Weidetiere sollen eine gekoppelte Prämie erhalten.

Nicht nur die Teichwirte sollen in den Förderkatalog aufgenommen werden, Die Linksfraktion fordert eine europäische Forstpolitik als Ergänzung zur GAP. Vergleichbar mit dem europäischen Fischereifonds soll ein Waldfonds aufgelegt werden. Beim Thema Boden müsse der Handelseffekt verschwinden. Landwirtschaftsfremde Investoren sollen vom Kauf ausgeschlossen werden. Eine Eigentümerstatistik soll der Kontrolle dienen.

Roland Krieg

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