Agrarministerkonferenz in Lübeck
Landwirtschaft
Schwerpunkt GAP ab 2013
Die Agrarministerkonferenz vom Freitag in Lübeck wurde auch von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos besucht, so dass Deutschland die Gelegenheit bekam, seine Wünsche gleich auf die europäische Ebene zu transportieren.
Die Wunschvorstellungen sind unverdächtig: Die Betriebe sollen wettbewerbsfähig sein, die Versorgung der Bevölkerung sicher stellen und den ländlichen Raum beleben. Klimaschutz, erneuerbare Energien, Biodiversität und Wassermanagement werden als neue Aufgaben hinzukommen. Offen, auch wahrscheinlich nach der ersten europäischen Vorlage im November dieses Jahres, bleibt die finanzielle Ausgestaltung der einzelnen Ziele. Genauso wie die Verknüpfung der einzelnen Punkte untereinander. Auch die Verteilung innerhalb der EU wird heiß diskutiert werden.
Eine gemeinsame Position der Länderminister wertete Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner als positives Zeichen vor den kommenden Verhandlungen. „Gerade weil wir vor harten europäischen Verhandlungen stehen ist es wichtig, sich frühzeitig auf den Weg zu machen und Geschlossenheit zu zeigen“, so Aigner. Heute reist die Bundesministerin nach Großbritannien und Irland, um Gemeinsamkeiten bei anderen Mitgliedsländern auszuloten.
„Öffentliche Zahlungen für öffentliche Güter“ soll nach Aigner die europäische Devise ab 2013 sein.
(Fast) Gemeinsame Stimme nach außen
Sachsens Agrarminister Frank Kupfer zeigte sich nach der Agrarministerkonferenz zufrieden, da die Länderminister mit einer gemeinsamen Stimme auf europäischer Ebene auftreten. Die künftige GAP soll die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte stärken und der ländliche Raum soll weiterhin fördernder Bestandteil des Agrarbudgets sein.
Auch die Umweltdienstleistungen der Bauern müssen entlohnt werden, allerdings warnte Kupfer vor allzu großen Reformen. „Deshalb lehne ich radikale Forderungen nach einer grundlegenden Umgestaltung der GAP ab!“.
Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus in Mecklenburg-Vorpommern erneuerte seine Prämisse, Prämien nur bei einem deutlichen Leistungsbezug auszubezahlen, weil, so teilte er auch als Sprecher der SPD-geführten Länder mit , „flächendeckende Gewährung einzelbetrieblicher Zahlungen an alle Landwirte gesellschaftlich unter erheblichem Legitimationsdruck“ stünden. Die europäischen Mitgliedsländer, die ihre Zahlungen noch nicht wie Deutschland von der Produktion entkoppelt haben, haben hier noch Nachholbedarf.
Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner zeigte sich zufrieden, dass in der GAP nach 2013 auch die „Forstwirtschaft im Hinblick auf Klimawandel, Sicherung der Biodiversität und der Energieversorgung“ verankert werden soll. Um die GAP auch praxisnah auszugestalten hatte sich Bayern schon vor der AMK für einen Bürokratieabbau eingesetzt. Die Bundesregierung solle sich „für eine deutliche Durchforstung und Entrümpelung der Cross-Compliance-Auflagen sowie der umfangreichen Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten einsetzen.“
Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerin Dr. Juliane Rumpf möchte die inhaltliche und finanzielle Ausgestaltung der GAP an regionale Gegebenheiten und Bedürfnisse anpassen. Die Regionen sollen ein flexibles Maß an Flexibilität erhalten.
