Agrarrat Brüssel
Landwirtschaft
Benachteiligte Gebiete
Berggebiete haben kurze Vegetationszeiten, Sandböden wie in Brandenburg weisen nur eine geringe Ertragsfähigkeit auf und die Hauptaufgabe des Küstenlands ist der Küstenschutz. Allen drei Regionen ist gemein, dass sie seit 1975 als „benachteiligte Gebiete“ in der Europäischen Union klassifiziert sind. Die Landwirtschaft in diesen Regionen ist schwieriger als auf den Bördeböden. Dafür gibt es extra Ausgleichszahlungen.
Was sind benachteiligte Gebiete?
Die EU stuft insgesamt 57 Prozent ihrer Landfläche als benachteiligtes Gebiet ein. Nicht alle Bauern erhalten Ausgleichsgelder. Im Jahr 2005 haben 1,4 Millionen Bauern, etwa 13 Prozent aller europäischen Bauern, finanzielle Unterstützung für das Wirtschaften in diesen Gebieten erhalten. Die Auszahlungen variieren zwischen 25 und 200 Euro je Hektar. Gelder fließen aber erst, wenn die Bauern auch fünf Jahre nach der ersten Auszahlung noch auf den Flächen wirtschaften. Zudem können die Mitgliedsländer einzelne Kriterien individuell festlegen. Im Zeitraum 2000 bis 2006 wurden acht Milliarden Euro vergeben, was 18 Prozent der EU-Mittel für den ländlichen Raum umfasst. Im laufenden Programm bis 2013 sind 12,6 Milliarden Euro veranschlagt, was 13,9 Prozent der Mittel entspricht.
Langatmige Umsetzung
Im Jahr 2003 hat der Europäische Rechnungshof die Zahlungen kritisiert. „Zwischengebiete“ würden benachteiligt und die Zielausrichtung der Beihilfen ist mangelhaft. 2005 wurde eine Überarbeitung der Richtlinien beschlossen – und hat am Montag im EU-Agrarrat noch immer kein Ende gefunden. Die Mitgliedsstaaten hatten die Aufgabe, Simulationen von acht Boden- und Klimakriterien abzugeben, damit vor 2014 ein neuer Legislativvorschlag in Kraft tritt. Das steht jedoch noch in den Sternen.
Benachteiligte Gebiete 2008. Braun: Berggebiete. Orange: LWS von Aufgabe bedroht. Grün: Spezifische Kriterien
Weiterführung ist keine Option
EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos hat am Montag noch einmal deutlich gemacht, dass die Weiterführung der Kriterien keine Option ist. Derzeit gibt es mehr als 140 verschiedene nationel Kriterien, obwohl in en einzelnen Regionen eine Entwicklung stattgefunden hat. Manche Zahlungen seien nicht mehr gerechtfertigt, neue Gebiete sind hinzugekommen.
Was jedoch in den nächsten Monaten zu erwarten ist, blieb offen.
Mehrheitlich gab es eine Übereinstimmung, dass die Kriterien nicht einheitlich von der EU vorgegeben werden können. Die Regionen sind zu unterschiedlich. Die EU könnte einige, vor allem biophysikalische Kriterien vorgeben, die von den einzelnen Mitgliedsländern regionalspezifisch „feinjustiert“ werden könnten.
Eine Mehrheit der Länder schlägt eine weitere Verlängerung der Abgabefrist vor. Gerade die Feinjustierung brauche mehr Zeit. Irland hat beispielsweise vorgeschlagen, die neuen Kriterien erst ab 2016 einzuführen. Die Mehrheit plädierte jedoch für eine Fristverlängerung bis 2014, so dass ab 2015 die neuen Karten gelten könnten.
Aigner will mehr
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat am Montag als einzige mehr konkrete Forderungen gestellt. Es sei vor allem nicht hinnehmbar, dass ausschließlich die Kommission einen Überblick über die Kriterien und Neuabgrenzungen benachteiligter Gebiete habe. Für Deutschland könnte es sein, dass etwa ein Drittel der Gebiete aus der Förderung herausfallen. Eine von der Kommission verlangte fundierte Bewertung sei ohne fundierte Transparenz nicht möglich. Es werden zwar auch neue Gebiete aufgenommen, doch warum ein Wechsel stattfinde sei nicht klar. Aigner begrüßte die Möglichkeiten für flexible nationale Zusatzkriterien, will aber auch die EU-einheitlichen Regeln flexibel gestaltet wissen. Deutschland arbeite wie Österreich mit einem funktionierenden Indexsystem, bei dem einzelne Parameter wie Wurzeldichte oder Hangneigung auch mit klimatischen Kriterien in Beziehung gesetzt werden. Wegen des noch zu bewältigenden Arbeitsaufwandes plädierte Aigner für eine Herauslösung der Debatte um die benachteiligte Gebiete aus dem Diskussionsprozess zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Aigner bezeichnete die Diskussion als Orientierungsdebatte ohne dass mehrheitlich etwas entschieden sei.
Unterstützung bekam die Bundesministerin von ihrer hessischen Amtskollegin Lucia Puttrich. „Es gibt keine Gesamtdarstellung wie die Abgrenzung der benachteiligten Gebiete in der nächsten Förderperiode der EU aussieht und es gibt keinen Fahrplan.“ Puttrich fürchtet, dass die Bauern in Hessen schlechter gestellt werden. Sie schlug vor, die geltenden Förderungen auch in der neue GAP fortzuführen bis eine neue Regelung getroffen sei.
Roland Krieg; Grafik: Eurostat DG Agri