Agri-PV-Anlagen
Landwirtschaft
Positionspapier DBV zur Agri-PV
Die Energiewende war von Beginn an äußerst dynamisch angelegt. Kohle und Erdöl werden durch einen umfangreichen Energiemix ersetzt. Von Beginn an galt die Energiewende als eine Abkehr von dominierenden Energiekonzernen, hin zur dezentralen Erzeugung und Nutzung. Die Welt holpert sich auf die Zielgerade, die vom Pariser Klimagipfel vorgegeben ist. Am Donnerstag hat die Bundesregierung auf ihrem Weg eine deutliche Schlappe hinnehmen müssen. Das Deutsche Klimaschutzgesetz ist in Teilen verfassungswidrig, weil das Bundesverfassungsgericht keine „Ungefähr-Aussagen“ duldet. Für die Zeit nach 2030 müssen konkrete Reduktionsziele festgelegt werden. Ohne verpflichtende Zwischenziele steigt der Aufwand durch jede Verschiebung, das gesetzte Ziel am Ende zu erreichen. Was die heutige Generation verschiebt, geht zu Lasten der nächsten Generation, die unter anderem mit Friday-for-Future-Vertretern erfolgreich gegen das „Ungefähre“ geklagt haben. Der aktuelle Gesetzgeber muss die künftigen Lasten gerecht verteilen.
Neue Konzepte
Konzepte gegen die Aufschiebepolitik sind vorhanden. Sonnblumenähnliche Photovoltaik (PV)-Anlagen in den Städten, schwimmende PV-Flöße im Hafen, Autos mit Solardächern oder PV-Zäune. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) fasst diese Konzepte als „Integrierte Photovoltaik“ zusammen.
Darin enthalten ist auch das Konzept der Agri-PV. Im Oktober 2020 hat das ISE einen Leitfaden für die Agri-PV in Deutschland herausgebracht [1]. Damit die darin enthaltenden Chancen auch tatsächlich umgesetzt werden, hat der Deutsche Bauernverband (DBV) am Donnerstag das dazugehörige politische Positionspapier veröffentlicht. Es geht um die Doppelnutzung einer Fläche. Unten werden Gras, Getreide oder Beeren geerntet, aufgeständert wandeln Solarmodule Sonnenlicht in Strom um. Die Tochter für Renewable Energy der Bayerischen Warengenossenschaft (BayWa r.e.) hat dazu bereits eine Anlage für die Produktion von Himbeeren und der Erzeugung von Sonnenstrom erstellt [2].
Nachbesserung im EEG gefordert
Nachdem am Dienstag die Bundesregierung im Kabinett den Gesetzentwurf für das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verabschiedet hat gibt es im Bereich Agri-PV Gesprächsbedarf. Die 2020er Jahre gelten für den stellvertretenden DBV-Generalsekretär Udo Hemmerling als das „große Ausbaujahrzehnt für die Photovoltaik“. Denn: „Wie brauchen trotz steigender Energieeffizienz künftig mehr Strom. Wind und PV sind die zentralen Säulen“, ergänzt Dr. Andreas Bett vom ISE. Vor allem die PV-Anlagen müssten massiv ausgebaut werden. Die Agri-PV soll dabei ihren Platz neben den anderen Bereichen der „Integrierten Photovoltaik“ bekommen, erläuterte Hemmerling.
Vorteile und Herausforderungen
Weltweit gibt es sogar schon rund 2,9 Gigawatt installierte Agri-PV-Leistung. Für Deutschland hat das ISE ein technisches Potenzial von 1,7 Terrawattp errechnet. Es gibt ein großes Flächenpotenzial, die Anlagen sind preisgünstiger als Kleinanlagen und erzielen für die Landwirtschaft einen Zusatznutzen. Dabei ist die duale Flächennutzung noch in keinem gesetzlichen Regelwerk enthalten.
Konkret
Im Rahmen des geplanten EEG können Projekte bis zu einer Gesamtleistung von zwei MW an einer Ausschreibung teilnehmen. Für Udo Hemmerling geht es im Wesentlichen in diesem ersten Schritt um das Sammeln von Erfahrungen. Welche Kulturen eignen sich für den Anbau unterhalb einer PV-Anlage? Für Wiesen sind PV-Zäune umsetzbar, die als senkrechte Wand das Grünlandleben kaum stören. Wie es unter den Dächern mit dem Artenschutz ausgeht, und welche Flächenkompensation sich bei einer technischen Überdachung als Bauen im Außenbereich ergibt – das alles muss noch exakt ausgearbeitet werden. In der EEG-Novelle ist die Nutzung von Agri-PV ausschließlich für Ackerflächen vorbehalten und versucht so, nach Einschätzung von Hemmerling, offenen Fragen zu umgehen.
Es fehlt die Definition, worin sich Agri-PV-Anlagen gegenüber anderen Freiflächenanlagen, wie beispielsweise auf Konversionsflächen, unterscheiden. Für den Bauernverband gehört „die landwirtschaftliche Nutzung auf der Fläche“ auf jeden Fall dazu. Die Doppelnutzung der Fläche verhilft der Bundesregierung möglicherweise auch, ihr bislang nicht erreichtes Ziel, den Flächenfraß auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen.
