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Landwirtschaft

Neue Agrarpolitik für Brandenburg

Am Wochenende hat sich ein breites Aktionsbündnis von 34 Organisationen, darunter acht Bürgerinitiativen zur „Agrarwende Berlin-Brandenburg“ zusammengeschlossen. Mittlerweile gibt es fünf grüne Agrarministerien in Deutschland, in Hessen könnte das sechste dazukommen und Bayern ist mit seinem Bekenntnis zu Familienbetrieben und zur Gentechnikfreiheit nicht weit von den grünen Positionen entfernt. Die Agrarwende hat unterhalb des Bundeslandwirtschaftsministeriums längst begonnen. Die Ergebnisse der Agrarministerkonferenz für mehr Förderung von kleinen Höfen und jungen Bauern wird das Geld innerhalb der Agrarbranche umschichten.
Ostdeutschland ist bislang noch nicht erfasst und die amtierenden Agrarminister von SPD und CDU fassten mit ihrer „Ost-Agrarministerkonferenz“ fraktionsübergreifend Beschlüsse, die fast schon als einsam zu bezeichnen sind [1 und 2]. Die Zeit ist reif. Jetzt, bekannte Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Berlin-Brandenburg (FÖL). Selten seien die Signale aus der Gesellschaft so sensibel und kritisch gegen die Großbetriebe gewesen, wie jetzt. Die Erfolge des bundesweiten Bündnisses „Meine Landwirtschaft“ haben zusätzlich Kräfte frei gesetzt, vor der Landtagswahl in Brandenburg im nächsten Jahr einen Kurswechsel zu erzwingen.

Sie haben es satt

Es geht nicht nur um die ökologische Landwirtschaft. Der entsprechende Fachausschuss beim Landesbauernverband hatte tags zuvor den Sprecher der FÖL über die Ziele befragt und stellte, so Sascha Philipp, einige Übereinstimmungen fest. Denn auch die großen Betriebe können von ihrer Arbeit nicht alleine leben. Nur müsste der LBV auch auf diese Mitglieder Rücksicht nehmen und könne nur inoffiziell Daumen drücken.
Das Bündnis ist weit gefächert. Die ökologischen Anbauverbände sind neben etablierten Saatguterzeugern genauso vertreten wie die Bürgerinitiativen mit ausladendem ethisch-moralischem Anspruch, wie das gegen die Schweinemastanlage Haßleben. „Ich rede jetzt von der Basis“, stellte Sybilla Keitel von der Initiative klar. Zehn Jahre Widerstand vor Ort haben trotz Gutachten keinen Erfolg gehabt. Schnell waren Gegengutachten da, wurden Einwände ignoriert und die wenn auch kleiner werdende Anlage stehe heute noch ohne gültigen Brandschutz da. Die Region in der Uckermark habe bereits unter der großen DDR-Mastanlage gelitten, Stickstoff aus der Gülle und Pflanzenschutzmittel in den Söllen zeichneten heute kaum ein anderes Bild. Die Bürgerinitiative kämpft derzeit nicht mehr nur gegen den Investor, sondern auch gegen das Umweltministerium.

