+++ 16:05 Uhr +++ „Der Kastenstand hat keine Zukunft mehr“

Landwirtschaft

Schwieriger Kompromiss mit glücklichem Ende

Aller guten Dinge sind drei: Nach Absetzung von der Tagesordnung im Februar und Juni hat heute der Bundesrat im Bereich der Schweinehaltung die Mehrheit für einen Kompromiss in der Schweinehaltung gefunden. „Es gibt Diskussionen, die sind unendlich lang und brauchen viel Zeit“, sagte Landwirtschaftsminister Benjamin-Immanuel Hoff aus Thüringen (Die Linke). Das werde von den Bürgern als Politikversagen ausgelegt, aber zeige doch, wie „kontradiktorisch“ manche Anliegen auseinanderliegen, „die sehr, sehr mühsam zu einem Ausgleich gebracht werden müssen und können.“

Es geht um den Kastenstand von Sauen im Deckzentrum und in der Ferkelbucht. Der Kastenstand dient nach Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen), Landwirtschaftsministerin in Sachsen-Anhalt, der Arbeitserleichterung der Arbeiter. Rechtlich wurde bereits 1992 festgelegt, wie viel Platz eine Muttersau bekommen muss [1].

Neue Vorgaben

Die zeitliche Fixierung im Kastenstand wird deutlich minimiert. Im Ferkelbereich von 35 auf maximal fünf Tage um den Geburtszeitraum, im Deckzentrum von 28 auf maximal acht Tage für die Besamung. Der Kastenstand wird auf 220 cm Länge und 65 bis 85 cm Breite definiert. Damit wird die Gruppenhaltung der Sauen ab dem Zeitpunkt des Absetzens der Ferkel bis zur Besamung  Pflicht. Für den Umbau haben die Betriebe zwei verschiedene Zeiträume zugestanden bekommen. Für das Deckzentrum müssen die Betriebe nach drei Jahren ein Umbaukonzept vorlegen und nach spätestens weiteren fünf Jahren einen Bauantrag stellen. Für den Abferkelbereich ist eine Übergangszeit von 15 Jahren vorgesehen.

Kompromisslos

Claudia Dalbert zeigte sich kompromisslos und Sachsen-Anhalt lehnte die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Schweinebereich ab. Die meisten Tierschutz- und Umweltverbände forderten ebenfalls einen sofortigen Ausstieg.

Geschichte

Der grüne Landwirtschaftsminister Axel Vogel aus Brandenburg hätte die Änderung mit reinem Blick auf die Übergangszeiten auch abgelehnt. Doch das verbindlich terminierte Aus der Kastenhaltung sei „kein geringer Schritt nach vorne“. Der Politiker kommt aus Eberswalde, wo in der DDR das Kombinat industrielle Mast (KIM) pro Tag 2.000 Schweine geschlachtet hat. In ganz Brandenburg gibt es aktuell rund 200.000 Mastschweine. Die „industrielle Tierproduktion“ sei mittlerweile in den Westen gezogen. Tönnies hat vor der Pandemie mit täglich mehr als 20.000 Schweinen zehnmal so viele wie das KIM Eberswalde geschlachtet.  In Rheda wird die ganze Mastschweinepopulation Brandenburgs in einer Woche verarbeitet.

Weil es so nicht weiter gehen könne, stimmt Brandenburg für den Vorschlag und baut auf die Protokollerklärung des Bundes. Die 300 Millionen Euro für den Stallumbau müssen nicht bis zum Jahr 2021 ausgegeben werden und stehen darüber hinaus für den Umbau zur Verfügung. Da damit keine Kapazitätserweiterung verbunden sein darf, kommt das Geld den Betrieben zugute, die den Kastenstand abschaffen.  Für den Parlamentarischen Staatssekretär Uwe Feiler ist das die faktische Verkürzung der Übergangszeit.

Albrecht-Heinen-Esser-Act

„Der Kastenstand hat keine Zukunft mehr“, sagte Vogel. In Brandenburg haben Landwirte bereits Umstellungen vorgenommen. Nach Dalbert ist Sachsen-Anhalt bereits seit 2019 dabei. 70 Prozent der Schweine haltenden Betriebe erfüllen bereits die Vorgaben des Magdeburger Urteils und 24 Prozent der Betriebe halten ihre Sauen bereits in Gruppen.

Die Vorgaben lehnt Dalbert auch nicht ab. Die Vorschläge für die Gruppenhaltung sind artgerecht. Jede Sau erhalte fünf Quadratmeter Fläche, die Haltung wird in Liege-, Fress- und Aktivitätsbereich aufgeteilt. Die Tiere bekommen faserreiches Fress- und Beschäftigungsmaterial.

Dem Kompromiss der beiden Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hatte Hoff aus Thüringen nach amerikanischem Vorbild als „Albrecht-Heinen-Esser-Act“ bezeichnet Nach den beiden Ministern, die maßgeblich daran gearbeitet haben. Das Land Niedersachsen hatte sich dem Kompromiss noch angeschlossen.

Doch der nächste Schritt wartet schon. Der ökonomische Druck auf den landwirtschaftlichen Betrieben ist groß, so Hoff: „Jetzt kommt auch das noch!“ Langfristig werde sich zeigen, dass das der richtige Schritt gewesen ist. Es werde nicht nur bei den Betrieben, sondern auch bei den Tierschützern Überzeugungsarbeit kosten, Zustimmung für den Kompromiss zu erhalten.

Jan Philipp Albrecht (Bündnis 90/Die Grünen), einer der Autoren des Kompromisses fasst zusammen: Der Umbau wird nicht ohne die tierhaltenden Betriebe gehen. Diese müssen bei dem Kompromiss mitgenommen werden. Aber, so Albrecht weiter, Tiere können auch nicht gegen die Wünsche von Verbrauchern und Tierschützern gehalten werden.

Lesestoff:

[1] Endlosschleife Kastenstand: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/kein-mut-keine-entscheidung-zum-kastenstand.html

Roland Krieg

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