Afrikanische Schweinepest im Landkreis Spree-Neiße

Landwirtschaft

Die ASP wird noch Jahre in Deutschland bleiben

Jerischke
Jerischke

Der Optimismus, die Afrikanische Schweinepest (ASP) wie Tschechien oder Belgien schnell zu bewältigen, waltete nur am Tag des ersten ASP-Fundes am 10. September 2020. Kurz vor dem Jahrestag ist der Optimismus verschwunden. Es gibt nur wenig Hoffnung, das Seuchengeschehen bald zu überwinden. Olaf Lalk ist stellvertretender Landrat im Brandenburger Landkreis Spree-Neiße und rechnet mit zwei bis drei Jahren. Am Mittwoch hatte er Bürgermeister der betroffenen Orte und Presse nach Jerischke zu einem Gespräch eingeladen.

Der Verlauf der ASP im Landkreis

Im Landkreis Spree-Neiße wurde das erste mit ASP infizierte Wildschwein aufgefunden. Das Virus ist für Wild- und Hausschweine tödlich, für Menschen aber ungefährlich [1]. Der südliche Kreisteil konnte lange von der Krankheit geschützt werden. Im März 2021 wurde allerdings ein totes Wildschwein östlich des Festzauns auf polnischer gefunden, das bei der Überquerung in den Landkreis offenbar gescheitert war. Für Amtstierarzt Dr. Hilfried Kröber war das ein Signal, dass die ASP auch über den Vektor Wildschwein in den südlichen Teil drängt. Kurze Zeit später wurden drei weitere Wildschweinkadaver gefunden. Zu dem Zeitpunkt hofften die Veterinäre, dass der stabile Zaun doch gut ist und „die ASP aus Polen aufhält.“

stv. Landrat Olaf Lalk
Olaf Lalk

Das währte nicht lange. Mitte Juni wurde in Teichhäuser auf halbem Weg zwischen Jerischke bei Döbern und der polnischen Grenze „eine ganze Rotte an ASP verendet“ aufgefunden. Ein zweites Großereignis begab später sich in der Gemeinde Neiße-Malxetal mit dem Ortsteil Groß Kötzig. Mehrere Wildschweinkadaver wurden dabei in direkter Nähe einer Bio-Schweinezucht aufgefunden. Innerhalb kurzer Zeit verendete wegen des räumlichen Infektionsdrucks das erste Hausschwein in Deutschland an der ASP.  

Olaf Lalk richtete mit dem Geschehen bei Teichäuser sofort einen Krisenstab mit Meldestelle und Zeltstadt in Jerischke ein.  Der Landkreis ist vom so genannten Muskauer Faltenbogen durchzogen. Dieser erstreckt sich von Brandenburg über Sachsen bis in die Woiwodschaft Lebus. Es ist eine Stauchendmoräne aus der Elstereizeit und hat bis heute eine Vielzahl an sumpfigen und moorigen Wasserstellen hinterlassen. „Das fiebernde, kranke Schwein versucht immer, dort hinzugelangen, wo Feuchtigkeit und Kühlung vorhanden sind“, sagt Lalk. Dort verendet es. Das macht die Fallwildsuche in hügeligen Gelände mit dichter Vegetation und teils dornigen Brombeergestrüpp aufwendig.

Dashboard

Das Dashboard

Mittlerweile hat Lalk eine Suchgruppe von 200 freiwilligen Helfern zusammen, die in zwei Schichten in Gruppenstärke von zehn bis 12 Personen um acht Uhr morgens und 12 Uhr mittags unterwegs sind. Sie haben ein Smartphone für ein GPS-Tracking bei sich und überspielen damit ihre Suchregionen digital auf ein so genanntes Dashboard. Dort erscheinen die abgesuchten Gebiete als grüne Fläche. Das Dashboard aktualisiert sich minütlich. Kadaver und Befunde vom Friedrich-Loeffler-Institut sind ebenfalls markiert. Die Einsatzzentrale kann Hotspots ausmachen, denn für eine flächige Suche sind der Landkreis und das betreffende Gebiet viel zu groß. Es stehen auch drei Drohnen und noch zwei weitere im Hintergrund für die Suche nach Fallwild bereit.

