Abseitspfiff gegen Rukwied
Landwirtschaft
Keine Alleingänge bei der Initiative Tierwohl
Obwohl die Initiative Tierwohl von Deutschem Bauernverband (DBV) und dem Lebensmitteleinzelhandel ein fragiles Gebilde ist, kann es eine Revolution in Deutschland auslösen. Ähnlich wie beim grünen Strom wird per Massenbilanz abgerechnet. Der Kunde schießt einen Vertrag mit einem Öko-Anbieter in der Ferne, bekommt aber weiterhin Kohlestrom geliefert. Den bezahlten Mengenanteil verrechnen die Anbieter unter sich. Die Initiative Tierwohl ist zwar kein Öko-Label, funktioniert aber genauso. Der Handel muss nicht fünf verschiedene Schnitzel mit unterschiedlichen Standards bereit halten, sondern kanalisiert für jedes Kilo Schweine- und Geflügelfleisch vier Cent in den Fond, aus dem die teilnehmenden Betriebe finanziert werden. Zum einen erspart dieser Weg die ständige Diskussion um die gute, bessere und die beste Wurst, zum anderen kommen mehr Schweine als unter allen anderen Siegeln zusammen gehaltenen Tieren in den Genuss eines Tierwohls. Mit niedrigeren als den Öko-, aber über den gesetzlichen Standards. Kritikpunkte gibt es also genug – aber auch gute Gründe, die Initiative genauso umzusetzen.
Ein anderer Punkt ist die finanzielle Ausstattung. Nicht alle Betriebe, die sich beworben haben, konnten berücksichtigt werden. Übertraf der Run die Erwartungen oder waren die Initiatoren zu zögerlich? Mehr Geld für mehr Betriebe muss her. Vielleicht erst in drei Jahren, wenn die erste Phase zu Ende geht oder früher, sobald sich die Beteiligten darüber abgestimmt haben. Mehr Geld kann aber auch höhere Standards bedeuten. Die Frage bleibt offen und sollte eher der Ausweitung der betrieblichen Basis dienen, denn die niederländischen und dänischen Schweinehalter fühlen sich durch Teilnahmeausschluss im Binnenmarkt diskriminiert. Die EU fürchtet die Diskriminierung derzeit nicht, wohl aber das Bundeskartellamt etwaige Absprachen über die Verwendung der Fondsgelder.
Ruhe ist oberstes Gebot, bis alle sich an die Initiative Tierwohl gewöhnt haben. Doch am Freitag brach Bauernpräsident Joachim Rukwied diese Ruhe und vermeldete die Bereitschaft der Schwarz-Gruppe, den Fondsbeitrag von vier auf sechs Cent zu erhöhen. Was Kaufland und Lidl wohl als Attacke gegen Mitbewerber im Lebensmittelhandel feiern dürften wurde von der Agrarpresse dienstbeflissen verbreitet. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter forderte dann auch gleich alle Beteiligten auf, dem Beispiel zu folgen und die noch-nicht-Beteiligten, sich anzuschließen.
Bis das Büro der Initiative Tierwohl ein paar Stunden später zum Abseitspfiff blies. Über eine Anpassung des Beitrags ist die Initiative bereit. Der Verein ist aber eine Gemeinschaft aus allen Teilen des Lebensmittelhandels, der Fleischwirtschaft und der Landwirtschaft: „Die Entscheidung über eine Anhebung des Beitrags muss von allen teilnehmenden Unternehmen des Lebensmittelhandels gemeinschaftlich getragen werden“, stellten die Bonner klar.
Gleichwohl treibt die Initiative die Marktbeteiligten zu größerem Engagement an. Der Deutsche Tierschutzbund fährt zweigleisig und steigt in den Aufsichtsrat der Initiative Tierwohl ein und beteiligt sich am dem Projekt „Ringelschwanz“. Für sein eigenes Label mit dem Bundesministerium konnte der Tierschutzbund mit dem Einstieg von Tönnies einen weiteren Erfolg verbuchen.
Roland Krieg