Ab in den Stall
Landwirtschaft
Geflügel wird morgen aufgestallt
>Sobald Renate Künast die Eilverordnung unterschreibt (Herd-und-Hof.de vom 24.08.2005), wird wegen möglicher Kontamination mit der Vogelgrippe durch Wildgeflügel das Hausgeflügel aufgestallt oder, wenn keine Einrichtungen vorhanden sind, der Auslauf mit Netzen überspannt. Mittlerweile bekommt in weiten Teilen der Bundesrepublik das Geflügel ab morgen Hausarrest, weil die Bundesländer eigene Verordnungen herausgebracht haben.In Nordrhein-Westfalen werden die Tiere zunächst bis zum 30. November aufgestallt, sofern die Betriebe in Gegenden liegen, in denen Wasservögel Rast machen. Für alle Geflügelbesitzer gilt, dass im Freien nicht mehr gefüttert werden darf.
Der gleiche Zeitrahmen gilt auch für Niedersachsen, dass mit 72 Millionen Stück Geflügel in etwa 22.000 Beständen rund 60 Prozent des Geflügelbestandes an Hühnern, Perlhühnern, Truthühnern, Enten und Gänsen hat. Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen empfahl den Bauern, sich rechtzeitig um ausreichende Stallungen zu bemühen. Müssen Netze gezogen werden, dann muss der Tierarzt den Bestand mindestens einmal im Monat kontrollieren. Der Minister wies darauf hin, dass in den Niederlanden bereits seit dem 22. August ein Aufstallungsgebot existiert. Die Holländer hatten bei einem Ausbruch der Geflügelpest 2003 mit 30 Millionen Tieren rund ein Drittel ihres Gesamtbestandes verloren. Das Aufstallungsgebot in Niedersachsen erstreckt sich entlang der Küste über das Weser-Ems Gebiet bis nach Braunschweig.
In Wiesbaden sagte Verbraucherschutzstaatsekretär Karl-Winfried Seif Ende letzter Woche, dass das ?Risiko, dass die Vogelgrippe die deutschen Vogelbestände befällt ... von allen Fachleuten als insgesamt klein eingestuft? werde. Aber auch er sieht einfliegende, infizierte Wildvögel als Risiko an. Er folgt der Verordnung der Bundesregierung vom 04.09.2005, dass die Betriebe mit Auslauf- und Freilandhaltung ihre Tiere zwischen dem 15. Oktober und 15 Dezember auf Geflügelpest untersuchen lassen müssen. "Sollte sich die Lage verschlechtern, wird Hessen ab sofort weitere Maßnahmen ergreifen, wie die Einschränkung der Freilandhaltung, Untersagung von Vogelausstellungen und -börsen oder das Verbot des Freiflugs von Brieftauben", so Seif am Freitag.
"Aufgrund zahlreicher Rast- und Futterplätze von Wildvögeln in unserem Land sind die Halter von Geflügel angehalten, stärkere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen", verlautbarte Mecklenburg-Vorpommerns (MV) Agrarminister Dr. Till Backhaus am Freitag. Dazu werden Freilandtier aufgestallt, denn durch den Seenreichtum bietet MV dem Wildgeflügel viele Raststätten.
Wie konkret ist die Gefahr?
Dr. Thomas Jannings vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. hätte die Tiere am liebsten schon längst aufgestallt: "Es ist sicher schwierig, das Risiko einzuschätzen. Aber die Gefahr, dass sich der Virus bis zu uns ausbreiten könnte, ist da", sagte er in der Bauernzeitung. Der Göttinger Wildbiologe Prof. Antal Festetics hält die Verbreitung der Vogelgrippe für statistisch sehr unwahrscheinlich: "Es gibt keinen massenhaften Vogelzug aus Nordasien nach Europa". Die Tiermediziner der EU schätzten das Risiko auf ihrer Krisensitzung Ende August ebenfalls nur als "entfernt bis gering" ein. Die niederländische Maßnahme halten sie für unverhältnismäßig. Wachsam sollen die Bauern jedoch sein.
Prof. Dr. Uwe Gerd Liebert, Virologe der Universität Leipzig, sieht die Gefahr heute auch "nicht deutlich größer als vor einem oder zwei Jahren. Aber Medien und Politik sind sich endlich bewusst geworden." Er sieht in einem Netz über dem Freilandgehege keine Vorsorgemaßnahmen, denn es schützt nicht vor herabfallenden Kot infizierter Tiere. Er beschäftigt sich mit dem Risiko, dass die Vogelgrippe auf den Menschen überspringen kann und eine Pandemie ausbricht: Die Vogelgrippe "ist eine Kreuzung zwischen einem Influenza-Virus, das bisher nur bei einem Menschen bekannt war und einem, das nur Tiere befiel. Bislang sind laut Weltgesundheitsorganisation mehr als 15 Subtypen von Grippeviren bekannt, die Vögel infizieren können. Wenn ein Tier an mehreren Viren-Typen, darunter auch menschlichen, erkrankt und die Erreger dann auch noch in derselben Zelle aufeinander treffen, dann entsteht möglicherweise ein neues Virus. Aber von dem ist erst einmal nur der Vogel betroffen. Wenn die Tierhalter mit ihrem Geflügel sehr eng und unter schlechten hygienischen Bedingungen zusammenleben, dann kann auch der Mensch angesteckt werden. Das ist vermutlich seit Jahrhunderten so - und seit acht Jahren weiß man um die Details."
VLE