Agrarministerkonferenz in Berchtesgaden

Landwirtschaft

Agrarpolitik: Kaum einen Schritt weiter

Die Agrarministerkonferenz (AMK) in Berchtesgaden hätte planmäßig Schritte zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) formulieren sollen. Doch die liegt noch nicht vor und wird derzeit im so genannten Trilog zwischen Europäischem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission ausgehandelt. Ebenfalls wird in Brüssel noch über die endgültige Ausgestaltung des EU-Budgets beraten. Vor Sommer sollte eine Einigung vorliegen.
Daher konnten die Agrarminister nicht alles festlegen – schon gar nicht, weil die unterschiedlichen Ansichten der Länder bei so viel offenen Detailfragen besonders stark hervortraten. So wird dann im August die zweite AMK in Würzburg unter bayerischem Vorsitz eine Einigung erzielen müssen. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sprach am Freitag auch nur von einer Grundlage, die für eine konkrete Umsetzung erzielt werden konnte.
Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) warb um Verständnis, dass es schwer sei, 16 Bundesländer mit unterschiedlichen Strukturen unter einen Hut zu bringen. Daher begrüßte Brunner die Teilnahme von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, der einen Einblick in die deutschen Diskussionen nehmen konnte [1].

Hoffen auf Brüssel

Beim so genannten Greening hält die AMK am Beschluss von Suhl fest. Die Umweltauflagen sollen jedoch praxisgerecht sein. Daher sollen Betriebe mit hohem Grünlandanteil vom Greening ausgenommen werden. Zur Möglichkeit einer extensiven Bewirtschaftung soll der Anbau heimischer Futterpflanzen erlaubt werden. Die AMK hofft dabei auf Flexibilität aus Brüssel, diesen Punkt im Trilog noch aufzunehmen.
Die AMK will die kleinen Betriebe besonders unterstützen, indem die ersten Hektare stärker gefördert werden. Der Erhalt der kleinen Betriebe sei ein Betrag für die vielfältige Kulturlandschaft und sichere die flächendeckende Landbewirtschaftung. Über die Höhe wurde nicht diskutiert.
Das Auslaufen der Milchquote in zwei Jahren dürfe weder einen Bruch noch Marktverwerfungen auf dem Milchmarkt nach sich ziehen. Zur Absicherung soll ein ganzjähriges Interventionsprogramm zur Verfügung stehen. Der Vorschlag des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), die mit einem Traktorenzug zur AMK für einen freiwilligen Lieferverzicht gegen Entschädigung bei Marktüberversorgung demonstrierten, wurde nicht abgelehnt – aber auch nicht unterstützt. Der Vorschlag, der auch vom Europäischen Parlament mitgetragen wird, müsse noch näher überprüft werden.
Beim Wein hingegen soll das Pflanzrecht, das quasi wie eine Quote wirkt, weiter Bestand haben, damit die landschaftsprägenden und ökologischen wertvollen Steillagen erhalten bleiben. Gegenwärtig ist geplant, Das Pflanzrechtsystem 2030 aufzuheben.

Deutsche Agrarpolitik

Es ging nicht nur um die GAP. Die Bundesregierung soll sicher stellen, dass der Flächenverbrauch dringend verringert werden muss. Die Kompensationsverordnung, die gerade überarbeitet wird, soll Rücksicht auf Flächen der Land- und Forstwirtschaft nehmen.
Zur Förderung der regionalen Produktion soll die Bundesregierung prüfen, den Mehrwertsteuersatz bei der Verpflegung in Schulen und Kindertagesstätten zu ermäßigen.

Greening nicht aufweichen

Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern (SPD), will die Mindeststandards des Greening behalten: „Wir haben dem Kommissar mit auf dem Weg gegeben, dass er in den anstehenden Trilogverhandlungen dafür kämpfen muss, dass seine Vorstellungen zur Ökologisierung der Agrarpolitik umgesetzt werden.“
Für die Milchbauern sollen die Interventionsmöglichkeiten flexibel eingesetzt werden. So soll die starre Obergrenze für Erzeugerorganisationen fallen.
Beim Thema Neonicotinoide fordert die AMK die Berücksichtigung der wissenschaftlichen Forschung aus Deutschland. Die EU solle risikoorientiert vorgehen. Beim Einhalten der guten fachlichen Praxis gebe es im Rapsanbau keine Probleme bei den Bienen, erläuterte Dr. Backhaus. Für nichtgewerbliche Zwecke hingegen soll ein Verkaufsverbot von Neonicotinoiden umgesetzt werden.
Einen Rückschritt gibt es nach Dr. Backhaus beim Thema Jagd. Die CDU-geführten Länder seien nicht bereit, auf bleihaltige Büchsenmunition zu verzichten. Backhaus verweist auf Gutachten, die „vernünftige Alternativen“ aufzeigen. Damit wird eine Kontamination mit blei von Wild und Umwelt ausgeschlossen. Mit den anderen Bundesländern im Norden will Mecklenburg-Vorpommern jetzt prüfen, wenigstens im Norden ein Verbot der Bleimunition zu erreichen.