Moderne Zeiten

Haßleben sei das Beispiel, wo die Hochzeit zwischen westlichem Kapital und den östlichen Nachfolgestrukturen der LPGen ein Bild der Moderne zeigt, die schief läuft. Die Großstrukturen sind der gewollte Plan, die Landwirtschaft in Ostdeutschland weiter zu führen und der steht heute in der Exportfalle. Die Brandenburger Bauern sind Teil einer internationalen Marketingkette geworden, weil der heimische Absatzmarkt als gesättigt gilt. Durch den internationalen Wettbewerb werden „Tiere, die gesellig wie Hunde sind“ zu einer Massenware degradiert, erklärt Keitel.
Die Großbetriebe brauchen die von der Politik zur Verfügung gestellten Flächen, um noch mehr Rohware zu produzieren.
Die Bauern haben keine Zeit mehr für eine gute Herbstfurche oder zum flachen Grubbern, sondern spritzen das Unkraut mit Glyphosat weg und verkaufen ihre pfluglose Bodenbearbeitung als Umweltschutz und bekommen dafür noch Gelder aus dem Agrarumweltprogramm, kritisiert Martin Häusling, grüner Europaabgeordneter. Die Bienen finden nach der Rapsblüte kaum noch Blüten und müssen mitten im Sommer hungern, die Getreidebauern kriegen den hartnäckigen Ackerfuchsschwanz nicht mehr aus ihren Feldern.
Einen alternativen Markt gibt es: Berlin gilt nach wie vor als wichtigster Markt für nachhaltig erzeugte Produkte, hat aber auch nach mehr als 20 Jahren immer noch keine zufrieden stellende Versorgung aus Brandenburg. Statt Obst und Gemüse für die City, liefern die Felder rund um Berlin, Mais für die Biogasanlage.
„Wir müssen nicht die Welt ernähren“, sagte Thomas Volpers vom BUND Brandenburg. Es ist Raum genug, dass die Brandenburger Bauern ihre Region ernähren. Doch die politische Ausrichtung hat den Aufbau von Verarbeitungsbetrieben nicht gefördert. Die Brandenburger Landwirtschaft sucht den Anschluss an andere Märkte. Volpers hat vor allem die jungen Landwirte im Blick. Es muss der Anreiz gegeben werden, es anders zu machen. Die bisherige Politik habe 20 Jahre lang die Innovationsfreudigkeit erlahmen lassen. Da will das Aktionsbündnis der Politik Spielraum geben.

Das dicke Brett

Die 34 Organisationen sind erst der Anfang. Zusammen mit weiteren wie den kirchlichen Verbänden soll das Bündnis am Ende bis zu 60 Vertreter haben. Denn das zu bohrende Brett ist dick. Martin Häusling hat einmal nicht die Profiteure eines Wandels, sondern die Verlierer dargestellt, die sich gegen den Wandel stemmen: Es sind die Saatgutmultis, die Hersteller von Dünge- und Pflanzenschutzmittel, die großen Lebensmittelketten, die großen Genossenschaften und der internationale Handel. Sie alle profitieren durch den Verkauf von Betriebsmitteln und den Absatz von Rohware vom Bauern als Mitglied der großen Bereitstellungskette.

Doch wie soll der Bauer zu einem engagierten Unternehmer gemacht werden, der in der regionalen Wertschöpfungskette naturnah die Verbraucherwünsche erfüllt?
Vor allem geht es um eine andere Förderpolitik. In den letzten sieben Jahren wurden den Brandenburger Großbetrieben 2,5 Milliarden Euro Direktzahlungsmittel ausgezahlt. Ohne zusätzliche Agrarumweltprogramme. Wegen der Herkunft aus Steuermitteln leitet das Aktionsbündnis das Recht ab, sich einzumischen.
Zahlreiche Stellschrauben stünden zur Verfügung: Besteuerung von Pflanzenschutzmittel und Stickstoffdünger, zusätzlicher Zoll für importierte Eiweißfuttermittel und die Anpassung der Tierhaltung an artgerechte Erfordernisse.
Das ist ein langer Weg. In den kommenden Wochen wird das Bündnis sich mit den Bauernverbänden treffen und gemeinsame Schnittmengen festlegen, erläutert Michael Wimmer die nächsten Schritte. Beim Thema „Massentierhaltung“ sei aber bereits eine „rote Linie“ überschritten und kein Spielraum mehr vorhanden. Und nicht zuletzt werden Kampagnen gefahren, die vor Ort und über Berlin das Thema und die Dringlichkeit weiter in die Öffentlichkeit tragen werden.
Zum Schluss stellte Michael Wimmer gegenüber Herd-und-Hof.de noch klar: Die Grünen sind kein parlamentarischer Träger der Kampagne. Das Aktionsbündnis ist überparteilich. Die Brandenburger Grünen bereiteten aber schon ihr neues Parteiprogramm in diese Richtung aus. SPD, CDU und Die Linke hingegen sind sich in ihrer agrarpolitischen Ausrichtung zwar weitgehend eins, doch selbst CDU-Politiker, wie Georg von der Marwitz, sind die großen Betriebe im Land schon zu groß geworden [3]. Dann würde das Aktionsbündnis auch als Blaupause für die anderen ostdeutschen Länder dienen.

Lesestoff:

www.agrarwen.de

[1] Das Agrarpapier der so genannten G-Länder

[2] Die Ost-Länder stimmen sich zur GAP ab

[3] Marwitz spricht sich für eine Degression aus

Roland Krieg; Fotos: roRo

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