Die Lage

Es ist komplex. Es gibt neben dem ASP-Kerngebiet zwei weitere Sperrzonen (II) und I als Pufferzone mit unterschiedlichen Regeln. Im gefährdetet Gebiet ist das Betreten des Waldes verboten, was angesichts der botanischen Situation alles andere als einfach ist. Die Region ist zudem prädestiniert für Pilzsucher aus allen Nachbarregionen. An den Straßen sind Warnschilder aufgestellt, doch was jedem einzelnen erlaubt ist und wie die Verhaltensregeln im Alltag umzusetzen sind, muss in einfacher Sprache übermittelt werden. Die Bewohner vor Ort werden über das Amtsblatt und auch mit Posteinwürfen informiert. Für die Pilzsucher gibt es zunächst einmal einen zweisprachigen Hinweis, der hinter den Scheibenwischer geklemmt wird. Lalk will nicht gleich „die ordnungsrechtliche Keule“ herausholen, zumal ein Verfahren auch noch zusätzlich personal bindet. Er setzt auf das Verständnis der ansässigen und anreisenden Menschen.

Das Personal

Die Bundeswehr, die vor einiger Zeit im Norden noch ausgeholfen hat, ist derzeit wieder im eigentlichen Übungsbetrieb oder zur Fluthilfe nach Westdeutschland abgerückt. Seit fast einem Jahr sind die Kräfte aus Freiwilliger und Berufsfeuerwehr sowie THW und viele ehrenamtliche unermüdlich im Einsatz. Die Verwaltung ist mit Coronamaßnahmen ausgelastet, die Veterinäre hatten witterungsbedingt bis vor kurzem noch die Geflügelpest zu managen. Die A 15 als West-Ost-Trasse erfordert bei Tiertransporten und Zollkontrollen zusätzliche Arbeit wie der jüngste Schwerpunkt der Bundesregierung, den illegalen Welpenhandel zu unterbinden. Das alles kommt zum Veterinäralltag noch hinzu. Am kommenden Sonntag ergänzen 20 neue THW-Kräfte in Jerischke die Fallwildsuche und helfen beim Zaunbau.

Die Maßnahmen

Nach den Großfunden bei Teichhäuser und in Neiße-Malxetal hat der Landkreis einen Elektrozaun nach Westen hin gebaut. Zu drei Viertel ist der fertig und als schnelle Übergangslösung gedacht. „Es ist uns klar, dass der Zaun keine Dauerlösung ist und flüchtende Rotten nicht aufhalten kann“, erklärte Lalk. Damit soll aber auf die Schnelle die Ausbreitung der ASP in Richtung Westen  unterbunden werden. Im August wird der Zaun durch einen stabilen Festzaun ersetzt. 1,20 Meter hoch und mit einem Maschengeflecht, das robust gegen einen ersten Wildschweinangriff ist.

Landschaft bei Jerischke
Landschaft bei Jerischke

Gleichzeitig Zaun Bestandteil des Korridors entlang von Oder und Neiße, der den Raum bis zur polnischen Grenze wildschweinfrei macht (Weiße Zone). Das sei das „Bollwerk“ gegen die Ausbreitung der ASP aus dem Osten. Diese Aufgabe werde aber nicht innerhalb eines Vierteljahres umgesetzt werden können und sich hinziehen, erklärte Lalk.

Vergangene Woche haben die Bürgermeister mit den Jägern und diese Woche mit den Landwirten über die Situation gesprochen. Dier Erntejagd muss mit den Jägern abgestimmt werden.

Der Biobetrieb

Die neueste Dramatik der ASP ist der Einbruch des Virus in einen Hausschweinbestand. Der Biobetrieb hält Zuchtsauen und Zuchteber und baut für den Ökolandbau die Population an Ökoschweinen auf. Zudem beteiligt er sich an landesweiter Forschung zur Haltung von Ökoschweinen. In diesem Jahr sollte ein Endbericht erstellt werden. Am vergangenen Samstag wurden insgesamt 313 Tiere, Sauen, Ferkel und Eber gekeult. Jahrelange Zuchtarbeit wurde innerhalb von 12 Stunden zunichte gemacht, bedauerte Dr. Kröber. Die Agrargenossenschaft ist ein wichtiger Garant für Beschäftigung und Wirtschaftskraft.

