Agrarrat vor wichtiger Bienenentscheidung
Landwirtschaft
Wie geht es weiter mit dem europäischen Bienenschutz?
Die kleinen Immen werden in dieser Woche in Amerika gefeiert. Die USA begeht bis zum Sonntag die Nationale Bestäuberwoche. Für den Rückgang der Bestäuber kann keine alleinige Ursache ausgemacht werden, sagt Jocelyn Benjamin vom US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium (USDA). Die USA widmen die Woche aber nicht nur der Honigbiene, sondern allen Bestäubern, wie Wildbienen, Vögeln, Fledermäusen, Schmetterlingen, Motten und unzähligen anderen Arten, auf die rund 80 Prozent der weltweiten Blütenpflanzen warten. Inklusive etlicher Nahrungspflanzen. Die Nationale Bestäuberwoche komme daher nicht nur den Landwirten, Imkern und Waldbesitzern, sondern auch den Verbrauchern zugute.
Die Ansagen der Agrarpolitik sind klar: Landwirte sollen ihren Anbau diversifizieren, Nistmöglichkeiten bewahren, chemischen Pflanzenschutz sorgsam einsetzen und sich mit einem „Bee Better Certified“-Label einer breiten Bewegung anschließen [1].
Das USDA fährt ein Konservierungsprogramm für die Natur (NRCS), das mit einem „Environmental Quality Incentives Program“ (EQUIP) blütenreiche Habitate und Blühstreifen fördert. Die Beratungsstelle des Ministeriums (Farm Service Agency) hat ebenfalls ein Habitatprogramm aufgelegt. Dazu gehört auch ein Hilfsprogramm, wenn Landwirte, Imker und betriebliche Aquakulturbetreiber Völkerverluste melden.
Die Biene hat einen hohen Stellenwert, obwohl sie nach Nordamerika erst durch die europäische Besiedlung kam. Für die Ausgestaltung der Naturräume war die westliche Honigbiene (Apis mellifera) gar nicht verantwortlich.
Entscheidende Tage
Die Sorge um die Bienen führen grundsätzlich zu gleichen Ideen und Politiken auf beiden Seiten des Atlantiks. Wie in den USA geht es in Europa nicht nur um die Honigbiene. Deshalb beschäftigt sich die Europäische Union auch mehr mit Wildbienen und anderen Bestäubern [2]. Am Montag hat sich der Umweltausschuss des Europaparlaments mit den Bestäubern beschäftigt. Und kurz nach der amerikanischen Bestäuberwoche berät der letzte Agrarrat vor der Sommerpause über ein wichtiges Bienenkriterium. Es geht um die Weiterentwicklung der Risikobewertung von Bestäubern und in Portugal über den maximal duldsamen Völkerverlustwert.
Bienenpolitik
Die ersten Risikobewertungen der EU über die Bienengefährlichkeit von Chemikalien gehen auf das Jahr 2002 zurück. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA kam erst später ins Spiel. Im Jahr 2013 hat sie die ersten Neonicotinoide verboten, umfangreiche Analysen über die Auswirkung von Fipronil und Leitlinien für die Bienengesundheit erstellt – die aber nie vollständig umgesetzt wurden, wie Klaus Berend von der Generaldirektion Sante am Montag betonte.
Chemische Toxizität werde über die Verringerung der Überlebensrate von Bienenvölkern geprüft. Die direkt toxische Wirkung auf das Einzeltier wird nur im Labor gemessen. Die EFSA hat zwar 2013 eine maximale Verringerung der Bienenvölker um sieben Prozent vorgeschlagen, doch genau dieser Schwellenwert wurde nie verbindlich umgesetzt. Jetzt fordert das Europaparlament den Wert von den Agrarministern ein. Die Kommission hat zehn Prozent als rote Linie festgelegt, ist aber nach Votum der Agrarminister bereit für einen niedrigeren Wert. Seit 2013 legen manche EU-Länder den Schwellenwert von sieben, andere von zehn und manche gar keinen fest. Die EFSA hat durchaus methodische Zweifel, dass solche Feinheiten messbar wären und hält einen technischen Wert von 25 Prozent für vertretbar. Darauf läuft derzeit das Votum der Agrarpolitiker hinaus.
In dem Zusammenhang plant die Ratspräsidentschaft Portugals eine nicht-öffentliche Diskussion um den Schwellenwert. Berend und der niederländische Grüne Bas Eickhout fordern eine öffentliche Debatte. Eickhout misstraut den Agrarministern, die bei öffentlichen Sitzungen anders agieren würden, als hinter geschlossenen Türen. Die portugiesische Agrarministerin Maria do Céu Antunes könne die Sitzung noch als öffentliche umwidmen.
Die anderen Bestäuber
Das zweite Problem ist die Fokussierung auf die Honigbiene. Solange es Imker gibt, ist Apis mellifera nicht bedroht. Aber die gesamte Risikoanalyse für Bestäuber basiert auf der für Apis mellifera. Die genutzte Methodik kann auf Solitärbienen, wie die Rote Mauerbiene und Sandbiene, gar nicht angewandt werden.
Immerhin gibt es bereits eine Risikoabschätzung für Hummeln. Doch Methoden für alle Bestäuber und neue für die Honigbienen müssen erst noch entwickelt werden. Neben der Verlustschwelle von Bienenvölkern könnten nach Agnes Rortais von der EFSA auch neue Indikatoren eingeführt werden: eine verringerte Eiablage der Königin oder fehlendes Futter außerhalb des Bienenstocks.
ApisRAM
Die Interaktionen zwischen biologischen, chemischen und natürlichen Wechselwirkungen auf Bestäube sind wissenschaftlich noch immer nicht umfänglich erschlossen. Außerdem verändern sich die Wechselwirkungen über Zeit und Raum in Bezug auf das jeweilige Habitat. Das Problem fassen die Wissenschaftler als „Multiple Stressors in Bees (MUST-B) zusammen, das einen holistischen Ansatz für die Risikoanalyse widergeben solle [3]. Ein Teil davon wird Modell ApisRAM sein, an dem die EFSA derzeit arbeitet. Erst seit Januar dieses Jahres steht aus der gemeinsamen Forschung von Dänemark und Portugal ein Modul für die Überwachung von Bienen innerhalb ihrer Bienenkörbe zur Verfügung. Ein kalibriertes Modell steht erst im Mai 2023 und die Marktreife für 2025 zur Verfügung. Das Modell für die Gesundheit von Bestäubern soll auch für andere Bestäuber angepasst werden.
Nächste Aufgaben
Bis dahin steht eine Überarbeitung der Bienen-Leitlinien an. Dazu gehört die Entscheidung des informellen Agrarrates Ende Juni in Portugal.
Lesestoff:
[1] https://beebettercertified.org/
Die nordamerikanische Imkerei unterscheidet sich gegenüber der europäischen durch die industrielle Nutzung. Per Lkw werden viele Völker gezielt zur Bestäubung quer durch die USA gefahren. Die Unterbringungsmöglichkeiten gelten als schlecht und haben ihren Beitrag für das 2006 berichtete Verschwinden ganzer Bienenvölker (Colony Collapse Disorder) geleistet.
[2] EU-Bestäuberinitiative: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wildbestaeuber-in-der-eu-politik.html
[3] https://www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/bee-health
Roland Krieg
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