Nach Angaben des BUND will die EU künftige Direktzahlungen unmittelbar an Umweltleistungen knüpfen. Eine jährliche Basisprämie soll nur ausbezahlt werden, wenn sich die Betriebe jährlich zu Umweltmaßnahmen verpflichten. Zusätzlich soll es Gelder in Höhe des konkreten Aufwands für eine Maßnahme geben. Die Gelder können auch für besondere Lebensmittelqualitäten oder spezielle Aufgaben wie die Weidehaltung ausgegeben werden. |
Agrarwende
Den Dissens auf der AMK in Lübeck anzusprechen, blieb Thüringens Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz vorbehalten. Nordrhein-Westfalen hat den Beschlüssen der AMK seine Zustimmung verweigert. Aber: „Nur wenn alle Bundesländer und die Bundesregierung an einem Strang ziehen, haben wir Chancen, bei der EU deutsche Forderungen durchzusetzen. Die Bauern werden für solch eine Uneinigkeit kein Verständnis haben“, sagte Reinholz. So gemeinsam, wie die überwiegende Sprachregelung der AMK, war der Konsens in Lübeck nicht.
NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel besteht auf eine Neuorientierung der Agrarpolitik und bezeichnete die Ergebnisse der AMK als unzureichend. „Eine breite gesellschaftliche Mehrheit fordert ein radikales Umsteuern, um die Zukunft mit den Herausforderungen wie Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt zu meistern“, sagte Remmel. Die Agrarpolitik müsse grundlegend auf soziale und ökologische Belange ausgerichtet werden. Dem mehrheitlichen Festhalten an der bisherigen Politik lägen fehlende Vorstellungen über die künftige Richtung zu Grunde. Deutschland verpasse die Chance, Brüssel auf eine zukunftsfähige Entscheidung zu drängen. Die alte Agrarpolitik sei nach Remmel an ihrem Ende angekommen und gesellschaftlich nicht mehr zu legitimieren.
Konkret schlug der grüne Landwirtschaftsminister zur Erreichung der europäischen Biodiversitätsziele vor, die Rahmenbedingungen für die 1. Säule (Direktzahlungen) um einen betriebsbezogenen Anteil von ökologischen Vorrangflächen zu ergänzen.
Zur Verstärkung des Klimaschutzes fordert Nordrhein-Westfalen einen Klima-Check für landwirtschaftliche Betriebe. Mittlere und größere Betriebe sollten die Durchführung einer Beratung über Klimaschutzmaßnahmen als Klima-Check nachweisen. Nordrhein-Westfalen setzt sich darüber hinaus für eine Stärkung der 2. Säule, der Stärkung des ländlichen Raums, und eine höhere europaweiten Ko-Finanzierung für diese Säule ein.
Remmel hat sich außerdem für eine bäuerliche Landwirtschaft weg von einer gewerblichen Massentierhaltung ausgesprochen. Eine Agrarpolitik mit „Auswüchsen der Agrarindustrie wie Großmastanlagen, Monokulturen und Gentechnik mit Steuergeldern“ sei weder im Interesse der Bauern noch der Gesellschaft. Die im Baugesetzbuch ermöglichte Bevorzugung von gewerblichen Tierhaltungsbetrieben müsse gestrichen werden.
Mehr Bodenschutz
Bezogen auf den Bodenschutz soll es Änderungen bei den Verpflichtungen zum Erhalt der Direktzahlungen geben. Für Sachsen sei das bedeutend, so Kupfer: „Allein in Sachsen gehen jährlich rund drei Millionen Tonnen fruchtbarer Ackerboden, insbesondere durch Wassererosion, verloren.“ Sie fehlten den Landwirten nicht nur bei der Bewirtschaftung ihrer Böden, sondern belasteten auch die Gewässer.
Grenzenlose Milch
Ein anderes Thema auf der AMK war die Milchpolitik. So soll der Vorschlag von Dr. Backhaus in Europa vorgetragen werden, dass die Milchbauern sich auch grenzüberschreitend zusammenschließen können. Dadurch würde die Stellung innerhalb der Wertschöpfungskette verbessert und den Molkereien ein größeres Gegenwicht gegenüberstehen. Backhaus verspricht sich davon einen besseren Milchpreis.
