+++ 27.04. +++ 16:10 +++ Trippelschritte für den Tierschutz
Landwirtschaft
Ergebnisse der Agrarministerkonferenz in Münster
„Es gibt in der Agrarpolitik einen neuen Schwung“, sagte Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk nach der Agrarministerkonferenz (AMK) in Münster. Das liege nicht nur an der neuen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, sondern auch an der Gastgeberin, der Agrarministerin Christina Schulze Föcking aus Nordrhein-Westfalen. Die Bemühungen für einen Konsens waren sehr hoch. Die AMK fasst ihre Beschlüsse noch immer einstimmig.
Kastenstand und Kastration
Die Sauenhalter dürften weit weniger frohlocken. Zwar wird der Bund für den Bereich der Kastenstandshaltung bei Sauen mit einer entsprechenden Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung für Klarheit sorgen, aber das Thema Ferkelkastration wurde vertagt. Bezüglich des Kastenstandes sind die Fragen nach Buchtengröße, Bodenbeschaffenheit und Mindestgröße des Ferkelnestes offen. Bayern und Baden-Württemberg fordern in einer Protokollerklärung eine Übergangsfrist für Bestandsanlagen von 15 Jahren plus fünf weitere Jahre bei Härtefällen. Gerade kleinere Betriebe müssten ganze Gebäude umbauen. Demgegenüber fürchtet Sachsen-Anhalt bei solch langen Übergangsfristen einen Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage.
Die betäubungslose Ferkelkastration wird ab Januar 2019 beendet. Die Alternative Ebermast trifft auf Skepsis bei den Schlachtern, die Immunokastration mit einem Impfstoff wird nach Agrarminister Dr. Till Backhaus in der Bevölkerung skeptisch gesehen und die Vollnarkose ist teuer und wegen höherer Ferkelsterblichkeit im konventionellen und ökologischen Markt umstritten. Mit dem so genannten 4. Weg einer Lokalanästhesie, die durch den Landwirt vorgenommen werden kann, bietet sich eine Lösung an, den die Niederlanden und Dänemark gehen. Strittig ist, wie viel Schmerzen die Tiere haben, strittig ist, ob die Landwirte die fachliche Qualifikation haben. Backhaus hatte bereits Ende 2017 eine Bundesratsinitiative für den Mecklenburger Weg angekündigt. Die blieb aber bis heute einschließlich aus. Die Zeit drängt, denn die Halter haben für 1,9 Millionen Sauen bis Ende des Jahres noch keine Lösung vorliegen. Aus Unsicherheit kaufen die Mäster derzeit rund 11,5 Millionen Ferkel aus den Nachbarstaaten. Umso überraschender war die Absetzung des Themas von der AMK-Tagesordnung. Backhaus erklärte warum: Es war keine Einstimmigkeit abzusehen. Jetzt soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine Lösung finden, deren Ergebnis dann über den Bundesrat in die Gesetzgebung einfließen soll.
Milch
Ähnlich ergeht es den Milchviehaltern. Das aktuelle Preistief ist nach Backhaus keine Krise, aber eine Turbulenz. Einmal mehr heißt es: „Wenn die Molkereien jetzt nicht endlich handeln, dann müssen härtere Kriterien wie die entschädigungslose Mengenregulierung umgesetzt werden“, so Backhaus. Doch Handlungsdruck übt die Politik nicht aus. Sie könnte, Menge und Preis verbindlich festsetzen, überlässt es aber den genossenschaftlichen Molkereien. Letzte Chance: Herbst-AMK. Dann soll ein Ordnungsrecht auf der Basis 148 der Gemeinsamen Marktordnung ausgearbeitet sein. So die Protokollerklärung von 13 Bundesländern.
Was auf die Milchpreise drückt sind die unverändert hohen Bestände an Magermilchpulver. Die AMK fordert den Bund auf, sich in Brüssel gegen einen Verkauf in diesem Jahr zu wenden, damit das Pulver nicht zusätzlich auf die angebotene Milchmenge drückt. Milcherzeuger dürfen zwar bündeln, aber nur bis zur Grenze von 3,5 Prozent des EU-Milchangebotes. Vor allem wegen des Wegfalls Großbritanniens sollte die Bündelungsmenge erhöht werden.
