Agrarzahlungen nach 2013

Landwirtschaft

Agraretat: Wie viel Geld wofür?

Kein anderer Haushalt ist in der Europäischen Union so vergesellschaftet, wie der Agraretat. Er macht 46 Prozent der Haushaltskasse aus. Rund 55 Milliarden Euro fließen direkt oder indirekt in die Landwirtschaft. Frankreich bekommt mit neun Milliarden den größten Teil, es folgen Spanien mit 5,9 und Deutschland mit 5,4 Milliarden Euro. Die Gelder fließen in die so genannte 1. Säule als Direktzahlungen oder in die zweite Säule indirekt als Gelder für die Entwicklung des ländlichen Raums. Das Modell läuft 2013 aus – wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest. Auch nicht nach dem informellen Agrarministertreffen im tschechischen Brno, wo sich die 27 Ressortchefs über Pfingsten getroffen haben. Aber sie haben vor der Europawahl den Startschuss für die nächste Diskussion gegeben.

Zweite Säule wird wichtiger
„Die landwirtschaftlichen Direktzahlungen sind als wesentliches Element der Gemeinsamen Agrarpolitik auch in Zukunft unerlässlich, denn sie tragen zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Einkommenssicherung der europäischen Landwirtschaft bei“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner am Dienstag nach dem Treffen. Gleichwohl tragen die Bauern auch „Gemeinwohlleistungen, die nicht über die Lebensmittelpreise entgolten werden.“ Aigner wies darauf hin, dass hochwertige Nahrungsmittel, gesunde Böden, sauberes Wasser, Artenvielfalt und eine gepflegte Kulturlandschaft nicht zum Nulltarif erhältlich sei und das jemand bezahlen müsse. Daher werde die 2. Säule der Agrarpolitik immer wichtiger.
Die amtierende EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel stellte die Grundsatzfrage: „Zunächst sei zu klären welche Funktionen die Direktzahlungen nach 2013 spielen sollen, auch hinsichtlich der Einkommenssicherung der Landwirte.“ In fünf Jahren werden 90 Prozent der Zahlungen entkoppelt sein und die Gelder eine andere Funktion erhalten als den Ausgleich des Einkommensdefizits. Während einige Länder die zweite Säule der Agrarzahlungen ausbauen wollen, so Fischer Boel, dürfe man nicht vergessen, dass mit den Zahlungen über das Cross Compliance bereits heute gesellschaftliche Leistungen innerhalb der ersten Säule entlohnt werden.
Fischer Boel gab den engen Zeitrahmen an, der noch zur Verfügung steht. Nach der Wahl müsse die neue Kommission im Sommer 2010 ein Papier für die öffentliche Diskussion und bis Mitte 2011 den Rechtsrahmen erstellt und die Finanzperspektive vorgegeben haben. „Das bedeutet“, so Fischer Boel, „wir müssen unsere Optionen jetzt schon begründen.“

Neue Verteilungskämpfe
Die neuen EU-Mitgliedsländer in Osteuropa wollen vor allem das gleiche Zahlungsniveau wie die alten EU-Länder. Schweden, das ab dem 01. Juli die Ratspräsidentschaft übernimmt, favorisiert nicht nur die zweite Säule, sondern sprach sich in der Woche vor Pfingsten offen gegen die ungleichen Zahlungshöhen aus. Auch Gerda Verburg, niederländische Agrarministerin unterstützt die Forderungen: „Die neuen Mitgliedsstaaten müssen zu 100 Prozent integriert werden, das ist klar.“
Als gescheitert bezeichnete Matthias Meißner vom WWF die derzeitige EU-Agrarpolitik.: „Trotz milliardenschwerer Subventionen gehen jedes Jahr tausende Betriebe bankrott. Zugleich kämpfen wir weiterhin mit Umweltproblemen, die durch eine zu intensive Landwirtschaft entstehen.“ Der WWF fordert, dass ab 2013 alle Subventionszahlungen an konkreten Klima-, Arten und Bodenschutz gekoppelt werden. Außerdem müssten im ländlichen Raum nachhaltige Verarbeitungsstrukturen gefördert werden.
Die Wissenschaft arbeitet schon an neuen Modellen. Im letzten Jahr stellte Agrarökonom Prof. Dr. Alois Heißenhuber von der TU München sein Modell der differenzierten Agrarpolitik vor: Grundvergütung für landwirtschaftliche Leistungen, Zusatzvergütung für gesellschaftliche Leistungen und als dritte Stufe Gelder zur integrierten Entwicklung des ländlichen Raums.

VLE

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