Abgerundeter Tisch zur Gentechnik

Landwirtschaft

Runder Tisch Gentechnik als Beginn eines Dialoges

>Grüne, blaue, graue oder rote Gentechnik? Verbrauchern erschließt sich schon lange nicht mehr, was sich hinter dieser Farbenlehre verbirgt. Bis zum 14. April kannte kaum jemand den Zweipunkt-Marienkäfer1) , dessen Larven, so scheint es nach einer intensiver Maiskur, hochgradig vergiftet vom Blatt rollen. Hingegen finden Münchener Wissenschaftler weder in der Kuh, ihren Exkrementen noch in der Trinkmilch Spuren von MON810. Nicht das Gen, nicht das Protein. Da fällt es nicht nur Verbrauchern schwer, Adalia bipunctata und Kühe richtig aufzurechnen - zumal Forscher mittlerweile herangegangen sind, die Marienkäferstudie auseinander zu nehmen: Während in der Studie bei einer Konzentration in Höhe von 5 Mikrogramm des veränderten Gens je Milliliter die Käferlarven signifikant eine höhere Sterblichkeit aufweisen, ist sie mit steigender Konzentration auf 25 Mikrogramm/ml nur noch „marginal signifikant“ und bei einer weiteren Erhöhung auf 50 Mikrogramm/ml sogar verringert. Da schreiben selbst die Autoren, dass diese Beobachtungen den Schluss zulassen, es fehle an einer typischen Wirkungsreaktion auf verabreichte Dosen; also keine dosenspezifische Wirkung erkennbar ist. Biosicherheitsforscher Dr. Rauschen, der sich mehrfach in offenen Briefen an das Bundeslandwirtschaftsministerium gewandt hat, kommt zum Schluss: „Die genannte Studie ist einfach schlecht gemacht!“
Welche Alltagsrelevanz ziehen Verbraucher aus so fernen Methodenstreitigkeiten?

Fünf Farben Gentechnik
Rote Gentechnik beschäftigt sich mit der Humanmedizin
Weiße Gentechnik beschäftigt sich mit der Arzneimittelherstellung
Graue Gentechnik beschäftigt sich mit Umweltrelevanten Verfahren
Blaue Gentechnik beschäftigt sich mit Meeresbiologie und Fischen
Grüne Gentechnik beschäftigt sich mit Landwirtschaft und der Nahrungsmittelverarbeitung
Bei allen werden die gleichen Verfahren angewandt

Forschung in Gefahr
Am Montag sprang Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan den Sicherheitsforschern bei: „Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Belege für gesundheitliche und ökologische Schäden durch die grüne Gentechnik.“ Am Donnerstag hat sie ihren Runden Tisch bekommen, der alle Beteiligte zusammen bringen soll. Bis dahin sahen die Wissenschaftler und Unternehmen die gesamte Forschung in Gefahr, weil im Zuge des Maisverbots Bayerns Umweltminister Markus Söder die Grundlagenforschung aus dem Freiland in die Labore tragen wollte.

GentechnikschildErgebnisse des Runden Tischs
Kurz und bündig gaben Annette Schavan und Ilse Aigner am Mittwoch das Ergebnis des Runden Tischs in Form eines Statements ab, ohne Fragen der zahlreichen Journalisten beantworten zu wollen. Aigner musste gleich weiter zur Sonder-Agrarministerkonferenz zum Thema Milch.
Aigner und Schavan bezeichneten den Runden Tisch als Beginn des notwendigen Dialog-Prozesses über das Thema Gentechnik. Grundsätzlich wolle man gemeinsam mit Wissenschaftlern, Unternehmen, Verbänden, Gegnern und Befürwortern der grünen Gentechnik „die Möglichkeiten der nächsten Dekade“, so Schavan, ausloten. „Wir bereiten uns auf neue Entwicklungen vor.“
Die Erkenntnis „es kann kein schlichtes weiter so“ geben (Schavan) hält die Gentechnik als Option zur Lösung der Welternährung offen, wenn sie auch „nur am Ende ein Thema“ ist (Aigner). Die Bundeslandwirtschaftsministerin sieht den vordringlichen Handlungsfelder in den Bereichen Zugang zu Land und Betriebsmitteln und der „good governance“, assistierte Shavan.
Die Atmosphäre des Runden Tisches sei „leidenschaftlich engagiert“ gewesen, mit „einem großen Bemühen für einen sachlichen Anfang.“
Aigner betonte, dass die Gentechnik nur eine Option in der Pflanzenzüchtung darstelle. Der wohl Anfang Juli stattfindende nächste Runde Tisch soll sich mit den Themen der Sicherheitsforschung und Freisetzung und Zulasung und Genehmigungsverfahren beschäftigen, so Aigner. Dazu gehört die Klärung der Frage „was wir in der Agrarforschung tun“, so Schavan. Die Gentechnik soll in einen großen Zusammenhang eingeführt werden.
Zu den Teilnehmern des Runden Tisches gehört der Verbraucherzentrale Bundesverband, verschiedene Universitäten, Unternehmen, das International Food Policy Research Institut (IFPRI), bei de Kirchen, der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und der Deutsche Naturschutzring.