Die EU will im Bereich der Schulmilch das Produkt enger auslegen. Die Agrarminister sehen darin einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Zudem seien Milchmischgetränke und Joghurts mit entsprechenden Zusätzen genauso wertvoll wie die reine Trinkmilch.
Worauf die Ackerbauern warten
Der nächste große Wurf in Berlin soll die Ackerbaustrategie sein. Über Gute Fachliche Praxis, erweiterte Fruchtfolgen und Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes soll dem Ackerbau aus der Falle von Resistenzen und Bodenverdichtungen geholfen und dem Insektensterben entgegengewirkt werden. Das alles vor dem Hintergrund, mit dem Ackerbau wieder mehr Geld zu erwirtschaften. Über die Ausgestaltung gab es aber keine Einigung. „Wir hätten gerne mehr gehabt“, sagte Hauk mit kritischem Blick auf Bündnis 90/Die Grünen. Deren Vertreterin Priska Hinz aus Hessen gingen in der Tat die Reduktionen beim Pflanzenschutz nicht weit genug. Die AMK hat zwar zu den Neonicotinoiden keinen extra Beschluss gefasst, Berlin aber gleichzeitig in Brüssel gegen die drei Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam zum Schutz der Bienen gegen die Freilandanwendung gestimmt. „Heute ist ein guter Tag für die Bienen“, sagte Julia Klöckner und bezeichnete die kleinen Insekten und wichtigen Bestäuber als „systemimmanent“. Neben Deutschland haben weitere 15 Staaten mit zusammen 76 Prozent der europäischen Bevölkerung gegen die „Neonics“ gestimmt. . „Heute ist ein guter Tag für Bienen und Insekten“, kommentiert auch der Grünenpolitiker Harald Ebner. „Aber auch für Imker, Umweltverbände und alle anderen, die seit Jahren für ein Verbot kämpfen.“ Auch Umweltministerin Anja Siegesmund in Thüringen ist erfreut: „„Es ist höchste Zeit für mehr Bienen- und Insektenschutz. Gut, dass mit dem Aus für Neonicotinoide auf Äckern ein erstes starkes Zeichen gesetzt wurde. Zum Schutz unserer Umwelt und Artenvielfalt müssen wir den Einsatz von Ackergiften möglichst schnell beenden. Dazu gehört auch Glyphosat. Im Bundesrat zeigt die Thüringer Initiative vom Ende letzten Jahres Wirkung. Mit dem heutigen Beschluss bekennt sich der Bundesrat zum Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz.“ Denn während es in Brüssel um Neonicotinoide ging, die AMK in Münster tagte, hat die Länderkammer für den Ausstieg von Glyphosat votiert. Die Anwendung müsse „grundsätzlich“ so schnell wie möglich beendet werden. Auf öffentlichen Flächen soll es sofort verboten werden.
Einigkeit besteht im Bereich der Digitalisierung, der im Bereich Ackerbau ein hohes Maß an Ressourcenschutz zugestanden wird.
Die GAP
Nur noch wenige Tage. Am 02. Mai stellt Brüssel den Haushaltsentwurf vor, Ende Mai die Kommission ihr erstes GAP-Papier. Ob in dieser Woche eine Basisprämie diskutiert wurde, wollte Julia Klöckner gar nicht kommentieren. Es wird noch vor der Sommerpause eine Sonder-AMK zum Thema geben. Christina Schulze Föcking will damit ein einheitliches Signal aller Bundesländer nach Brüssel aussenden. Das Geld wird ein entscheidender Faktor sein. „Der ländliche Raum hat im Landwirtschaftsministerium eine Heimat“, sagte Klöckner selbstbewusst und will mit der „Land-Milliarde“ der Landwirtschaft helfen. Dazu gehört auch die Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK). Dazu sollen die Länder fortlaufend über die Verhandlungen zum Bundeshaushalt informiert werden, der verlässliche Finanzrahmen frühzeitig feststehen und die Länder große Flexibilität für die Mittelverwendung erhalten. So könnten landwirtschaftliche Risikomanagement-Instrumente künftig über die GAK gefördert werden.