Skeptischer hingegen sieht das Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen. Neuregelungen dürften die Prinzipien der Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeuger und Molkereien nicht gefährden. Sie dürfen „weder den innergemeinschaftlichen Handel noch die Exportchancen der Molkereiwirtschaft beeinträchtigen.“
Agrarkommissar Ciolos versprach gegenüber dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), die Milchpolitik bis 2015, wenn die Quotenregelung ausläuft, „fest im Blick zu haben“. Bei Marktverwerfungen sei er bereit einzugreifen. Die Neuausrichtung der Agrarpolitik müsse nach Ansicht des BDM vor allem darauf ausgerichtet sein, dass die Bauern ihr Einkommen wieder über den Verkauf ihrer Produkte erzielen.
Fischereipolitik
Die AMK hat die Bundesregierung gebeten, die Anliegen der deutschen Küstenländer in Bezug auf die Fischereipolitik zu unterstützen. So sollen die Fangmöglichkeiten für den Hering in der westlichen Ostsee grundsätzlich zu gleichen Teilen zwischen den Fanggebieten aufgeteilt werden. Die Glasaalfischerei soll nur noch mit schonenden Fangmethoden betrieben werden, um die Mortalität der Glasaale auf unter 10 Prozent zu senken. Außerdem soll für den Handel mit Drittstaaten ein Im- und Exportverbot erlassen werden.
Der Glasaalverkauf solle nur noch erlaubt werden, wenn er zu 80 Prozent für Besatzzwecke und zu 20 Prozent für die Aufzucht von Speiseaalen in europäischen Aquakulturanlagen vorgesehen ist. Hintergrund ist das offenbar vergebliche Bemühen, dem Aal eine Überlebenschance zu geben, weil die Glasaale für den asiatischen Markt weggefangen werden. Sie werden aber für die heimischen Besatzprogramme gebraucht.
Zur Fischereipolitik gehört mittlerweile auch der Kormoran. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, die vorhandenen Bestandsmanagementmaßnahmen zu bewerten. Zudem soll der Fischereischaden wissenschaftlich bemessen werden, damit sich langfristig ein Ausgleich zwischen Naturschützern und Fischer finden lässt.
Kürzungen GAK
Im Rahmen des deutschen Sparhaushaltes wird die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) um 100 auf 600 Millionen Euro gekürzt. Die AMK hat die Bundesregierung aufgefordert, die Haushaltssanierung nicht auf dem Rücken der Landwirte zu betreiben. Die Pläne sollen überdacht und auf der Frühjahrskonferenz 2011 vorgestellt werden.
Saatgut
Anlässlich der Vermischung von konventionellem mit gentechnisch verändertem Maissaatgut, hat Hessen schon früh auf bessere Kontrollen der Industrie gesetzt. Die mittlerweile amtierende Landwirtschaftsministerin Lucia Puttrich hat auf der AMK eine Mehrheit der Länder geschaffen, die Industrie zu Eigenkontrollen zu verpflichten. Demnach müssten die Saatguterzeuger das Saatgut, bevor es in den Handel kommt, auf gentechnisch veränderte Bestandteile untersuchen: „Die Landwirte brauchen Klarheit und dürfen nicht jedes Mal die Leidtragenden sein“, so Puttrich nach der AMK. Nordrhein-Westfalen allerdings hat sich gegen eine Verpflichtung ausgesprochen.
Mehrwertsteuer
In der derzeit auf Bundesebene aufs Eis gelegten Diskussion um die Mehrwertsteuer, hat sich die AMK einheitlich dafür positioniert, den ermäßigten Beitrag für Erzeugnisse aus der Landwirtschaft, des Gartenbaus und der Forstwirtschaft beizubehalten. Eine unterschiedliche Regelung würde Deutschland einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Mitgliedsländern bringen.
Bejagungsschneisen
Streifen von niedrig wachsenden Pflanzen oder Freiflächen in hohen Ackerkulturen wie dem Mais, sollen Jägern als Bejagungsschneisen die Intensivierung der Wildschweinjagd ermöglichen, wo die Schwarzkittel zu einem Problem geworden sind. Landwirte sollen wegen des Flächen- und Ernteausfalls mit Fördergeldern einen Ausgleich erhalten. Die AMK hat in diesem Punkt den Beschluss gefasst, Antragstellung und Verwaltungsverfahren zu vereinfachen.
VLE