Ackerbauern müssen umdenken
Landwirtschaft
DBV-Ackerbautagung im Schatten vieler Herausforderungen
In vier bis acht Wochen sind die Landwirte wieder mit ihren Mähdreschern unterwegs. Mit der Sommergerste beginnen die Erntearbeiten auf dem Feld. Je nach Witterung ist es Ende Juni bis Ende Juli soweit. Zeit, sich in Berlin beim Deutschen Bauernverband (DBV) zu versammeln und auf der 5. Ackerbautagung auf die Politik einzustellen. Denn die sonnigen Zeiten scheinen vorüber, wie der DBV in seiner Einladung schreibt. Der Blick auf eine vierte sehr gute Ernte weltweit lässt den Preisen kaum Raum für Aufwärtsbewegungen.
Der Fachvorsitzende für Getreide, Wolfgang Vogel, fragte, ob ein Umdenken wie in der Tierhaltung mittlerweile auch im Ackerbau notwendig sei? Die Düngeverordnung werde „gravierende Änderungen der Guten Fachlichen Praxis“ nach sich ziehen.
Auch wenn in den Fachmagazinen im Rahmen der Schädlingsbekämpfung der Hinweis auf die neue Rolle der ackerbaulichen Maßnahmen stetig wiederholt werde, scheint der Verlust an Wirkstoffen an der Basis noch nicht angekommen zu sein, befürchtet Vogel. Dazu gehört auch die umständliche und alle Fristen überschreitende Zulassungspraxis in Deutschland. Die EU werde im Herbst dieses Jahres eine öffentliche Konsultation zur Zulassung durchführen. Die Praxis solle sich auf eine einzige Bewertungs- und Zulassungsbehörde einigen, die fachlich im Geschäftsbereich der Landwirtschaft liege und nicht politisch agiert.
Reduktionsplan PSM
Am Tag vorher hatte Bündnis 90/Die Grünen einen eigenen Reduktionsplan zur Reduzierung der Pflanzenschutzmittel vorgestellt. Vor dem Hintergrund des Artensterbens wird ein Pflanzenschutz jenseits von Pestiziden gefordert. Die Grünen fordern einen Systemwechsel, bei dem der Wegfall von Wirkstoffen nicht durch neue Wirkstoffe ersetzt werden dürfte. Vielmehr sollen robuste Sorten, Fruchtfolgemaßnahmen und Bodenbearbeitung wieder ihre Rolle im Pflanzenschutz erhalten.
Wolfgang Vogel unterstützt die Forderung, den Integrierten Pflanzenschutz auszubauen. Er kritisiert aber, dass der bestehende „Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ als „Kosmetik“ bemängelt wird und die Grünen sich dort nicht an der Diskussion beteiligen.
Neue Züchtungsmethoden
Vogel befürchtet, dass die Diskussion um die neuen Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas oder Talen, die als Genom Editing (GE) bezeichnet werden, ähnlich wie die Diskussion zur grünen Gentechnik verlaufe. Dabei unterscheiden sich die Pflanzen nicht von ungewollten Mutationen und es werden keine Fremdgene eingesetzt. Er fordert die Züchter aber auf, nicht nur herbizidtolerante Pflanzen zu entwickeln.
GAP 2020
Nirgendwo wird so intensiv über die nächste Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) diskutiert, wie in Deutschland. Udo Hemmerling vom DBV prognostiziert eine Übergangszeit von zwei bis drei Jahren. Die GAP 2020 werde sich durch die 2019 vorgesehenen Wahlen zum EU-Parlament und durch die Brexit-Verhandlungen verzögern. Noch ist alles offen, wie die nächste GAP wird. Das Zwei-Säulen-Modell steht in anderen Mitgliedsländern nicht in Frage und vor allem Osteuropa pocht auf eine stärkere und gegenüber der West-EU angepasste erste Säule. Die Ziele des DBV seien in den Forderungen des europäischen Bauern- und Genossenschaftsverbandes Copa Cogeca weitestgehend aufgenommen worden: Zwei Säulen, keine Kappung und Degression sowie Kopplung nur bei Produkten, die in extensiven Regionen innerhalb der EU erzeugt werden. Brüssel ist nicht Berlin, unterstrich Hemmerling.
Auch die SPD hat in ihrem Wahlprogramm für die Landwirtschaft deutlich moderatere Töne angeschlagen, als derzeit aus dem Umweltministerium zu hören sind. Die stark umweltbetonte Agrarpolitik findet demnach keine Mehrheit in der EU.
Betriebliche Risikovorsorge
Wichtiger wird hingegen die betriebliche Risikovorsorge. Fast ein Drittel der europäischen Landwirte ist über 60 Jahre alt. Die Nachfolgefrage bleibt ungeklärt, so dass in den nächsten zehn Jahren europaweit bis zu 50 Prozent der Bauern verschwinden. Das ist ein Umbruch in der Agrarpolitik, erläuterte Jens Schaps von der GD Agri in Brüssel. Der Agrarbereich müsse sich öffnen und andere Allianzen schmieden. Pflanzenschutzmittel für Flächen einzufordern, die einen Vorrang durch ihre ökologische Ausrichtung erhalten, sei nicht mehr vermittelbar.
Die GAP baue bereits heute auf Intervention, Krisenhilfe und Sicherungssysteme, um die Betriebe resilient gegen Marktschwankungen zu machen. Das Produktionsrisiko müsse aber der Landwirt mit Solidaritätsfonds und Versicherungslösungen übernehmen. Die Politik kann die Einkommenssicherung über Direktzahlungen stützen. Die Politik für den ländlichen Raum wirke Einkommen stabilisierend. Dafür wurden 130 Millionen Euro in der zweiten Säule eingestellt, aber nur von Italien, Ungarn und der spanischen Region Castilla y Leon in Anspruch genommen.
Die oft diskutierte „3. Säule“, Subventionen für Versicherungslösungen zu zahlen, sei nicht zielführend, so Schaps Am Ende werden damit die Versicherungen subventioniert, die sich das Geld über höhere Prämien holten.
Roland Krieg