Interne Kohäsion

Die Länder sind beim Thema interne Kohäsion ein Stück weitergekommen. Lucia Puttrich (CDU), Landwirtschaftsministerin in Hessen: „Es ist ein wichtiger Schritt für die hessischen Landwirte, in dem alle Länder anerkennen, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 2008 zur Frage der einheitlichen Direktzahlungen nicht weiter ignoriert werden kann.“ Allerdings ist noch offen, in welchen Schritten die Angleichung zwischen den Ländern erfolgen soll.

Deutschland kappt nicht

Beim Thema Kappung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen steht derzeit eine freiwillige Option der Länder zur Debatte. Vorsichtshalber hat die AMK schon einmal beschlossen, diese Option nicht zu ziehen. Thüringens Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) begrüßt den Beschluss, dass „ostdeutsche Agrarbetriebe nicht auf Grund ihrer Größe“ benachteiligt werden.
Auch Brandenburgs Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) begrüßt die Absage an Kappung und Degression. Das ist aus Sicht Brandenburgs von besonderer Bedeutung.
Geld ist weiterhin das große Thema. Auch wenn das EU-Budget etwas angehoben werden sollte, wird am Ende Geld gegenüber der letzten Förderperiode fehlen. Der Bund könne einen Ausgleich schaffen, indem fehlende EU-Gelder mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) kompensiert werden, so Reinholz. Bis zum nächsten Termin in Würzburg soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Details ausarbeiten, wie die Umschichtung von Geldern aus der ersten in die zweite Säule umgesetzt werden kann. Der EU-Rat hatte hierfür 15 Prozent vorgeschlagen.

Kontrollen

Die Skandale der letzten Monate zeigen Wirkung. Die AMK hat beschlossen, die Eigenkontrollsysteme der Unternehmer zu überprüfen und zu verbessern. Damit hat die AMK eine Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen): „Kernpunkt des Beschlusses ist, dass die amtliche Überwachung größerer, überregional tätiger Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen zukünftig durch interdisziplinär besetzte Kontrolleinheiten auf Landesebene weiter auszubauen.“
Nach den Kotrollen folgt bei Verstößen die Veröffentlichung. Darüber ist ein Streit entbrannt, den das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes klären könnte [2]. Die AMK hat die Bundesregierung aufgefordert, den entsprechenden Paragrafen des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches zu ändern.
Das Greening wird nicht regional ausbalanciert, sondern obligatorisch und einzelbetrieblich umgesetzt. Remmel: „Ich bin weiterhin dafür, dass Kürzungen der Gesamtprämien möglich sein müssen, wenn das Greening unterlaufen wird.“

„Sehr zufrieden“

Christian Meyer, Landwirtschaftsminister in Niedersachsen (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich in Berchtesgaden „sehr zufrieden“. Die AMK stehe für das Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“. Erleichtert fühle sich Meyer, dass die Angleichung der Direktzahlungen innerhalb Deutschlands nicht sofort umgesetzt werde. Für die Bauern in Niedersachsen werde das „erhebliche Kürzungen“ bedeuten. Die Prüfung des freiwilligen Produktionsverzichtes sei den demonstrierenden Milchbauern entgegengekommen.

„Enttäuscht“

„Enttäuscht“ hingegen zeigt sich Robert Habeck, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein (Bündnis 90/Die Grünen). Der Beschluss ist am Ende sehr unverbindlich geraten und weiche in den wichtigen Streitpunkten aus.
Nicht zustande kam ein Beschluss über den Einbau von Abluftreinigungsanlagen bei bestimmten großen Tierhaltungsanlagen. Elf Länder haben in einer Protokollerklärung die Bundesregierung aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzubereiten.

Milchbauern nicht ganz zufrieden

Der BDM sieht zwar einige positive Ansätze in den Milchbeschlüssen, aber der große Wurf fehle noch immer. Es „werde nach wie vor noch zu viel über Prämienzahlungen und viel zu wenig über eine strukturelle Neugestaltung der Agrarpolitik gesprochen.“ Romuald Schaber, Vorsitzender des BDM, wehrt sich vor allem gegen die Aussagen von Aigner und Brunner, die Milchbauern forderten eine Preisfestsetzung. „Das war aber noch nie unser Anliegen“, so Schaber. „Wir erwarten von der Politik, dass sie vernünftige Rahmenbedingungen schafft, so dass sich auf dem Markt kostendeckende Preise für uns realisieren lassen.“

An die Bauern denken

Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, kritisierte die rot-grünen Länder, die an der Umverteilung von 15 Prozent aus der ersten in die zweite Säule festhalten. „Die Bauern können keine zusätzlichen Kürzungen von 15 Prozent der Betriebsprämie verkraften“, sagte er nach der AMK. Die Mittel würden der Landwirtschaft in der zweiten Säule verloren gehen.

2015

Ilse Aigner betonte noch einmal, dass die GAP nicht wie geplant 2014 umgesetzt werden kann. Die bisherigen Verzögerungen lassen eine Umsetzung „frühestens ab dem Frühjahr 2015“ zu. Daher muss im EU-Finanzrahmen eine Übergangslösung erarbeitet werden.

Lesestoff:

[1] Dacian Ciolos warb für seine Agrarreform unter anderem in Sachsen

[2] EuGH erlaubt Namensnennung

VLE, roRo

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