Agrarministerkonferenz
Landwirtschaft
Agrarministerkonferenz
Am Freitag tagte die Agrarministerkonferenz (AMK) in Baden-Württemberg
Finanzen
Der EU-Haushalt steht noch nicht fest. Daher hat die Bundesregierung auch noch keine Überweisung nach Brüssel ausgestellt. Wird der EU-Haushalt kleiner und damit das Volumen des Agrarbudgets für Transferzahlungen zurück nach Deutschland schmaler, forderten die Agrarminister die Bundesregierung auf, die „eingesparten Gelder“ direkt der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zur Verfügung zu stellen. Damit soll der Bund fehlende Finanzmittel aus der EU kompensieren. Nur so könnten die ländlichen Räume auch künftig ihre wichtigen Aufgaben für die ganze Gesellschaft erfüllen, kommentierte Bayerns Agrarminister Helmut Brunner.
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann ergänzt: „Die Herausforderungen im ländlichen Raum sind riesig – demografische Entwicklung und Sicherung der Daseinsvorsorge sind nur einige Beispiele.“
Ökologische Vorrangfläche
Die Agrarminister haben die Bundesregierung aufgefordert, sich in Brüssel für eine Überarbeitung des „Greening“ einzusetzen. Der Berufsstand und manche Minister sehen in dem Greening nach wie vor eine Flächenstilllegung, was den künftigen Herausforderungen an die Energie- und Nahrungsmittelproduktion nicht gerecht werde. Auf den Flächen soll, auch mit bestimmten Agrarumweltmaßnahmen, weiter gewirtschaftet werden dürfen.
Der Deutsche Bauernverband übergab eine entsprechende Resolution mit dem Titel „Ackerflächen bewirtschaften statt stilllegen!“ Der Bauernverband spricht sich für ein intelligentes Greening aus. Dazu zählt beispielsweise das „Global Positioning System“ (GPS), das für eine Optimierung des Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes genutzt werden kann.
„Der Vorschlag der EU-Kommission, verstärkt Umweltziele in die GAP einzubeziehen, ist ein sinnvoller und notwendiger Schritt. Aber die Bedingungen müssen praxisgerecht und für unsere Landwirte umsetzbar sein“, unterstrich Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann. Die Agrarminister haben sich auf eine regionale Anrechnung geeinigt, während die EU sieben Prozent ökologische Vorrangfläche auf jedem Betrieb realisiert haben möchte. Die AMK hat sich auf Bagatellgrenzen bezüglich der Anbaudiversifizierung, zur Anrechnung von Agrarumweltmaßnahmen sowie bei der Berücksichtigung höherer Grünlandanteile bei den ökologischen Auflagen geeinigt.
Ulrike Höfken, Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz bekräftigte in ihrer Beurteilung der AMK das unterschiedliche „Wording“ von Greening. Die AMK habe unterstrichen, dass das Greening keine Flächenstilllegung sei, „sondern den Betrieben produktionsintegrierte, nachhaltige Wirtschaftsweisen ermöglicht“.
Antibiotika
Zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes wird es eine bundeseinheitliche Datenbank geben. Darin werden Schwellenwerte als Auslöser für gezielte Betriebskontrollen verankert. Unklar bleibt, ob die in diesem Jahr vom QS-System eingeführten Datenbanken für Schwein und Geflügel bestehen bleiben.
Bestand hat der Streit, ob die Novelle des Arzneimittelgesetzes der wirksamste Weg zur Reduzierung des Medikamenteneinsatzes ist [1]. Deshalb gab es lediglich den Beschluss, die Bundesratsbefassung abzuwarten. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann kritisiert die „Nicht-Beschlussfassung“: Eine pauschale 50prozentige Reduktion, wie von Nordrhein-Westfalen nach wie vor gefordert, ist reiner Populismus und bringt uns in der Sache nicht weiter. Im Gegenteil: Einfache Mengenreduktionen ohne Berücksichtigung der Tiergesundheit und der Therapiehäufigkeit verstoßen gegen die Vorgaben des Tierschutzes.“ Mehr als die Übereinstimmung, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren, kam am Freitag nicht heraus.
Bioenergie
Die AMK bekannte sich zur Nutzung der Biomasse für die Energiewende und forderte gleichzeitig höhere Effizienz und Nachhaltigkeit an. Die Bundesregierung soll die Auswirkungen der Biogaserzeugung und des dafür erforderlichen Biopflanzenanbaus auf die Pachtmärkte sowie die Nahungs- und Futtermittelproduktion hin untersuchen.
Biogasanlagen, die nach dem EEG 2009 vergütet werden, sollen bei einer Betriebserweiterung nur noch die niedrigere Vergütung aus dem EEG 2012 erhalten.
Traktoren und Maschinen, die mit Pflanzenöl fahren, sind derzeit nur noch bis 2013 von Steuern befreit. Die AMK hat die Bundesregierung aufgefordert, die Fortführung der Befreiung und Ausdehnung auf umweltsensible Bereiche umzusetzen.
Schulmilch
Das Schulmilchprogramm soll weiter entwickelt werden. Der Verwaltungsaufwand soll deutlich verringert werden, so dass auch mehr Länder das EU-Schulfruchtprogramm umsetzen würden. Beide zusammen leiteten die Kinder zu einer gesunden Ernährung an.