Staatliches Tierwohllabel
Jede Koalitionspartnerschaft hätte das Thema Tierwohllabel weiterverfolgt. „Das ist ein sehr emotionales Thema“, erklärte Julia Klöckner. Neben dem gesetzlichen Mindestmaß sei das Label ein „add on“ und daher der Freiwilligkeit unterworfen. Sonst wäre es auch eine europarechtliche Frage. Neben Haltungskriterien, gehe es den Verbrauchern um Herkunft und Haltungsform. Letztere Segmente sagten aber noch nichts über das Tierwohl aus. Kein leichtes Unterfangen, denn beim Schwein sei eine einfache Kennzeichnung wie beim Ei nicht möglich. Deutschland will sogar Vorreiter sein und mit seinem Tierwohllabel europäische Verbindlichkeiten anstoßen.
Wir streben eine Marktdurchdringung an, die nicht an eine Handelskette gebunden ist, sagte Klöckner. Das ist eine große Chance, für bestehende Initiativen, wenn wir sie mit integrieren. „Ich finde es nicht schlecht, wenn Handelsketten von sich aus aktiv geworden sind, Das war vor einigen Jahren noch undenkbar. Wir haben mit der Politik für eine gesellschaftspolitische Debatte gesorgt.“ Gegenüber Herd-und-Hof.de erklärte Julia Klöckner noch einmal den Unterschied zwischen Gesetzgebung und Tierwohllabel:
„Der Staat setzt die gesetzlichen Mindeststandards. Aber der Staat gibt auch Anreize für eine Auswahl an anderen Möglichkeiten. Wenn wir uns das Bio-Label anschauen, ist das massiv vom Staat eingeführt und finanziert worden. Und das sind keine sekundären Standards. Das Label gibt eine Auswahl und es gibt eine Orientierung. Es gibt für den, der oberhalb des gesetzlichen Standards wirtschaften will, die Möglichkeit die Arbeit auch auszuzeichnen. Wenn ich das nicht kennzeichnen kann, erkennt das der Verbraucher nicht. Dann erst habe ich die Möglichkeit, die Mehrkosten wieder zu bekommen. Wenn wir es gesetzlich für alle vorschreiben würden, wäre es eine europarechtliche Fragestellung. Und weil es mir mit dem staatlichen Tierwohllabel ernst ist, ist es der richtige Schritt, der hier in Münster viel Rückenwind erhalten hat.“
Sonstiges
Die EU hat jüngst die Umsatzsteuerpauschalierung bei den Landwirten abgemahnt. Diese sei aber nicht als Subvention, sondern als Verwaltungsvereinfachung zu sehen, weswegen der Bund das Thema in Brüssel noch einmal vorstellen soll.
Ein Dauerthema ist die TA Luft im Zusammenhang mit dem Stallbau. Gegenläufige Effekte zwischen Tierwohl und TA Luft sowie Erhalt der vielfältigen Agrarstruktur und Umsetzung der Technik sollen parallel in der Umweltministerkonferenz weiter erörtert werden.
Der Ökolandbau darf weiter auf Kaliumphosphonat hoffen. Auf Antrag des Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wird sich der Bund für eine Aufnahme des Präparates gegen den Falschen Mehltau im Rahmen der Kupferminimierungsstrategie einsetzen.
Im Rahmen der Afrikanischen Schweinepest wird geprüft, ob mittelbare Auswirkungen wie eine Vermarktungssperre für bestehende Lagerbestände an Wildfleisch im Wildhandel entschädigt werden können.
Im Bereich der Tiertransporte in Drittländer will Deutschland sich für ein Verbot vom Transport zur Schlachtung einsetzen. Sollte das nicht möglich sein, sollte der Bestimmungsschlachthof Grundkriterien einhalten. Der Grenzübertritt müsse 24 Stunden lang für die Transporte passierbar sein, so dass keine Wartezeiten anfallen. Mindestens von Deutschland aus, sollen keine Drittlandstransporte mehr erfolgen.
Roland Krieg, Fotos: roRo