Agri-PV hat vor wesentliche Vorteile: Landwirte könnten mit der Stromerzeugung den alten Wunsche einer dezentralen Energieerzeugung mal wieder erfüllen und in Zusammenarbeit mit Kommunen die Nutzung planen. Damit bekommen Landwirte Einkommensmöglichkeit und diversifizieren ihren Betrieb.
Die bisherigen Erfahrungen sind durchaus positiv. Technologisch sind die Module inklusive Verankerung wie bei Solaranlagen auf dem Dach gegen Schneelast, Starkwind und Hagel ausgerüstet, sagte Dr. Bett zu Herd-und-Hof.de. Inwieweit die Technik eine Versicherungslösung braucht, ist derzeit nicht absehbar.
Die Versuchsflächen der ISE haben in den letzten Jahren Erstaunliches hervorgebracht. In den Jahren vor 2018 lagen die Erträge der Feldkulturen unter den PV-Modulen unterhalb des Durchschnitts. Im Hitzejahr 2018 mit intensiver Sonneneinstrahlung allerdings haben die Anlagen die Kulturen beschattet und den Pflanzen den Hitzestress erspart. Die Solarexperten von ISE haben mehr als sonst geerntet.
Deutschland hinkt der Entwicklung hinterher. Italien finanziert gerade landesweit Agri-PV-Anlagen mit einer Leitung von zwei GW. Aus Brüssel bekommen sie dabei finanzielle Unterstützung aus dem Wiederaufbaufonds für die Zeit nach der Pandemie.
Akzeptanz
Zahlreichen Beispiele von Bürger-Initiativen gegen die Energiewende in ihrer Nachbarschaft zeigen, dass Sonnenmodule und Windkraftanlagen schnell an Akzeptanz verlieren können. Daher muss nach Bett die Kommunikation gegenüber der breiten Öffentlichkeit ein wichtiger Baustein für die Agri-PV sein. Moduldächer über Beerenobstanlagen haben eine Akzeptanz. Vor allem wenn sie mit Hagelschutznetzen die Beeren zusätzlich schützen, erklärte Bett. Bei hochaufgestellten Dächern über flache Nutzpflanzenkulturen hingegen müsse noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Doch die Solardächer werden nicht flächig über die Landschaft gebaut. Pro Hektar sind Module für 0,5 MW ausreichend.
Landwirtschaft und Agri-PV
Mit dem Positionspapier will der DBV zunächst einmal den Anschub für Agri-PV absichern und Erfahrungen sammeln. Die Einbindung in die landwirtschaftliche Nutzung mit dem Naturschutz und der Energieerzeugung ist ein Modell, mit dem sich auch der Gesetzgeber auseinandersetzt. Und der folgt seinem juristischen Faden, der nicht einfach zu durchschauen ist.
Im Direktzahlungen-Durchführungsverordnung ist im § 12 Abs. 3 Nr. 6 vermerkt: Flächen, auf denen „Anlagen zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie“ stehen sind immer nichtlandwirtschaftliche Flächen. Also auch nicht förderfähig. Im konkreten Fall eines Schäfers mit Solarmodulen über seiner Schafweide hatte das Verwaltungsgericht Regensburg jedoch diese Pauschalisierung im November 2018 die Möglichkeit der Beihilfezahlung anerkannt. Was zu dem Schluss führte, dass die pauschale Aussage im § 12 nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Entscheidungskriterium sei die tatsächliche Nutzung der Fläche.
Der Freistaat Bayern hat allerdings Berufung gegen das Urteil eingelegt, weil die Agrarverwaltungen der Ansicht sind, die Verordnung sei in diesem Punkt allein ausschlaggebend. Jetzt ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dran und wird entscheiden müssen, wer Recht hat.
Die ganze Agrarbranche blickt daher mit Spannung auf das Urteil.
Aber: Es handelt sich immerhin um EU-Recht. Ein Blick auf die Liste der Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zeigt, dass nationale Gerichte in solchen Fällen auch vorsichtshalber eine Vorlageabfrage in Luxemburg einreichen. Der VGH teilte Herd-und-Hof.de noch am Abend mit, dass „es bislang keine Vorlage an den EuGH“ gibt. In dem Fall müsste sich die Agrarbranche noch in Geduld üben. Ein Urteil des EuGH entscheidet aber nicht in der Sache selbst. Das obliegt weiterhin den nationalen Gerichten. Die EuGH-Entscheidung über Einklang oder Widerspruch mit der Uniosgesetzgebung, ist dann aber für alle Mitgliedsstaaten mit vergleichbaren Fragen bindend.
Lesestoff:
Positionspapier DBV: https://www.bauernverband.de/
[1] Leitfaden ISE: https://www.ise.fraunhofer.de/de/leitthemen/integrierte-photovoltaik/agri-photovoltaik-agri-pv.html
[2] Himbeeren und Sonne: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/baywa-erntet-doppelt-in-den-niederlanden.html
Roland Krieg
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