+++ 16:54 +++ Die verlorene Debatte
Landwirtschaft
FDP im Plenum bei Dünge-VO grandios gescheitert
Es gibt Debatten, die sind nicht zu gewinnen. Die Reform der Dünge-Verordnung gehört dazu. Niemandem kann verständlich gemacht werden, dass die Novelle wegen zu hoher Nitratgehalte im Grundwasser nicht notwendig ist. Eine Flickschusterei mit Ausnahmen und Absagen an fundierte Werte sollten im heutigen Informationswirrwarr nicht mehr stattfinden. Nicht nur Städter verstehen bei dem Thema nur eins: Die Nitratwerte sind regional zu hoch. Bei mehr als 50 mg Nitrat pro Liter darf das Wasser nicht mehr für die Trinkwassergewinnung gewonnen werden. Daran herum zu schrauben wirkt und macht unglücklich, wie die FDP diesen Nachmittag feststellen musste.
Das Thema landete die als Zusatzpunkt auf der Tagesordnung des Bundestages. Die FDP stellte den Antrag, die „Grundwasserqualität wissenschaftlich fundiert und repräsentativ [zu] ermitteln“. Gleichzeitig kam der Antrag der AfD aus dem Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zurück, „landwirtschaftliche Familienbetriebe vor den Folgen einer Änderung der Düngeverordnung [zu] schützen“.
Antragsteller Gero Hocker (FDP) begrüßte zwar den eingeleiteten Dialogprozess mit den Landwirten, kritisierte aber die „parallel zum Bundeskanzleramt kursierenden neuen Verordnungs-Entwürfe“ für die Änderung der Dünge-VO im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Hocker widerholte den, auch von Landwirten hervor getragenen Vorwurf, die so genannte „Bauernmilliarde“ würde zu einem Schweigegeld der Landwirte [1]. „Es hätten Null Euro sein müssen“, so Hocker, sonst entstehe der Eindruck, die Bauern bekämen Geld, wenn sie mit den Füßen aufstampften. Im Rahmen der Dünge-VO würden Landwirte mit bestraft, die sich an die Regeln halten. Die Kritik richtet sich an die Meldungen der Bundesregierung, Nitratwerte ausschließlich aus dem Belastungsmessnetz gemeldet zu haben. Die Kritik ist alles andere als neu [2].
Daher ist auch die Antwort an die FDP nicht neu. Astrid Damerow (CDU) unterstreicht, die Regierung habe in den letzten Monaten die verschiedenen Kritikpunkte aufgenommen und ist dabei, sie abzustellen. Die Milliarde werde passgenau für die Landwirte für einen Bedarf an Technik oder Lagerstätten ausgegeben, Agrarministerin Julia Klöckner hat über das Bundesumweltministerium die Bundesländer aufgefordert, ihr Messstellennetz zu überprüfen und bei Bedarf Fehler zu korrigieren [auch 2].Ein dichteres Messnetz bedeute nicht, dass es mehr grüne Gebiete ohne Auflagen gibt.
„Deutschland hat ein Nitratproblem. Und Deutschland hat ein repräsentatives Messnetz“, erklärte die Grünenabgeordnete Bettina Hoffmann. Das haben in dieser Woche die Agrarwissenschaftler Martin Bach von der Justus-Liebig-Universität Gießen sein Kollege Friedhelm Taube von der Universität Kiel betont. Die Werte stimmten und es spiele keine Rolle ob sie repräsentativ seien. Dort wo sie zu hoch sind, muss gehandelt werden. „Wir haben kein Messproblem, sondern seit vielen Jahren bereits ein Umsetzungsproblem“, sagte Hoffmann an die FDP gerichtet.
Für die FDP wurde es aber noch schlimmer. Sie veröffentlichte in dieser Woche auf Twitter ein Video nach der Sitzung des Agrarausschusses am Mittwoch. Vier FDPler beklagen sich zwischen tristem Beton, dass ihr Antrag zur Düngeordnung erneut von der Tagesordnung abgesetzt wurde [3]. Nicht nur das Video erinnert an sich ungerecht behandelt gefühlte AfDler. Stephan Protschka von der völkischen Rechtspartei hat in seinem Plenumsbeitrag nahezu die gleiche Wortwahl der FDP mitgeführt. Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag für ein Moratorium bei der Nitratrichtlinie vor, bis wissenschaftliche Ergebnisse vorlägen, abgelehnt. „Das ist 30 Jahre zu spät“, sagte Rainer Spiering von der SPD.