Der Biobetrieb hat alle Buchten im Stall mit Auslaufflächen für Sauen und Ferkel ergänzt. Die Tiere können selbstständig zwischen Innenraum und Freiluftterrasse wählen. Mit den ASP-Wildschweinfunden hat der Betrieb nach Dr. Kröber seine Biosicherheitsmaßnahmen verstärkt, einen doppelten Zaun gebaut und die Aufstallung gewährleistet. Der Zugang zum Auslauf wurde den Tieren nicht mehr gestattet. Betriebsfremde Personen durften den Betrieb nicht mehr betreten und an den Türen wurden Seuchenmatten ausgelegt. Derzeit ermittelt eine Task Force, wie das Virus in den Stall gelangte, mit epidemiologischen Untersuchungen und einer Betriebsüberprüfung. Dr. Kröber wollte den Ergebnissen nicht vorgreifen und über mögliche Vektoren spekulieren. Grundsätzlich habe die Nähe des Fallwildes einen sehr großen Infektionsdruck ausgeübt. Da kommen kleinere und fliegende Aasfresser zusätzlich ins Spiel, so Kröber.

Mit den zahlreichen Auslaufbuchten hat der Betrieb auch eine hohe Zahl an Durchlässen, die verschlossen werden müssen. Im Interview mit Herd-und-Hof.de bestätigte Dr. Kröber: „Diese Auslaufhaltung ist mit meiner Allgemeinverfügung verboten worden, Das haben wir kontrolliert und das hat der Betrieb auch eingehalten. Eine Nicht-Einhaltung der Auflagen, kann ich nicht bestätigen.“ In den Auslaufbuchten sind keine Fütterungsmöglichkeiten vorgesehen, erklärt der Amtstierarzt weiter. Die Fütterungsautomaten sind alle im Stall platziert. „Die Auflagen sind vom Betrieb vorbildlich eingehalten worden.“

Das hat auch der Bürgermeister von Neiße-Malxetal, Eberhard Müller, bestätigt.

Hilfried Körber
Dr. Hilfried Kröber

Die Aufstallung

Dr. Körber hat die Freiland- und Auslaufhaltung als wünschenswert bezeichnet. Nach EU-Ökoverordnung ist der Zugang von Schweinen außerhalb des Stalls vorgeschrieben. Für die Ökobranche ist das ein Marktparameter. Politik und Verbände suchen nach Lösungen, wie Auslauf und ASP in Einklang gebracht werden können. Auch wenn die Biobetriebe, die Aufstallung in den Restriktionsgebieten einhalten, legen sie erfolgreich Widerspruch gegen Aufstallung und Schlachtanordnung ein. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sammelt Spenden für eine grundsätzliche, juristische Feststellung.

Das führt zu Spannungen mit konventionellen Schweinehaltern, die, wie allerdings auch das Friedrich-Loeffler-Institut, in dieser Haltungsform ein besonderes Risiko sehen [2].Für Kröber ist die Lage eindeutig: „Hinsichtlich der seuchenhygienischen Maßnahmen ist die Freiland- und Auslaufhaltung kritisch zu sehen. Sie ist sogar strikt abzulehnen. Aus ökologischer Sicht und in Bezug auf das Tierwohl ist diese Haltung zwar wünschenswert, aber wir befinden uns in einer Seuchenlage. Und wir müssen vor die Seuche kommen.“

Kröber verspürt keinen Druck von den Betrieben, dass rechtlich gesehen offenbar eine Regelungslücke für die Auslaufhaltung existiert. Der Amtstierarzt klärt die Lage einvernehmlich mit den Betrieben und dem dazugehörenden Verband. „Letztlich bin ich als Amtstierarzt vor Ort für die Einhaltung der seuchenhygienischen Regeln verantwortlich. Davon hängt auch die Entschädigung über die Tierseuchenkasse ab.“

Einsatzzentrum Jerischke
Einsatzzentrum Jerischke

Vor die ASP-Welle kommen

Das Ziel ist nicht so einfach. Der Landkreis Spree-Neiße spürt den Infektionsdruck von Norden aus Brandenburg und vom Süden aus von Sachen. Das Virus muss nicht mehr zwingend aus Polen kommen. Erst im Mai hat Rita Blum, Vorsitzende der Interessensgemeinschaft er Schweinehalter in Sachsen (IGS), im Interview mit dem Fachmagazin „SUS-Online“ die schlechte Stimmung bei den Schweinehalter wegen der sich ausbreitenden ASP ausgemacht. Die IGS hat eine Initiative gestartet, gerade bei Kleinstbetrieben, die sich umfangreiche Biosicherheitsmaßnahmen nicht leisten können, den Bestand heraus zukaufen.

