+++ 16:25 Uhr +++ Ampel-Koalitionsvertrag steht

Landwirtschaft

„Mehr Fortschritt wagen“

„Die Ampel steht“ sagte der designierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochnachmittag bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages und hofft, dass die drei beteiligten Parteien innerhalb von zehn Tagen den Koalitionsvertrag absegnen. Nach FDP-Chef Christian Lindner wird das aktuelle Krisenmanagement optimiert, ohne weniger konsequent zu sein. Lindner meint nicht nur die Gesundheitskrise, sondern auch die „Dekarbonisierung unseres Lebens. Das sind große Aufgaben, vor denen wir gemeinsam stehen.“ Christian Lindner: Das Krisenmanagement wird optimiert, aber nicht weniger konsequent. „Dekarbonisierung unseres Lebens.“ Das sind große Aufgaben, vor denen wir gemeinsam stehen. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: „Wir übernehmen die Regierung in der Zeit der Krise.“ Es geh nicht um das immer größere Abstecken neuer Ziele, sondern die Parteien wollen die Ziele mit konkreten Maßnahmen erreichen. Und dennoch: „Wir sind auf dem 1,5-Grad-Pfad.“ Robert Habeck verspricht eine „lernende Politik.“ Was heißt das für die Landwirtschaft?

„Mehr Fortschritt wagen"

Die Ampelkoalition hat auf 177 Seiten beschrieben, welchen Fortschritt sie meint und welche Richtung er nehmen soll. Leitlinien sind nicht nur für Umwelt- und Klimaschutz die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Daraus folgt die Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Der Schutz der Artenvielfalt ist eine „ethische Verpflichtung“ und soll mit dem „natürlichen Klimaschutz“ gestärkt werden.

Konkret wird der Naturschutz in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) gestärkt. Dafür gibt es neue Finanzmittel. Die Energiewende soll ohne Abbau der ökologischen Schutzstandards ausgeweitet werden.

Natürlicher Klimaschutz

Für die Renaturierung, die Resilienz der Ökosysteme, insbesondere der Moore, Wälder, Auen, dem Grünland sowie marine und Küstenökosysteme wird ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz aufgebaut. Die verschiedenen Bundesprogramme werden gebündelt.

Der Waldumbau wird weiter gefördert und der Waldwirtschaft wird eine „wichtige Rolle“ zugesprochen. Dazu werden das Waldgesetz und das Forstschädenausgleichsgesetz novelliert. Über die bisherigen Zertifizierungsansätze sollen die Ökosystemdienstleistungen des Waldes mehr gefördert werden.

Mit Blick auf die Flutkatastrophen 2021 sollen die Standards für die Bewertung von Hochwasser- und Starkregenrisken und die Erstellung und Veröffentlichung von Gefahren- und Risikoarten. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie wird zügig umgesetzt. Auf der Basis der EU-Entscheidung für einen neuen Versuch eines Bodenschutzgesetzes will die Ampel zwar kein deutsches Werk vorlegen, aber ein nationales Bodenmonitoringzentrum einrichten. Bis 2030 soll der Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag reduziert werden.

Das Wesen der Bio-Ökonomie ist die Kreislaufwirtshaft. Für sie wird es eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie bündeln. Dazu werden höhere Recyclingquoten und eine produktspezifische Mindestquote für den Einsatz von Recyclaten eingeführt. Orienteirung gibt ein neues Recycling-Label.

Landwirtschaft - Tierhaltung

Mutig versprechen die Koalitionäre die Einführung eines verpflichtenden Tierhaltungskennzeichens, das auch Transport und Schlachtung umfasst. Zudem gibt es eine umfassende Herkunftskennzeichnung, die mit Information und Werbung begleitet wird. Die Investitionsförderung wird an den Zielen ausgerichtet. Es soll auch einen Stallbau-TÜV nach Haltungskriterien geben, bei denen der Brandschutz eine wesentliche Rolle spielt. Lücken in der Nutztierhaltungsverordnung werden geschlossen. Lebendtiertransporte werden nicht verboten, aber wenn die Ziele in Drittstaaten liegen, sollen die Routen entlang von „nachgewiesenen tierschutzgerechten Versorgungseinrichtungen“ führen. In Schlachthöfen sollen nach britischem Vorbild Kameras installiert werden. Christian Lindner: Das Krisenmanagement wird optimiert, aber nicht weniger konsequent. „Dekarbonisierung unseres Lebens.“ Das sind große Aufgaben, vor denen wir gemeinsam stehen. Die Ampel will eine Tiergesundheitsstrategie aufbauen. Im Koalitionsvertrag steht zwar auch das Thema der Umbaufinanzierung für die Landwirte, aber weder der Begriff „Borchert“ noch die Begriffe Zukunftskommission“ oder „ZKL“ finden Erwähnung.

Letzteres hat aber als Gedanke die Verhandler erfasst, denn im Bereich der Fischerei soll eine „Zukunftskommission Fischerei“ eingerichtet werden.

Landwirtschaft – Ackerbau

Im Grunde atmet der Koalitionsvertrag die Aufgaben des Green Deals. Verringerter Einsatz von Pflanzenschutzmittel, Stärkung des integrierten Landbaus, der ökologischen Landwirtschaft sowie ein Akzent auf Biochemicals (Biostimulantien) sollen mit einem definitiven Ende von Glyphosat im Jahr 2023 kommen auf den Ackerbau zu. Ein Bundesprogramm „Zukunftsfähiger Ackerbau“ soll die Eiweißstrategie weiterentwickeln und den Bodenschutz stärken. Im Bereich der digitalen Landwirtschaft will die Koalition den Agrardatenraum Gaia-X als Basis für eine europäische Dateninfrastruktur auf einer Open-Source-Basis entwickeln.

Die GAP

Was an der Gemeinsamen Agrarpolitik noch offen ist, wird schnell beendet. Für die nächste Reform ab 2027 soll ein bereits angekündigtes Konzept ohne Flächenzahlung vorlegen.

Ernährung und Ostdeutschland

Die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung werden aktualisiert und für den öffentlichen Bereich umgesetzt. Für Jugendliche unter 14 Jahre darf es keine Werbeangebote mehr geben, wenn es um Lebensmittel mit hohen Fett-, Zucker- und Energiegehalten geht. Eine „Zuckersteuer“ gibt es nicht, aber es wird weiter an den Reduktionszielen gearbeitet.  

Ostdeutschland hat zwar kein eigenes Kapitel bekommen, aber 30 Jahre nach der Wiedervereinigung widmet sich der Koalitionsvertrag durchaus den fünf Bundesländern. So sollen die Repräsentanzen in Entscheidungsgremien und Führungspositionen verbessert werden und außeruniversitäre Einrichtungen sollen prioritär im Osten angesiedelt werden. Für die Gestaltung der Lebensverhältnisse vor Ort sollen die Kommunen mehr Spielräume erhalten. Da wird Ostdeutschland mit den westdeutschen strukturschwachen Regionen gleichgesetzt. Es sollen gezielt Investitionen in Schwimmbäder und Bibliotheken unterstützt werden.

Nachdem die Besetzungen der Ministerien, bei Landwirtschaft wird es eine Zusammenlegung mit dem Umweltressort geben, beginnt die Detailarbeit.

Roland Krieg

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