Dem Sozialdemokraten sind die Parallelen offenkundig geworden, weil beide Parteien die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes anzweifeln: „Die FDP negiert die Gerichtsbarkeit wie die AfD, was mir für eine ehemals demokratische Partei leid tut.“ Einen Zugriff jetzt noch vom Gesetzgeber zu verlangen, „veralbere den Bauernstand“, fuhr Spiering fort. Mit neuen Methoden wie der Nährstoffdatenbank ENNI in Niedersachsen können Ross und Reiter gezielt für die Überdüngung festgemacht werden.
Auch Carsten Träger von der SPD sieht die FDP in „eine gefährliche Nähe“ rücken, wenn sie statt nach vorne zu schauen, rückwärtsgewandt selbst die wissenschaftlichen Daten bezweifelt. Ein dichteres Messnetz könne auch zu einer Vergrößerung der roten Gebiete führen, warnt Johannes Röring (CDU). Nordrhein-Westfalen gehe den Weg, die Messstellen zu überprüfen und zu erneuern.
In Rheinland-Pfalz lehnt das die FDP ab, kritisierte Julia Klöckner bereits am Mittwoch in der Regierungsbefragung. Dort hatte sie Gero Hocker schon auseinandergelegt, dass die Bundesregierung im Rahmen des Zweitverfahrens reagieren musste. Wenn die Bundesländer, trotz Ankündigung seitens Mainz´ und Münchens, am 03. April den Bundesratsbeschluss zur Dünge-VO ablehnten, dann bliebe der Kommission kein anderer Weg als die Klage übrig.
Klöckner will während der Ratspräsidentschaft für EU-einheitliche Messnetze für fairen Wettbewerb sorgen. Da hängen FDP und AfD im Blick auf das Gestern fest. Das Düngerrecht ist nach der agrarpolitischen Sprecherin der Linksfraktion Kirsten Tackmann schon zu einem Drama geworden. Das Thema wurde unter der CSU-Hausleitung immer wieder von der Tagesordnung abgesetzt. Nach Tackmann geht es nicht nur um die 800.000 Euro Strafe, die bei einer Verfehlung anstehen, sondern auch um den Schutz von Allgemeingütern und Agrarbetrieben, die alles richtig machen. Wer Zweifel sät, der mache aus dem Drama eine Tragödie.
Der Antrag der FDP wurde an den Umweltausschuss verwiesen. Die FDP scheiterte auch ihrer Vorstellung, diesen dem Agrarausschuss zuzuweisen.
Sowohl die FDP als auch die AfD betonen, es gehe ihnen um die Landwirte. Das darf aber nicht dazu führen, diese in einer nicht zu gewinnenden Debatte in die falsche Ecke zu stellen. Da müssen die Landwirte selbst aufpassen, wie sie debattieren. Dirk Andresen von Land schafft Verbindung, sagte diese Woche, er kann sich vorstellen, dass die LsV-Bewegung einmal eine Bauernpartei wird. Spätestens dann müssen Worte auf die Goldwaage.
In den 1990er Jahren hat die Ernährungsindustrie schmerzhaft gelernt, mit Krisen umzugehen. Der Dachverband bietet Krisenseminare an, falls ein Notfall mit Bakterien oder falschen Rohstoffen eintritt. Täglich wird Ware unterhalb des Skandallevels zurückgerufen. Die Firmen haben gelernt zu sagen: Ja, wir haben ein Problem; wir kümmern uns darum und machen es künftig besser. Bei den Landwirten heißt es heute noch immer: Die weißen Schafe waren es nicht und werden ungerechtfertigt mit bestraft. Dieses „Mindsetting“ muss sich ändern.
Lesestoff:
[1] Wertschätzungsagentur Steuersäckel: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wertschaetzungsagentur-steuersaeckel.html
[2] An der Basis beginnen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/das-problem-mit-den-grundwassermessstellen.html
[3] FDP-Agrarpolitiker: https://twitter.com/GeroHocker/status/1235146575430782976
Roland Krieg
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