13:20 Uhr: Der GAP-Tag in Brüssel und Berlin

Landwirtschaft

Supertrilog in Brüssel  und grüne Einsichten in Berlin

Der Freitag steht ganz im Zeichen der Gemeinsamen Agrarreform (GAP). Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat einen „Supertrilog“ angekündigt, beim alle drei Gesetzestexte verhandelt werden, was einerseits große Fortschritte erzielen soll, aber auf andererseits nicht mit der Erwartung eines endgültigen Ergebnisses. Die Vorsitzende im Agrarrat Maria do Céu Antunes hatte am zweiten Tag des Agrarrates in dieser Woche bereits vorausgesagt, dass die grüne Architektur das Herzstück der GAP sei, aber die finanzielle Umverteilung und die jeweiligen Summen zwischen Europaparlament und Rat sehr auseinanderweichen. Einig sind sich Länder und Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, dass Rat, Kommission und Parlament im Mai eine Einigung erzielen müssten, damit die Länder ihre nationalen Strategiepläne finalisieren können. Da ist Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit vor der Sommerpause und anstehenden Bundestagswahl  nicht die einzige, die auf heißen Kohlen sitzt.

Die Kommission will ihre Politik der Entkoppelung fortfahren und künftig nur noch dort zulassen, wo es „wirkliche Marktschwierigkeiten“ gibt. Eine gekoppelte Prämie für Proteinpflanzen, wie vom Parlament gefordert will Wojciechowski nicht, wie er sagt.

Es sind nicht nur die Summen, um die Parlament und Rat streiten. Es geht um die Frage, was freiwillig und was verpflichtend wird. Frankreich und Deutschland sind sich da einig. Aus den Themen Kappung, Degression, Umverteilungsprämie sollte nur ein Instrument verpflichtend sein und die anderen könnten gegen Verknüpfung mit anderen Instrumenten freiwillig umgesetzt werden. Italien schlägt eine Verdoppelung des Prozentsatzes der Direktzahlungen auf zwei Prozent für das Risikomanagement vor, auch bei den Junglandwirten könnte sich nach Istvan Nagy aus Ungarn der Fördersatz von zwei auf drei Prozent erhöhen. Polen schlägt sogar drei Prozent vor, dafür aber aus beiden Säulen gespeist.

Strittige Punkte

Es gibt einige Punkte, bei denen Rat und Parlament noch weit auseinander liegen. Das Parlament will eine vollständige „soziale Konditionalität“, die von den Ländern als zu hoher Verwaltungsaufwand abgelehnt wird. Das gleiche gelte auch für die Definition des „Aktiven Landwirts“. Außerdem will das Parlament die neue Definition „Neue Landwirte“ einführen. Ein ebenfalls unnötiger Verwaltungsaufwand für die Länder wäre die Argumentation des Parlaments, die Kappung und Degression mit Ausnahmen für nachhaltige Ausgaben des Betriebes zu versehen.

Ein für die osteuropäischen Länder wichtiges Thema ist die interne Konvergenz. Das Parlament will einen gleichen Auszahlungsstand bis 2026 erreichen, die Kommission schlägt 75 Prozent vor und Portugal könnte sich auch 85 Prozent als Kompromiss gegenüber dem Parlament vorstellen.

Grüne Einsichten

In Deutschland sind die Streitlinien in den vergangenen Wochen noch viel stärker ausgeprägt. Ohne Trilogergebnisse wollten die grünen Agrarminister keine Beschlüsse fassen und zwei Agrarministerkonferenzen (AMK) endeten nach jeweils elf Stunden Verhandlungen  ergebnislos. Die sächsische Frühjahrskonferenz wurde daraufhin am Freitag zu einem dritten Anlauf, rechtzeitig vor Ende der letzten Legislatursitzung am 25 Juli ein Ergebnis aus der AMK vorzulegen. Die Streitpunkte laufen aber auch innerhalb der Partei, weil die ostdeutschen Grünen Kappung und Degression zugunsten der kleinen Betriebe ablehnen – müssen. Schmelzende Millionenbeträge wären der ländlichen Bevölkerung kaum zu vermitteln.

Pünktlich haben sich die Minister am Freitagmittag auf eine gemeinsame Position geeinigt, bei der Länder und Bund auch tatsächlich gar nicht so weit auseinander liegen. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber zeigte sich erleichtert: „Es war ein hartes Ringen. Am Ende haben sich Vernunft und Sachargumente gegen Ideologie durchgesetzt. Insgesamt bleibt bei den Direktzahlungen ein Anteil von rund 60 Prozent einkommenswirksam“. Die ostdeutschen Grünen haben Federn lassen müssen. Zwar sind Kappung und Degression vom Tisch, aber kleine Betriebe bis 60 Hektar werden deutlich stärker gefördert. Dafür stehen 12 Prozent der Direktzahlungen zur Verfügung. Einzelne Bundesländer haben in der Vergangenheit Weidetierprämien eingeführt. Die AMK hat sich jetzt auf eine bundesweite Prämie für Schafe, Ziegen und Mutterkühe geeinigt.