Milchintervention
Bayerns Antrag, die Milchintervention auf das ganze Jahr auszudehnen, um den Bauern Sicherheit vor volatilen Preisen zu geben, fand keine Mehrheit. Der Vorschlag sah auch eine Erhöhung des Interventionspreises und Exporterstattungen vor. Brunner: Damit verzichten Bund und Länder leider auf die Möglichkeit, das Sicherheitsnetz bei Milch zu verbessern.“
Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus in Mecklenburg-Vorpommern verweist auf bestehende Möglichkeiten: „Die Bundesregierung müsse das Agrar-Marktstrukturgesetz und die entsprechende Durchführungsverordnung zügig erlassen, damit die erweiterten Möglichkeiten der kartellrechtlichen Freistellung und Preisverhandlungen und der Gründung transnationaler Erzeugerorganisationen verwaltungsrechtlich sicher angewandt werden können. Das schließe auch die Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft in Erzeugerorganisationen mit ein.“ Die vorgesehene Obergrenze der Bündelung von 3,5 Prozent der gesamten EU-Milch oder 33 Prozent der nationalen Milchmenge reiche nicht aus.
Ein Problem in der Milchviehhaltung sind die steigenden Futtermittelpreise. Ein Ausweg könnte die Vorlage tierischer Fette sein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht darin keine Gefahr mehr, doch Länder wie Rheinland-Pfalz sprechen sich massiv dagegen aus: „Die Gefahren von BSE sind nicht gebannt, und eine solche Entwicklung darf sich nicht wiederholen.“
Tierschutz
Um den komplexen und vielfältigen Anforderungen des Tierschutzes besser begegnen zu können, hat sich die AMK für eine engere Abstimmung von Bund und Länder im Bereich Forschungsaufgaben und Feldstudien ausgesprochen. Die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz soll bis Anfang 2013 die bisherigen Tierschutzaktivitäten auswerten und Vorschläge für ein weiteres Vorgehen formulieren. Minister Lindemann hält das für erforderlich, um Doppelarbeit und Kosten zu verringern.
Jagdmunition
Die AMK hat die Bundesregierung aufgefordert, das seit Frühjahr 2012 überfällige Gutachten zur Lebensmittelsicherheit von bleihaltiger Jagdmunition endlich vorzulegen. Die hohe Toxizität von Blei wird emotional diskutiert und braucht nach Minister Dr. Backhaus eine wissenschaftliche Begutachtung. Erst die Teilgutachten „Ablenkverhalten“ und „Tierschutzgerechte Tötungswirkung“ liegen vor.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Jagdgesetz hat die AMK die Bundesregierung zu einer zügigen Novellierung des Jagdrechtes aufgefordert. Das Gericht hatte einem Kläger Recht gegeben, nicht zwangsweise Mitglied der Jagdgenossenschaft sein zu müssen [2]. Gert Lindemann will an dem bewährten System der Jagdgenossenschaften und dem Reviersystem festhalten: „Insbesondere auch dem Allgemeinwohl dienende Bewegungsjagden auf Schalenwild müssen weiterhin möglich sein.“
Clostridium botulinum
Die Bedeutung Clostridium (C.) botulinum bei chronischem Krankheitsgeschehen in Milchviehbetrieben wurde schon auf mehreren AMK vorgetragen. Zwar gibt es seit 2012 ein mit 2,2 Millionen Euro gefördertes Forschungsprojekt, ein Krankheitsbild mit klarer Ursache-Wirkungsbeziehung liege noch immer nicht vor, erklärte Dr. Backhaus: „Der Bund muss an diesem Thema vordringlich arbeiten, die Forschung verstärken und auf die Nachweisführung des Clostridium (C.) botulinum ausrichten.“
Düngerverordnung
Eine Neufassung der Düngerverordnung fand keine Mehrheit der AMK. Schleswig-Holstein hatte den Antrag eingebracht, weil die EU hohe Nitrateinträge der deutschen Landwirtschaft bemängelt. Bis Ende November hätte die Bundesregierung eine Neufassung der Düngerverordnung vorlegen sollen. Die Verweigerungshaltung kritisierte Landwirtschafts-Staatssekretär Dr. Ulf Kämpfer zur Verringerung der Nitrateinträge: „Dazu brauchen wir längere Sperrzeiten für die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern wie Gülle im Sommer und Herbst, höhere Lagerkapazitäten und eine Begrenzung der zulässigen Ausbringungsmenge.“
Pflanzenschutz
Auf Initiative der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hat die AMK die Bundesregierung aufgefordert, einen nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vorzulegen. Zeit für die Umsetzung des EU- und Bundesrechts bleibt noch bis zum 14. Dezember
NK603
Die französische Studie zum gentechnisch veränderten Mais NK603 fand auch auf der AMK Beachtung. Sofern sich wissenschaftliche Beweise für ein Gefährdungspotenzial verdichten, solle die Bundesregierung ein Importstopp bewirken. Zugleich sollen Langzeitstudien unabhängiger wissenschaftlicher Institute evaluiert werden [3].
Regionalprodukte
Das Regionalfenster von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner muss nachgebessert werden. Alleine das Hauptaugenmerk auf 51 Prozent Anteil von regionalen Bestandteilen zu legen greife zu kurz und führe zu Trittbrettfahrern, so Alexander Bonde, Landwirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Bestehende regionale Qualitätslabel erfüllen deutlich mehr Kriterien. Es gehe um die Wettbewerbsfähigkeit von Anbietern, die hohe Anforderungen erfüllen gegen diejenigen, die „Mogelpackungen“ anbieten.
Lesestoff:
[1] Bundeskabinett zum Antibiotikaeinsatz
[2] Pflichtmitgliedschaft verstößt gegen europäische Menschenrechtskonvention
Roland Krieg