Die Chance nutzen
Mon810 ist als Futter- und Energiepflanze gedacht gewesen. Die Stärke-Kartoffel Amflora soll Rohstoffe für die chemische Industrie liefern, die sich ebenfalls von erdölbasierten Rohstoffen verabschieden muss. Das eine hat Ilse Aigner verboten, das andere erlaubt. Doch das eine war die Alltagszulassung, das andere der Versuchsanbau. Die Chance des Maisverbotes lag gerade darin, Verbrauchern die Unterschiede wieder klar zu machen und noch einmal die Farbenlehre der Gentechnik nahezubringen – denn Kritik an der roten Gentechnik gibt es kaum noch.
Wenn also Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen in der unterschiedlichen Behandlung Mais und Kartoffel einen Schlingerkurs der CSU sieht, wenn Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Dr. Till Backhaus in der Anbaufläche von 20 Hektar Kartoffel keinen Versuchs-, sondern bereits um einen nicht mehr wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbau sieht, dann verwirrt politisches Kalkül die Chance, dass sich Verbraucher noch ein eigenständiges Bild machen können.
Der BÖLW hatte vor den Gesprächen den Wunsch geäußert, dass sie „ergebnisoffen“ geführt werden. So sollten auch die Gegner und Befürworter miteinander umgehen: Nicht peinlich schweigen, wenn ordentliche Studien keine gefährlichen Ergebnisse hervorbringen, seitens der Wirtschaft die Anregungen eines ersten „Schadensberichtes“ des BÖLW nicht ignorieren. Auch der Staat kann bei der Transparenz mithelfen, wenn er, wie es Bioland forderte, die Forschungsförderung offen legt. Der Runde Tisch hat mit der Abrüstung von emotionalen Argumenten begonnen.

Reaktionen
Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gesellschaft und Sprecher der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zeigt sich froh, dass eine pauschale Ablehnung der Gentechnik verhindert wurde. Das hätte dem Forschungsstandort Deutschland geschadet. Gentechnische Methoden besäßen das Potenzial für die Erzeugung nährstoffreicher und produktiverer Pflanzen. Die Fortsetzung des Dialogs begrüßt Mlynek ausdrücklich: „Das wird zu einer Versachlichung der Diskussion führen“.
Dr Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des BÖLW spricht von einer „extrem einseitigen Veranstaltung“. „So habe das Thema Welternährung einen Schwerpunkt gebildet, ohne das ein Vertreter einer Entwicklungsorganisation eingeladen gewesen sei.“ Positiv bleibt die Aussicht auf die Fortführung der Gespräche: „Wenn dann eine gleiche Gewichtung verschiedener Systeme herauskommt und eine Abkehr von der Vorstellung, dass man unter Innovation nur Biotechnologie zu verstehen hat, dann wird sich der ökologische Landbau an dieser Diskussion gerne beteiligen.“
Die Imkerverbände haben in einer gemeinsamen Erklärung Schavan vorgeworfen, die Bienen als nicht systemrelevant zu betrachten. Die Imker sind bei der Gestaltung des Runden Tisches unberücksichtigt geblieben. Doch gerade „bei Forschungsfreisetzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen sind Imker unmittelbar betroffen.“ Weil Industrie- und Pharmapflanzen die Zulassung als Lebensmittel fehlt, gefährde deren Pollen im Honig seine Verkehrsfähigkeit. Weder beim kommerziellen Anbau noch bei den Freisetzungen gebe es Regeln zum Schutz der Imker.

Lesestoff:
1) Effects of Activated Bt Transgene Products (Cry1Ab, Cry3Bb) on Immature Stages of the Ladybird Adalia bipunctata in Laboratory Exotoxicity Testing. Archives of Environmental Contamination and Toxicology Volume 56, Number 2, February 2009, Springer New York (ISSN 1432-0703)
Wissenschaftliche Kritik an den Studien finden Sie unter www.transgen.de

Roland Krieg; Foto: roRo

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