Die Direktzahlungen sind ein Auslaufmodell. Wie sie abgeschafft werden sollen, darüber sind sich auch Agrarökonomen uneins. Aktuell werden sechs Prozent der Mittel in die zweite Säule umgeschichtet, 2022 sind es acht Prozent und während der Förderperiode 2023 bis 2027 steigt der Satz von zehn auf 15 Prozent. „Diese Mittel wollen wir gut nutzen für weitergehende Agrarumweltmaßnahmen und den aufwachsenden Ökolandbau, aber auch für Maßnahmen im ländlichen Raum wie Dorferneuerung, Leader und Investitionen in moderne und tierwohlgerechte Ställe“, sagte Bayerns Landwirtschaftsministerin.

Bundesministerin Julia Klöckner nimmt an den Konferenzen nur als Gast teil. Die Abwendung eines fortwährenden grünen Boykotts wertet sie als eigenen Verdienst: „Es hat sich gezeigt, wie wichtig es war, dass wir als Bund vorangegangen sind und einen guten Aufschlag gemacht haben. Erst das hat bei den Ländern für Bewegung gesorgt: Sie wurden konkret und im Zeitplan ambitioniert. Im Ergebnis zeigt sich, dass wir nicht weit auseinanderliegen. Gerade weil sich unsere Position durchgesetzt hat, dass Leistungen für Umwelt- und Klimaschutz nicht allein in den Öko-Regelungen liegen. Addiert man die verschiedenen Maßnahmen – etwa Umschichtung, Konditionalität oder AUKM – kommen wir auf rund 35 Prozent Ökoleistungen, die Länder auf 40 Prozent.“

Die Festlegung auf 25 Prozent Öko-Regelungen bezeichnete die Bundesministerin als „realistisch“. Dieser Kompromiss zeichne sich nach Klöckner auch auf europäischer Ebene in den Trilog-Gesprächen ab.

Was sagen die Grünen?

Jan Philipp Albrecht aus Schleswig-Holstein ist mit dem Einstieg in die deutlich ökologischere GAP zufrieden

Priska Hinz aus Hessen sagt: „Künftig werden 25 Prozent der sogenannten 1. Säule nicht mehr rein nach Flächengröße verteilt, sondern für das neue Instrument der Ökoregelungen reserviert. Hinzu kommt die weitere Umschichtung in die 2. Säule. Sie stärkt Ökolandbau und die Agrarumweltprogramme, mit denen die Landwirtinnen und Landwirte für konkrete Leistungen im Umwelt-, Natur- und Klimaschutz entlohnt werden. 35 Millionen stehen in Zukunft pro Jahr zusätzlich für Vertragsnaturschutz mit der Landwirtschaft, Tierwohl und ländliche Räume zur Verfügung.“

Eco-Schemes

Die neuen Eco-Schemes werden mit 1,1 Milliarden Euro gefördert und sind rund 65 Euro pro Hektar. Die werden für eine freiwillige Aufstockung von nicht-produktiven Flächen wie Brache und Landschaftselemente gezahlt, für die Anlage von Blühflächen auf Ackerland und bei Dauerkulturen, für Agroforstsysteme, vielfältigen Fruchtfolgen mit mindestens fünf Hauptfruchtarten und zehn Prozent Leguminosen sowie die Anlage von Altgrasstreifen und Altgrasinseln auf Dauergrünland. Die Bundesländer können weitere Maßnahmen aufnehmen.

MV und NI

Minister Till Backhaus schaut schon nach vorne: „Ich gehe davon aus, dass wie bei vorhergegangenen Reformschritten zur GAP auch diesmal, die Eckwerte des AMK Beschlusses 1:1 in die Gesetzestexte übernommenen werden. Gleichzeitig appelliere ich an die anderen Ressorts der Bundesregierung, das einvernehmliche Ländervotum zu achten und einer zügigen Beratung in Bundestag und Bundesrat nicht im Wege zu stehen“. Da der Trilog in Brüssel noch nicht beendet ist, könnte es noch Korrekturen geben. Der neue Verteilerschlüssel für die Länder beschere den ostdeutschen Ländern keine massiven Verluste. Mecklenburg-Vorpommern stehen weiterhin 90 Millionen Euro pro Jahr für die Entwicklung der ländlichen Räume (ELER) zur Verfügung.

Barbara Otte-Kinast in Niedersachsen freut sich über zehn Millionen Euro mehr für die ELER-Programme. Die Weidetierprämie wird aus der ersten Säule finanziert. Dort plant Niedersachsen eine mit zusätzlichen Eigenmitteln finanzierte Förderung der Sommerweidehaltung ab 2023.

Roland Krieg

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