Ackerfläche schützen wie den Wald

Landwirtschaft

Landwirtschaftliche Bodennutzung im Petitionsausschuss

Auf dem Bauerntag in Koblenz startete der Deutsche Bauernverband (DBV) die Flächenuhr, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wie viel Ackerfläche jeden Tag durch Gewerbegebiete, Neubausiedlungen und Wegenetz verloren geht1). Daraus wurde eine Petition, die mit mehr als 212.000 Unterschriften am Montag vor dem Petitionsausschuss des Bundestages beraten wurde.

Es braucht mehr als guten Willen

Im Koalitionsvertrag steht das Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, der Nachhaltigkeitsrat gibt mit 30 Hektar am Tag die Zielmarke vor und die Charta für Landwirtschaft und Verbraucher, die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner auf der Grünen Woche vorgestellt hat, spiegeln den Willen der Beteiligten wider, die aktuelle Wegmarke von 87 Hektar zu verlassen. Doch in den letzten Jahren habe sich der Flächenverbrauch nach Bauernpräsident Gerd Sonnleitner in den Bundesländer wieder erhöht. In Bayern sogar um 20 Prozent.
Daher hat der DBV erstmalig den Weg der Petition beschritten, um ein Signal an die Politik zu senden. Es haben nicht nur Bauern, sonder auch Bürger, vor allem aus dem ländlichen Raum unterschrieben und damit ein breites Meinungsbild geäußert.
Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, sieht die Zielsetzung und die Vorschläge in der Petition im Einklang mit der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 den Flächenverbrauch auf 30 Hektar zu reduzieren und gab sich optimistisch, das Ziel zu erreichen. Das Ministerium sei dabei einen Verweis in das Baurecht zu setzen, die Belange der Landwirtschaft zu berücksichtigen.
Denn offenbar fehlt der Umsetzung des Willens die rechtliche Grundlage. Daher der Vergleich mit dem Wald, der rechtlich einem besonderen Schutz unterliegt. Für Gerd Sonnleitner ist das Landwirtschaftsgesetz der Hebel für die Kommunen, die Ackerfläche nicht mehr als „freiwillige Verfügungsmasse“ einzusetzen.
Es müsse alles dafür getan werden, das Bauen im Außenbereich gegenüber der Innentwicklung nicht weiterhin zu erleichtern, so Sonnleitner. Im Gegenteil müssten Flächen im Außenbereich sogar wieder entsiegelt werden.

Nutzung im Vordergrund

Sonnleitner nahm die Vorstellung zum Anlass, auf die Argumente von Umweltverbänden einzugehen, die dem DBV unterstellen, dem Naturschutz keine Flächen mehr zu gönnen. Zuerst geht es dem DBV um einen Schutzstatus, die Fläche für eine landwirtschaftliche Nutzung zu erhalten. Ob diese dann mit Weizen oder extensiv für den Erhalt der Biodiversität zur Verfügung steht, bleibt demnach offen.
Offen bleibt daher auch, wie viel Fläche wirklich verloren geht. Nach Peter Bleser vermehrt sich in Deutschland die Waldfläche täglich um 35 Hektar und es kommen rund 12 Hektar Fläche hinzu, die wieder vernässt werden. Wer baut, muss Ausgleichsflächen schaffen. Laut Friedrich Ostendorff (agrarpolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen) gibt es jedoch nur wenige Zahlen, wie viel Ausgleichsflächen die Länder geschaffen haben. In Bayern sind es 0,4 Prozent der Landesfläche, in Thüringen 0,1 Prozent und in Schleswig-Holstein 1,6 Prozent. Im Norden sei auch definitiv ein Drittel der Fläche aus der landwirtschaftlichen Produktion entschwunden. Eine Ausgleichsfläche muss nicht gleichbedeutend mit Verzicht der landwirtschaftlichen Produktion einher gehen, so Ostendorff. Die Bauern sind es gewohnt, mit Auflagen zu wirtschaften.

Wie viel Ausgleich?

Konsens gibt es bei der Formel „Innenentwicklung statt Außenentwicklung“, bei der das Bauen auf der Grünen Wiese erschwert bis unterbunden werden soll. Strittig hingegen ist die Bewertung der Ausgleichsfläche. In Schleswig-Holstein errechnet sich diese für den Bau eines Windrades nach der Formel: Nabenhöhe mal Rotordurchmesser zuzüglich der Hälfte der von den Rotoren bestrichenen Kreisfläche. Damit soll der Lebensraumverlaust und die Zerschneidungswirkung der Anlage ausgeglichen werden. Nach Sonnleitner sind das zwischen vier und sieben Hektar. Zudem zahlt der Anlagenbauer einen Ausgleich für die „Beeinträchtigung des Landschaftsbildes“, der sich aus Landschaftsbildwert und durchschnittlichen Grundstückspreis errechnet. Offen bleibt, ob diese Gelder in den Vertragsnaturschutz fließen könnten, wie es Dr. Christel Happach-Kasan, Agrarpolitikerin der FDP, vorschlägt.
Ausgleiche sind nicht einheitlich. Das Bundeslandwirtschaftsministerium befinde sich nach Bleser in einer Gesprächsrunde mit den Kommunen, die für die Umsetzung verantwortlich sind. Entstehen soll eine Kompensationsverordnung, die den Flächenausgleich deutlicher regelt.

Lesestoff:

1) Start der Flächenuhr in Koblenz

Nach Analyse der Grünen wird als Ausgleich für den Verlust an Ackerland Grünland umgebrochen

Ist die extensive Weidewirtschaft ein Verlust landwirtschaftlicher Produktion?

Roland Krieg

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