Niedersachsen mit seinen viehdichten Regionen hat Ende vergangener Woche eine Rahmenvereinbarung mit der AN Vorsorge GmbH in Großenkneten abgeschlossen. Die GmbH ist künftig die zuständige Wildtierseuchen-Vorsorgegesellschaft und für die Einrichtung von Vorhaltemaßnahmen, die Durchführung von angeordneten Bekämpfungsmaßnahmen im Auftrag der zuständigen Veterinärbehörde sowie die Weiterentwicklung für Bekämpfungsmaßnahmen zuständig. Die Gesellschaft soll bereits bei vor dem Ausbruchsfall (Stufe 0) ausreichend Material und Personal bereithalten.  

Ein Herauskaufen von Kleinstbeständen kommt für das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nicht in Frage, teilt eine Sprecherin Herd-und-Hof.de auf Anfrage mit. „Auch Kleinstbestände können und müssen sich schützen.“  Die Zuständigkeit für den Widerruf bei Anordnungen liege bei den Landkreisen, aber „wir haben seit Jahren kommuniziert, dass es keine Freilandhaltung in der infizierten Zone geben kann und wird. Es gibt Wege und Möglichkeiten, die Haltung so zu gestalten, dass die Schweine in geschlossenen Räumen gehalten werden. Dazu gibt es wirtschaftsseitig tragfähige Lösungen.“ Das Beispiel Brandenburg zeige, „dass das Risiko nicht zu vernachlässigen ist.“

Vor die Welle möchte auch Sachsen-Anhalt kommen. Mit der A2 führt eine bedeutende Ost-West-Verbindung durch das Land. Elektrozaun und fester Zaun sind nach Mitteilung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie vorhanden. Auch mobile Container für die Zwischenlagerung von Kadavern hat das Land angeschafft. Nach dem Einbruch der ASP in einen Hausschweinebestand in Brandenburg hat das Ministerium Landwirte und Verbände auf die Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen erneut aufmerksam gemacht.

Magdeburg kann sich ein Herauskaufen von Kleinstbeständen vorstellen. Das ist eine politische Entscheidung, „welche lageabhängig im Seuchenfall entschieden werden muss“, teilt das Ministerium auf Anfrage mit. Bei Widerspruch setzt das Ministerium auf langen Atem. „Über einen Widerspruch von Bio-Betrieben gegen die Aufstallungspflicht wird vom Landesverwaltungsamt entschieden. Sofern dem Widerspruch von der anordnenden Behörde nicht abgeholfen werden kann. Und wenn das Landesverwaltungsamt dem Widerspruch ebenfalls nicht abhelfen kann, steht dem Biobetrieb der Klageweg offen.“

Felix Prinz zu Löwenstein (BÖLW) wiederholt gegenüber Herd-und-Hof.de: "Das Friedrich Löffler Institut empfiehlt die Aufstallung in Risiko-Gebieten. Gleichzeitig sind Übertragungswege der ASP nicht klar. Im Bio-Betrieb, in dem sich eine Sau mit der Seuche ansteckte, waren die Tiere bereits seit längerer Zeit im Stall, was zeigt, dass die pauschale Aufstallung offenbar keine Lösung für Seuchenbekämpfung ist. Langfristig muss geschaut werden wie eine tier- und umweltfreundliche innovative alternative Haltung von Schweinen und anderen Tieren, die durch Seuchen gefährdet sein können, realisiert werden kann. Dazu braucht es Forschung & dementsprechend betriebsinidividuelle Seuchensicherheitskonzepte sowie die Unterstützung der Betriebe, diese gut umzusetzen."

Lesestoff

[1] ASP im Landkreis Spree-Neiße: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/id-70-000-hektar-brandenburg-unter-generalverdacht.html

[2] Der Fokus auf Wildschweine ist ungenügend: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/asp-der-fokus-auf-wildschweine-ist-ungenuegend.html

Roland Krieg; Fotos: roRo

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